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Immovielien

Contra Staats- und Marktversagen in der Bodenpolitik 1)

*** von Wolfgang Griesing und Tobias Behrens ***

Knapp 50 Mitglieder aus ganz Deutschland gründeten am 18. Juni 2018 den Verein Netzwerk Immovielien in der ufaFabrik in Berlin-Tempelhof.

Im Netzwerk arbeiten seit 2017 Akteur*innen aus Zivilgesellschaft, öffentlicher Hand, Wirtschaft, Wohlfahrt und Wissenschaft eng zusammen und setzen sich gemeinsam für eine stärkere Gemeinwohlorientierung in der Immobilien- und Quartiersentwicklung ein. Der am Gemeinwohl orientierte Blick auf Themen der Stadtentwicklung und die heterogene Zusammensetzung der Mitglieder sind das Besondere am Netzwerk Immovielien: Die Vielfältigkeit der Haltungen, Diskurse und Formate macht es glaubwürdig innerhalb der Fachwelt, effektiv in der Sache und attraktiv für neue und alte Mitglieder.

„Das Interesse, sich auszutauschen und zusammenzuarbeiten, war von Anfang an enorm“, sagt Jörn Luft von der Bonner Montag Stiftung Urbane Räume, die bislang die Koordinationsstelle des Netzwerks innehatte. „Immovielien- Macher*innen und ihre Partner wollen sich über ihre Bildungs- und Vernetzungsarbeit in Zukunft noch deutlicher in die öffentliche Diskussion einbringen.“

IMMOBILIEN VON VIELEN FÜR VIELE

Immovielien sind Immobilien-, Kultur-, Gewerbe- und Quartiersprojekte, die einen dauerhaften Mehrwert für die Gesellschaft und die Nachbarschaft schaffen. Sie entstehen in einem partizipativen und interdisziplinären Entwicklungsprozess, der zumeist von der Zivilgesellschaft vorangetrieben wird. Sie sollen durch die Aktivitäten des Netzwerks gestärkt werden, die von Veranstaltungen und Publikationen über Informations- und Vernetzungsformate bis hin zu konkreten Kooperationen für eine gemeinwohlorientierte Immobilien- und Stadtentwicklung reichen.

In dem neuen Verein kann das Netzwerk Immovielien nun strukturell und finanziell unabhängig weiterwachsen. „Wir freuen uns außerordentlich darüber, dass wir den Verein mit fast 50 Gründungsmitgliedern ins Leben rufen konnten. Die gleiche Zahl von Mitgliedern steht schon in den Startlöchern und will in den nächsten Tagen den Mitgliedsantrag ausfüllen“, sagt Rolf Novy-Huy von der Hattinger Stiftung trias, der gemeinsam mit Benedikt Altrogge von der GLS Gemeinschaftsbank eG aus Bochum den ehrenamtlichen Vorstand übernehmen wird.

„Nun wollen wir uns so schnell wie möglich über unsere Arbeitsschwerpunkte abstimmen und dann mit einer neuen Koordinierungsstelle in Berlin Fahrt aufnehmen“, kündigt Benedikt Altrogge an. Vorschläge für mögliche Arbeitsschwer- punkte wurden bereits einige auf der Gründungsveranstaltung gesammelt. Neben öffentlichen und Netzwerkveranstaltungen sollen dabei auf jeden Fall die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Kooperationen von und für gemeinwohlorientierte Akteur*innen in der Stadtentwicklung weiterhin eine bedeutende Rolle spielen.

Fünf Arbeitsschwerpunkte bzw. konkrete Forderungen sind: 

  • MEHR BODEN! für eine gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung und Immovielien 
  • GUTES GELD! um die Finanzierung von Immovielien zu verbessern 
  • ANDERE FÖRDERUNG! um Investitionen in Immovielien zu erleichtern 
  • PASSENDES RECHT! und passender steuerlicher Rahmen für Immovielien 
  • MEHR AUGENHÖHE! in der Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Immovielien

Für die grundsätzliche Verbesserung von Rahmenbedingungen für eine am Gemeinwohl orientierte Immobilien- und Stadtentwicklung will sich das Netzwerk ebenso weiterhin einsetzen. Spardiktate an der falschen Stelle und mangelnder Reformwille kämen angesichts der angespannten Lage in vielen Kommunen einem Staatsversagen gleich, befanden sowohl Florian Schmidt, Baustadtrat in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg, als auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und baupolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag, Caren Lay.

