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Artikel Wohnprojekte für besondere Zielgruppen

Neues Wohnen im Alter

Alt genug für neue Wege

*** von Mechthild Kränzlin ***

Das Motto eines länger zurückliegenden Werkstattseminars zum Thema Wohnen in Gemeinschaft-Projekte aus Europa passt zu dem, was sich in der Amalie Sieveking-Stiftung gegenwärtig tut.

Meines Wissens werden die alten Hamburger Wohnstiftungen heute selten in Verbindung mit neuen Wohnideen gebracht (natürlich gibt es Ausnahmen!). Diese Einrichtungen sind eher traditionellen Ideen von sozialem Handeln und eben den Stiftern und deren Idealen verbunden. Selbstbestimmung gehörte vor 173 Jahren, als der Weibliche Verein für Armen- und Krankenpflege in Hamburg e.V. (heute Amalie Sieveking-Stiftung) gegründet wurde, jedenfalls nicht zu den Leitideen. Heute stellt sich unsere Situation folgendermaßen dar: Die Amalie Sieveking-Stiftung vermietet in Hamburg-St. Georg insgesamt 163 Wohnungen an Menschen über 55 Jahre mit geringem Einkommen (§5-Schein) und bietet Unterstützung und Begleitung an (Stichwort: Betreutes Seniorenwohnen). Unser wesentlicher Vorzug ist die Lage: mitten in einem lebendigen Stadtteil – und natürlich der Garten mit den alten Bäumen. Alt sind auch die Häuser und deswegen aufwendig und teuer zu unterhalten. Täglich erleben wir die zunehmende Vereinzelung und damit einhergehende Einsamkeit älterer Menschen. Institutionalisiertes Handeln kann daran nur wenig ändern. Ganz konkret wird hier das wachsende Bedürfnis nach vielfältigen Wohnmöglichkeiten im Alter geäußert. Wie unsere Stiftungsgründerin stellen wir uns dieser Aufgabe und wollen das Wohnangebot für Senioren in St. Georg erweitern – und zwar für die weniger betuchten.

Das Pauline-Mariannen-Stift in der Brennerstraße 79 ist ein wirklich schöner alter Backsteinbau. Es liegt nahe, die notwendige Sanierung des Wohnstiftes mit den neuen Wohnideen zu verknüpfen – wir entwickeln Vorstellungen von einem nachbarschaftlichen Wohnprojekt. Über die Ziele ist sich der Stiftungsvorstand einig:

  • gegen Vereinsamung und Vereinzelung wirken
  • Eigenverantwortung und -kompetenz stärken
  • Mitwirkungsmöglichkeiten unterstützen
  • Solidarität und Engagement fördern
  • Stadtteilbezüge nutzen und verbessern
  • Verantwortung im Wohnkontext wahrnehmen

Jetzt schließlich, nach langen Verhandlungen, stehen unsere neuen Wohnangebote.

Wohnangebot 1: Nachbarschaftliches Wohnen

Es werden insgesamt 8 barrierefreie, in sich abgeschlossene Wohnungen (44-57 qm) auf zwei Etagen entstehen.

Für diese Wohnungen suchen wir Menschen ab 60 Jahren, die sich in eine sozial aktive Nachbarschaft einbringen wollen. Dabei ist klar: Jede und jeder bestimmt das Maß an Rückzug und Öffnung selber. Ein Wohnberechtigungsschein (dessen Bedingungen sind ggf. verhandlungsfähig) ist Voraussetzung. lm Souterrain sind Gemeinschaftsräume (Waschküche, Werkstatt, Fahrradkeller, Tagungsraum…) geplant, die von den Bewohnerinnen des Hauses, zum Teil auch von Gruppen aus dem Stadtteil genutzt werden können. Der Dachboden wird mit dem Fahrstuhl erreichbar sein, die Nutzung ist noch offen.

Es gibt bereits einen festen Kreis von Interessentinnen. Sie treffen sich wenigstens einmal im Monat. Das heißt nicht, dass schon klar ist, wer dort wohnen wird – eine Warteschleife ist installiert.

Wohnangebot 2: Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz

ln dem 2. Obergeschoss soll eine barrierefreie Wohngruppe für Menschen mit Demenz entstehen. Sieben Einzelzimmer (ca. 14 qm), drei Bäder und ein offener Küchen- und Wohnbereich werden zur Verfügung stehen. Die Pflegleistungen werden ambulant organisiert. Das Angebot der Dementen-WG richtet sich an Menschen, die dieses innovative Versorgungskonzept für ihre betroffenen Angehörigen oder Klienten suchen. In der Regel werden die Angehörigen die Versorgung der Bewohnerinnen organisieren und/oder daran beteiligt sein. Mit dem Aufbau einer Gruppe für die Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz werden wir Anfang nächsten Jahres beginnen.

Bis heute ist alles erstaunlich gut gelaufen. Alle Projekterfahrenen wissen von völlig ungeplanten Hürden, die zu nehmen sind. Die Baubehörde und die Heimaufsicht stimmen dem Konzept zu, die öffentliche Förderung ist sicher. Für die Eigenleistung der Stiftung sind Sponsoren gefunden – das grenzt fast an ein Wunder. (Hier bewährte sich wieder einmal die gute Zusammenarbeit der Hamburger Stiftungen untereinander: die fördernden helfen den operativ tätigen.) Da sich die BSF deutlich für die Förderung von Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz ausgesprochen hat, hoffen wir auf positive Resonanz auf einen entsprechenden Förderantrag.

Wenn alles weiter so gut vorangeht, werden die neuen Alten im Sommer 2006 einziehen.

Mir gefällt, dass mit diesem Projekt in die Arbeit der Amalie Sieveking-Stiftung neuer Schwung kommt und bin gespannt, wie „es“ weitergeht.

Mechthild Kränzlin ist Vorsteherin und Geschäftsführerin der seit 1832 bestehenden Hamburger Einrichtung.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 12(2005), Hamburg