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Netzwerkagentur Perle

Handwerkerinnen mit Qualitätsgarantie

*** von Stefanie Otte ***

Seit 10 Jahren vermittelt die Agentur Perle Fachfrauen an Auftraggeber und unterstützt diese beim Bestehen in beruflichen Männerdomänen. Ihr Erfolgsrezept? Kundenservice, der überzeugt und geprüfte Qualität bei jedem Auftrag.

Hinhören was der Kunde will, statt die Dinge übers Knie zu brechen“. Mit dieser Philosophie hat die Inhaberin der Perle, Annette Albinus, sich in Hamburg und Umgebung einen Ruf als Vertrauensperson in Sachen „gutes Handwerk“ aufgebaut und zur besseren Vermarktung von Frauen in Handwerksberufen beigetragen.

Als erste (und leider immer noch einzige) Agentur vermittelt die Perle größtenteils selbstständige Handwerkerinnen, gerne aber auch Handwerker, aus derzeit mehr als 25 Gewerken vom Geigenbauer bis zur Sanitärinstallateurin.

Meldet sich ein Kunde bei der Perle, klärt Annette Albinus das genaue Anliegen in einem ausführlichen Gespräch ab. Innerhalb von nur 24 Stunden stellt die Perle dann einen Kontakt zwischen „perlegeprüften“ Fachfrauen und dem Auftraggeber her. Für letztere ist der Service gratis während die Handwerkerinnen eine Vermittlungsprovision an die Perle zahlen.

Diese ist nicht hoch, denn Annette Albinus möchte vor allem ein Netzwerk von Frauen für Frauen im Handwerk aufbauen. Mit viel Einsatz bei Marketing und Werbung arbeitet die Perle beständig an der Gewinnung von Neukunden für die Handwerkerinnen.

Beauftragt wird die Agentur in der Regel von Privatpersonen – in der Mehrzahl von Frauen – aber auch von kleineren Unternehmen und Vereinen.

Freundlichkeit und Kompetenz zahlen sich aus

Als gelernte Tischlerin weiß Annette Albinus, worauf es ihrem Kundenkreis ankommt und was manchen (männlichen) Kollegen fehlt. Auch im Handwerk zählt, wie bei anderen Dienstleistungen, nicht nur das Was sondern auch das Wie:

Kunden erwarten neben Fachkompetenz auch eine kundenfreundliche Arbeitsweise und möchten mit ihren Vorstellungen ernst genommen werden.

Gerade Frauen berichten der „Perle“ von Erlebnissen mit Handwerkern, die die „Zähne nicht auseinanderkriegen“ und die Aufträge mit der Holzhammermethode erledigen, anstatt auf ihre Wünsche einzugehen.

„Meine Partnerinnen sind behutsam in der Privatsphäre des Kunden. Sie stellen sich individuell auf den Menschen ein“, erklärt Annette Albinus. „Wenn eine Kundin möchte, dass die Erde mit der Hand statt mit der Schaufel um die Blumen geschüttet wird, kommen die Gärtnerinnen diesem Wunsch natürlich nach“. Um die Vorstellungen eines unentschlossenen Kunden zu erfüllen, kommuniziert diePerle auch schon mal mit dessen Tochter in New York über die Details einer Fensterfront.

Im Handwerk geht es eben neben der Qualität auch um geschmackliche Fragen und um eine funktionierende Kommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.

Geschickt vermittelt Annette Albinus zwischen beiden Parteien: „Wenn ein Kunde im Feldwebelton bei mir anruft, schicke ich ihm eine Fachfrau, die damit auch umzugehen weiß“.

Handwerkerinnen-Netzwerk und Qualitätssicherung

Daneben baut die Perle auch Netzwerke zwischen ihren Handwerkerinnen auf, bei komplexeren Aufträgen stellt sie beispielsweise eingespielte Arbeitsteams für den Kunden zusammen.

Ihre Ansprüche an die Qualifikation und Arbeitsweise ihre Kooperationspartnerinnen sind hoch, denn die Handwerkerinnenagentur lebt neben dem aktiven Marketing in eigener Sache vor allem durch persönliche Empfehlungen der Kunden. Im Vorfeld jeder Zusammenarbeit prüft die Inhaberin der Perle in drei Probeaufträgen, ob sie mit der Handwerkerin kooperieren möchte.

