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Artikel Bodenpolitik/Grundstücke

Kein Land in Sicht?

„Der Tod einer Baugemeinschaft ist die lange Zeit, die sie bis zum Grundstückskauf braucht“*

*Zitat aus der SZ vom 6.8.08 zu den Münchener Wohnprojekte-Tagen

*** von Reiner Schendel ***

Baugemeinschaften benötigen möglichst schnell den verbindlichen Zugriff auf ein konkretes Grundstück, um die gemeinsame Idee vom Planen und Bauen zu konkretisieren. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass durch die lange Wartezeit auf eben diesen verbindlichen Zugriff viele Baugemeinschaften auseinanderfallen bzw. sich komplett in Inhalt und Zusammensetzung verändern. Insofern ist die Verlässlichkeit bei der Grundstücksvergabe von städtischen Liegenschaften ein wesentlicher Baustein bei der erfolgreichen Installation von Baugemeinschaften.

In der letzten FreiHaus hatte ich die Problematik bei der städtischen Grundstücksvergabe an Baugemeinschaften dargestellt und einen Vorschlag für ein gerechteres und transparentes Verfahren gemacht. Im Rahmen der Wohnungsbauoffensive II sind nun die in absehbarer Zeit zu bebauenden Grundstücke verteilt worden. Angesichts der Wichtigkeit dieses Themas möchte ich hier noch mal im Detail zurückschauen und über die aktuelle Entwicklung berichten.

Ein Blick zurück – Die Wohnungsbauoffensive II

Im Rahmen der Wohnungsbauoffensive II hat die Freie und Hansestadt Hamburg mit dem Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V. (VNW), in dem ein großer Teil der Hamburger Genossenschaften und ehemals gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften organisiert ist, und dem Verband freier Immobilien und Wohnungsunternehmen e.V. (BFW), d. h. der nicht öffentlichen, privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen, Vereinbarungen zur gemeinsamen Vergabe und Bebauung von städtischen Grundstücken geschlossen. Jedem Verband ist ein festgelegtes Kontingent von Grundstücken zur Vergabe zugeordnet worden. Dem VNW, in dem auch ein Großteil der Hamburger Kleingenossenschaften organisiert ist, wurden auch diejenigen Grundstücke zugeordnet, die für Baugemeinschaften vorgesehen waren.

Das weitere Verfahren lief nun folgendermaßen ab:

Juli 2007

Der VNW fragt seine Mitglieder, ob Interesse besteht, im Rahmen der Wohnungsbauoffensive II Grundstücke oder Teilflächen davon zu erwerben ( Interessensbekundung).

18.01.2008

Der Stadtentwicklungsausschuss der Bürgerschaft beschließt die Wohnungsbauoffensive II und benennt die Grundstücke und die jeweilige Anzahl der Wohnungen, die auf diesen Grundstücken für Baugemeinschaften reserviert sind. Fünf Grundstücke sind mit den folgenden Wohnungszahlen benannt:

  1. Kleine Freiheit (Pestalozzischule) – bis zu 40 Wohneinheiten (WE)
  2. ehemaliger Güterbahnhof Barmbek – bis zu 40 WE
  3. Gymnasium Uhlenhorst – bis zu 40 WE
  4. Kleine Bergstrasse – bis zu 25 WE
  5. Außerdem wird das Grundstück Chemnitzstrasse benannt, welches schon zuvor gem. Bürgerschaftsdrucksache 18/3901 für 35 WE für Baugemeinschaften reserviert wurde.

Zusammen gibt es Grundstücke für ca. 180 Wohneinheiten für Baugemeinschaften.

11.01.2008

In der Koordinierungsrunde Baugemeinschaften (KORB)** wird von der BSU dargestellt, dass im Rahmen der WBO II Flächen für rd. 200 Wohnungen für Baugemeinschaften vorgesehen sind und für die Vergabe dieser Grundstücke nicht der VNW, sondern die Agentur für Baugeminschaften zuständig ist. Schon auf dieser Sitzung wurde darauf hingewiesen, dass der VNW dies anders sieht und behauptet, er allein sei für die Vergabe auch der Baugemeinschaftsflächen zuständig.

** KORB: Koordinierungsrunde Baugemeinschaften. Hier sind Vertreter der BSU (Amt für Wohnen, Stadterneuerung und Bodenordnung, Agentur für Baugemeinschaften), der Hamburgischen Wohnungsbaukreditanstalt, der Finanzbehörde, der Sozialbehörde, der Baubetreuer sowie der traditionellen Genossenschaften, die mit Baugemeinschaften kooperieren, vertreten.

