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Artikel Stadtsanierung/Stadterneuerung Wohnprojekte für besondere Zielgruppen

Auf die Perlen, fertig, los

Initiative für Hamburger Wohnstifte in den Startlöchern für eine Beratungs- und Vernetzungsstelle

*** von Ulrike Petersen ***

Die Initiative „Perlen polieren“, die STATTBAU Hamburg vor drei Jahren gemeinsam mit der Homann-Stiftung und der Patriotischen Gesellschaft von 1765 ins Leben gerufen hat, will die sozial- und wohnungspolitische Bedeutung der Wohnstifte und ihren Stellenwert in der Versorgung mit preisgünstigem Wohnraum in Hamburg stärken.

Als Orte des sozialen Lebens in den Stadtteilen gilt es, die zum Teil unter Denkmalschutz stehenden Gebäude zu erhalten und bei Bedarf baulich und konzeptionell zu modernisieren. Dazu hat die Initiative ein bundesweit einmaliges Beratungskonzept entwickelt. Wie dieses Konzept umgesetzt werden kann, wird gegenwärtig mit den Fachbehörden abgestimmt. Angedacht ist eine auf mindestens drei Jahre ausgelegte ‚Beratungsoffensive‘, gefördert aus Mitteln der öffentlichen Hand und Stiftungsgeldern.

ZEITLOS MODERN TROTZ SICHTBARER SCHWACHSTELLEN – DIE BEDEUTUNG DER HAMBURGER WOHNSTIFTE

Wohnstiftungen sind ein sichtbarer Schatz in der Hamburger Wohnlandschaft. In Hamburg erlebten sie einen Bauboom im 19. Jahrhundert. Hier wurde gerne in Kooperation zwischen Stadt und privaten Förderern gebaut, um Wohnraum für benachteiligte Menschen zu schaffen. Immer ging es dabei um Menschen, die Zugangsschwierigkeiten zum Wohnungsmarkt und/oder Unterstützungsbedarf hatten. Die Stadt unterstützte das soziale Engagement ihrer reichen Bürger*innen, indem sie Bauland günstig oder gar kostenlos zur Verfügung stellte – ein recht weitsichtiges und nachhaltiges Kooperationsmodell. Trotz Kriegen und Wirtschaftskrisen gibt es heute noch etwa 100 Wohnstifte mit weit über 6.000 Wohnungen in Hamburg … Das sind oft stadtbildprägende Gebäude und Gärten.

Manche Hamburger Wohnstifte sind im Laufe der Zeit in eine missliche Lage geraten: sie arbeiten nicht gewinnorientiert, sind häufig ehrenamtlich geführt und durch ihre Satzung gebunden, günstigen Wohnraum an bedürftige Menschen zu vermieten. Ihnen fehlen entscheidende Ressourcen, um die oft unter Denkmalschutz stehende Bausubstanz zu sanieren. Energetischer Substandard, mangelnde Barrierefreiheit und unattraktive Wohnungsgrundrisse, Sorgen und Verunsicherung von Verantwortlichen und Mieter*innen sind die Folge. Dieser vielschichtige Handlungsdruck führt nicht selten zu Verkaufsabsichten. Angesichts der attraktiven innerstädtischen Lagen vieler Wohnstifte wachsen Begehrlichkeiten auf Seiten von Investoren, die gewöhnlich nicht sozialen Wohnungsbau verfolgen. Erste Fehlentwicklungen sind bereits zu beklagen.

In Hamburg wächst die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum für weite Teile der Bevölkerung, besonders für die ältere Generation, die Alleinlebenden, die so genannten Kleinrentner, für die ein Altwerden in angestammter Umgebung hohe Wohn- und Lebensqualität bedeuten. Wohnstifte sind mithin heute umso mehr gute Partner für die fachpolitisch Förderung stadtteilorientierter inklusive Angebote und Strukturen im Sinne demografiefester Stadtentwicklung.

PROBLEME SICHTEN UND LÖSUNGEN ENTWICKELN

Angesichts der von Perlen polieren im Rahmen einer 2016 durchgeführten Bestandsaufnahme Hamburger Wohnstifte ermittelten komplexen Herausforderungen, besteht die Gefahr, dass alteingesessene, kostengünstige Wohnangebote an attraktiven innerstädtischen Standorten wegbrechen und damit zukünftigen Generationen verloren gehen. Die geplante Beratungsstelle soll als ‚Wächterin‘ in einem multidisziplinären Netzwerk diesen Gefahren vorbeugen und sämtlichen aber vor allem auch den bislang relativ schwach organisierten Wohnstiften als unabhängiger Ansprechpartner zur Seite stehen. Probleme wie zum Beispiel Leerstand, Substandard, Verfall oder gar Verkauf von Wohnstiften sollen zukünftig frühzeitiger, als es bisher in Hamburg der Fall war, erkannt und abgestellt werden.

Stiftungsvorstände werden in Zukunft gezielt über die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der baulichen Verbesserung ihrer Wohnanlagen sowie über innovative Wohn- und Betreuungskonzepte informiert. Neben den Wohnstiften steht das Beratungsangebot weiteren Institutionen, z. B. förderwilligen Stiftungen, Fachverbänden, Behörden, bezirklichen Fachabteilungen sowie quartiersorientierten Organisationen zur Verfügung, wenn es wohnstiftsrelevante Anliegen, Fragen und Initiativen geht.

BERATUNGSOFFENSIVE FÜR WOHNSTIFTE: EIN WERTVOLLES ANGEBOT FÜR HAMBURG

Eine wesentliche Voraussetzung für eine gelingende und nachhaltige Unterstützung Hamburger Wohnstifte ist, dass die derzeit prekäre Datenlage hinsichtlich der Strukturmerkmale sowie Problemfelder der über 100 Stifte verbessert wird. Durch Erhebungen, zugehende Kontaktgespräche mit Wohnstiften sowie netzwerkfördernde Fachdiskussionen werden in Hamburg vertrauensbildende Zugangswege gerade für ehrenamtlich geführte und möglicherweise überforderte Stiftungen erschlossen. Unabhängig vom Einzelfall wird sich die Initiative Perlen polieren. mit dem neuen Beratungsangebot intensiv für die Optimierung der Rahmenbedingungen und für Lösungen struktureller und fachpolitischer Fragen einsetzen, um die Hamburger Wohnstifte zukunftssicher zu machen. 

Ulrike Petersen ist seit 2005 Mitarbeiterin der STATTBAU Hamburg GmbH und dort in der Koordinationsstelle für Wohn-Pflege-Gemeinschaften für die Entwicklung innovativer Wohnformen für Menschen mit Assistenz- und Pflegebedarf zuständig. Hierzu zählt auch die konzeptionelle Beratung und Begleitung von Wohnstiften, die im Zuge von Sanierungs- bzw. Umbaumaßnahmen neue Wohnkonzepte realisieren wollen.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 23(2018), Hamburg