Stimmt der erste Eindruck, werden die Anforderungen schriftlich vereinbart. Neben Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit enthält der Vertrag auch eine Klausel zur Qualitätskontrolle. Jeder Kunde der Perle wird nach der Beendigung des Auftrags von Annette Albinus zu seiner Zufriedenheit befragt. Gibt es hier noch offene Punkte, werden diese durch die jeweilige Handwerkerin nachgearbeitet.

Dieser Service kommt beim Kunden gut an und so werden die Handwerkerinnen gerne auch mal lecker bekocht und erhalten Folgeaufträge.

Ursprung der Perle war die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf

Die Idee zur Handwerkerinnenagentur entwickelte die zweifache Mutter mit ihrer ehemaligen Partnerin aus ihrer persönlichen Situation heraus. Nach ihrer Babypause versuchten die beiden Tischlerinnen den beruflichen Wiedereinstieg, fanden jedoch trotz etlicher Bewerbungen keine Anstellung. Die berufliche Selbstständigkeit war die einzige Lösung. Sie wussten: Viele Handwerkerinnen behaupten sich wie sie selber mühsam als Einzelkämpferinnen gegenüber Vorurteilen und können dabei kaum auf Unterstützungsstrukturen zurückgreifen. Mit ihrer Geschäftsidee einer Vermittlungsagentur stießen die beiden Handwerkerinnen bei der Handwerkskammer Hamburg auf Skepsis. Überleben konnte die Perle in den ersten beiden Jahren nur durch Hilfe des Vereins „Berufliche Autonomie für Frauen“.

Seit mehreren Jahren steht die Agentur auf eigenen finanziellen Füßen und hilft anderen Handwerkerinnen und solche die es werden wollen durch Öffentlichkeitsarbeit und die Schaffung von Netzwerken. Das Know-how von Annette Albinus über erfolgreiche Netzwerkstrukturen und Vermarktungsmethoden für Frauen im Handwerk wird auch von Wissenschaftlern und Vertretern von Kammern oder öffentlichen Einrichtungen nachgefragt.

Hier ist noch viel Arbeit nötig, denn seit der Gründung der Perle 1999 ist in Sachen Unterstützung von Handwerkerinnen in Deutschland kaum etwas geschehen. Nach wie vor ist die Perle die einzige Vermittlungsagentur für weibliche Handwerksleistungen in der gesamten Bundesrepublik. Von öffentlicher Seite wurde in den vergangen Jahren wenig für die Frauen getan, so gibt es in Handwerkskammer Hamburg niemanden, der für die Förderung von Handwerkerinnen verantwortlich ist. Daher versteht Annette Albinus auch nicht den Ruf einiger Politiker nach mehr Engagement der Frauen um die Nachwuchssorgen im Handwerk zu lösen. „Das Problem ist hausgemacht, denn die qualifizierten Handwerkerinnen wurden jahrelang ignoriert.“

Bei Veranstaltungen wie dem „Girls-Day „hat sie gerade unter den Schülerinnen mit Migrationshintergrund viel Potential für die Zukunft entdeckt. „Viele Mädchen schrauben seit sie laufen können in der Werkstatt des Vaters mit.“ Leider erfahren die Schülerinnen bisher nur wenig Förderung ihrer Talente durch die Schulen.

Was sie sich für die Zukunft wünscht? „Natürlich noch mehr Aufträge für die Perle, wir arbeiten gerne auch mal für ein Wohnprojekt,“ lacht Annette Albinus, die selber in einem Wohnprojekt lebt: „Aber auch mehr Unterstützungsstrukturen für Frauen im Handwerk. Ein Anfang wäre in Hamburg zum Beispiel ein Ansprechpartner für Handwerkerinnenförderung von öffentlicher Seite.“

Für die Frauen im Handwerk gibt es noch viel zu tun und die Perle mit ihrem Handwerkerinnen-Netzwerk packt mit an!

Stefanie Otte ist Dipl. Ingenieurin Städtebau/ Stadtplanung und hat ihr Praktikum bei STATTBAU absolviert.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 16(2009), Hamburg