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Artikel Bodenpolitik/Grundstücke

Ausgebremst – Der lange Weg zum Grundstück

*** von Elke Voss ***

Wer sich als Normalsterblicher in Hamburg um ein Grundstück bemüht, muss einen verdammt langen Atem haben. Was besonders schwer fällt, wenn einem die Zeit davon läuft, weil man bereits zu den älteren Semestern gehört. Ein Blick zurück im Zorn.

Baukräne und Bagger wohin man sieht. Hamburg macht derzeit seinem selbst ernannten Titel der wachsenden Stadt alle Ehre. An Grundstücken fehlt es offenbar nicht. Für Normalbürger aber scheinen sie unerreichbar. Mit ihnen ist es wie mit dem viel gepriesenen Aufschwung: bei den meisten kommt er nicht an. Grundstücke gibt es für meistbietende Investoren und Eigentümer. Mieter haben das Nachsehen, es sei denn, man kann sich als junge Familie präsentieren, für die die Parteien bundesweit ihr Herz entdeckt haben. Was auch gut ist. Schlecht ist, dass 50plus-Bewerber dabei auf der Strecke bleiben.

Wider alle Vernunft

Denn der demografische Doppeltrend von Geburtenlücke und zunehmender Veralterung macht ein Umdenken zwingend notwendig. Pflegenotstand und unzureichende Versorgung in Heimen sind hinlänglich bekannt. Umso wichtiger wäre es, durch gute Nachbarschaft und gegenseitige Hilfe die Eigenständigkeit älterer Menschen möglichst lange zu erhalten, was die galoppierenden Kosten für Pflegepersonal und Heime senken und die ächzenden Sozialsysteme entlasten würde.

Wenn man den Statistikern glauben will, können sich fast Zweidrittel der „Master Consumer“ vorstellen, in einer Hausgemeinschaft zu leben. Der große Zulauf zu den jährlichen Wohnprojektetagen in Hamburg und Schleswig-Holstein bestätigt das. Bei der Agentur für Baugemeinschaften ist eine Vielzahl von Projekten anhängig.

Eigentlich eine klassische Win-Win-Situation, denn: Baugemeinschaften sind gewollt, sagt die Politik. Und: Baugemeinschaften werden gefördert, sagt die Agentur für Baugemeinschaften. Nur leider lassen Politik und Agentur ihren Worten keine Taten folgen.

Viele Fragen, wenige Antworten

Dass der Weg zum Ziel nicht leicht wird, wussten wir, als wir vor über zwei Jahren unser Projekt CasaNueva mit viel Elan in Angriff nahmen. Dass aber schon der erste Schritt dahin, das Grundstück, zur „Mission Impossible“ werden würde, ahnten wir allerdings nicht. Zwei Jahre Anfragen und Anträge, zwei Jahre Workshops und Warten. Heute sind wir um viele Erfahrungen und Infos reicher, unserem Ziel aber leider keinen Zentimeter näher.

Ein Ende der Durststrecke schien am 23.6.2008 gekommen, als die Agentur für Baugemeinschaften zur Vorstellung von vier Grundstücken geladen hatte. Doch dann das: ein Grundstück war bereits vergeben, die anderen gingen an Genossenschaften. Erst danach will die Agentur das Anforderungsprofil an interessierte Gruppen weitergeben. Wie?

Was heißt das für Bewerber? Finden sie dann fertige Pläne ohne Gestaltungsmöglichkeiten vor? Werden die Anpassungsfähigen bevorzugt? Gibt es ein neues Vergabeverfahren und wenn, warum? Viele Fragen, wenig Antworten und reichlich Raum für Spekulationen.

Wir sind wütend, werden aber weiter um unser Ziel kämpfen

Von der Agentur erhoffen wir uns zukünftig:

  • Transparenz bei der Vergabe von Grundstücken
  • Eine aktuelle Version des Vergabeverfahrens im Internet
  • Eine aktuelle Liste bestehender Wohnprojekte
  • Baugemeinschaften bei der Vergabe mit allen Rechten zu beteiligen

Und wir fordern andere „Wohngruppen in der Warteschleife“ auf, mit uns gemeinsam aktiv zu werden, den unwilligen Politikern und Bauträgern sowie der undurchsichtigen Agentur für Baugemeinschaften zur Einsicht zu verhelfen, dass Alter Zukunft hat. Zum Wohle der Alten und des Staates.

Elke Voss ist Mitglied von CasaNueva, einer Gruppe von Menschen zwischen 49 und 69 in unterschiedlichen Lebenssituationen, die Individualität in der Gemeinschaft leben will. Und die auf bezahlbare Mietwohnungen angewiesen ist, da sie kein Eigentum mehr bilden kann.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 15(2008), Hamburg