Eine kritische Begleitung der bundespolitischen Diskussionen hatte das Netzwerk auch vor der Gründung bereits begonnen. Diese will das Netzwerk auch in Zukunft fortsetzen. Dabei bleibe es wichtig, sich nicht gegenseitig ausspielen zu lassen, merkte Gründungsmitglied Thomas Bestgen von der UTB Projektmanagement GmbH aus Berlin mit Blick auf die erfolgreichen Immovielien-Projekte in der Schweiz an. Viel entscheidender als die Auseinandersetzungen zu der geeignetsten Rechtsform sei nämlich das sichtbare Ergebnis der Immovielienentwicklung für die Menschen im Quartier.

BEISPIELHAFTE IMMOVIELIENPROJEKTE

Wie erfolgreiche Ergebnisse solcher Immovielienprojekte aussehen, ist zum Beispiel in der Immovieliensammlung zu erfahren, die unter www.neue-nachbarschaft.de/immovielien zu finden ist.

Dort stellen sich ganz unterschiedliche besondere Immovielien vor, die inspirieren und deutlich machen, welche Potenziale in aktiven Nachbarschaften für die sozial und ökonomisch gerechte Entwicklung unserer Städte stecken.

34 ausführliche Immovielien-Portraits zeigen, wie es geht und was möglich ist, wie beispielsweise: 

  • KulturEnergieBunkerAltona KEBAP KEBAP ist auch Gründungsmitglied im Netzwerk Immovielien geworden. KEBAP plant eine Basisversorgung der Menschen bei den Grundbedürfnissen Kultur & Energie, die lokale Ökonomie und Ökologie miteinander verbindet. Der KEBAP e. V. plant zusammen mit seiner ‚Schwestergenossenschaft‘ KEGA eG die Übernahme des Hochbunkers in der Schomburgstraße 6-8 in Hamburg/Altona, um dort Räume für Kultur zu schaffen sowie eine Erzeugungs anlage für erneuerbare (Fern)Wärme und Strom zu installieren. Die neuartige Mischung Kultur/Energie kommt sowohl den baulichen Gegebenheiten des Bunkers als auch der Lage im Wohngebiet (Nahversorgung) entgegen. Durch diese Nutzung wird der Bunker für den Stadtteil geöffnet und in diesem verankert. 
  • Unionviertel Dortmund – Gewerbehof und Stadtteilgenossenschaft als Motoren der Quartiersentwicklung Die Genossenschaft „InWest eG“ hat im Dortmunder Westen alle Räumlichkeiten im Projekt „Unionviertel. kreativ“ angemietet und stellt diese nun neuen Nutzern zur Verfügung. Das Unionviertel, wegen der vielen ehemaligen Brauereien im Volksmund immer noch „Biermeile“ genannt, mausert sich seit 2012 zum Kreativquartier. Dies wurde möglich durch die InWest eG, welche sich als kreativwirtschaftlicher Inkubator um die Sicherung von Gewerbeflächen und deren Neunutzung kümmert. 

1) Für diesen Artikel wurde auf die Veröffentlichungen und Internetseiten der genannten Vereine und Initiativen zurückgegriffen.

Wolfgang Griesing, STATTBAU Hamburg Mitarbeiter, war bei der Gründungsversammlung in Berlin dabei, und ist als Mitglied des wohnbund Vorstands, der neben STATTBAU Hamburg auch zu den Gründungsmitgliedern gehört, zum Kassenprüfer des neuen Vereins bestimmt worden. Tobias Behrens ist Geschäftsführer von STATTBAU Hamburg GmbH.

Netzwerk Immovielien e. V.

Koordinierungsstelle: Terra Libra GmbH
Am Sudhaus 2, 12053 Berlin kontakt@netzwerk-immovielien.de
Ansprechpartner*innen:
Vorstände: Benedikt Altrogge (GLS Bank), Rolf Novy-Huy (Stiftung trias)
Koordinierungsstelle: Mona Gennies und Caroline Rosenthal
Die IMMOVIELIENSAMMLUNG finden Sie derzeit unter https://www.netzwerk-immovielien.de/immovielien

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 23(2018), Hamburg