29.01.2008

In Beantwortung einer kleinen Anfrage stellt der Senat klar, dass die Vergabe der Baugemeinschaftsgrundstücke durch den VNW nicht an die Mitgliedschaft im VNW/AHW gebunden ist und dass somit auch verbandsfremde Bauherren an der Vergabe/Verlosung teilnehmen können.

04.02.2008

Um die Vorgaben des Senats festzuschreiben wird eine Kooperationsvereinbarung von BSU, VNW und AHW unterzeichnet. Dort sind in der Protokollnotiz zur Vereinbarung die o.g. Grundstücke genau mit Zahl der Wohnungen benannt. Außerdem wird unter Pkt. 2. festgestellt: „Solange einzelne Baugemeinschaften noch nicht feststehen, vertritt die Agentur für Baugemeinschaften im Planungsprozess stellvertretend die Baugemeinschaften…“

Darüber hinaus wird unter Pkt. 3. festgehalten: „Investoren, die bisher keinem der Verbände angehören, können gemäß Bürgerschaftsdrucksache nach den gleichen Bedingungen wie die Mitgliedsunternehmen an der Wohnungsbauoffensive teilnehmen. In diesen Fällen trägt der Verband dafür Sorge, dass eine diskriminierungsfreie Teilnahme an der Flächenvergabe ermöglicht wird…“

06.03.2008

Der VNW informiert in einem Rundschreiben an seine Mitgliedsunternehmen, dass die Entscheidung über die Vergabe der Grundstücke innerhalb des VNW erfolgt sei. Zuvor wurden verbandsfremde Investoren nicht informiert, konnten somit auch nicht an der Vergabe/Verlosung teilnehmen. STATTBAU z. B., als nicht Verbandsmitglied, hat sich auf Grund der vorliegenden Informationen trotzdem beworben, wurde aber auf Grund der VNW-internen Bewertungskriterien nicht berücksichtigt.

07.03.2008

Schreiben von STATTBAU an Senator Gedaschko (BSU), in dem darauf hingewiesen wird, dass

  1. die Vergabe schon erfolgt sei, obwohl die Bewerbungsfrist erst offiziell am 30.4.08 ablaufen sollte,
  2. eine Information von Nicht-Mitgliedern nicht stattgefunden hat und
  3. die Agentur für Baugemeinschaften weder einbezogen worden ist, noch stellvertretend Gruppen vertreten hat,
  4. und dass es völlig unklar sei, wie sich Eigentumsprojekte bewerben können.

26.03.2008

Antwort des Senators Gedaschko auf das Schreiben vom 7.3.08, in dem er darauf hinweist, dass lediglich eine interne Vergabe der Grundstücke innerhalb des VNW erfolgt sei, letztlich aber die Kommission für Bodenordnung (KfB) über die endgültige Vergabe entscheiden werde. Dabei sollen alle Kriterien der Bürgerschaftsdrucksache und des Kooperationsvertrages berücksichtigt werden. Selbstverständlich sollen dabei auch Angebote von Investoren berücksichtigt werden, die nicht Mitglieder der Verbände sind. Es werden noch mal ausdrücklich die fünf Grundstücke inkl. der Chemnitzstr. benannt, und es wird versichert, dass die Agentur für Baugemeinschaften die Vergabe steuern werde.

15.04.2008

Antwort von STATTBAU an Senator Gedaschko, in der darauf hingewiesen wird, dass die ausgewählten Genossenschaften zwar noch keine verbindliche Zusage der KfB hätten, sich jedoch in Besitz einer „gefühlten Anhandgabe“ sähen, die für sie verbindlich sei. Es wird darum gebeten, doch umgehend mit dem Verband Kontakt aufzunehmen, um diese Frage zu klären.

29.04.2008

KORB-Runde, erneut bringen die Baubetreuer Kritik an der Vergabepraxis vor und weisen die BSU darauf hin, dass der Vertrag insbesondere die Inhalte der Protokollnotiz nicht eingehalten werden und damit ein Vertragsbruch vorliegt. Von Seiten der BSU wird angemerkt, dass Kritiker die Stadt verklagen könnten, wenn sie sich nicht gerecht behandelt fühlten. Die Vertreter der traditionellen Genossenschaften zweifeln die Möglichkeit der Rückgabe von an sie vergebenen Grundstücken oder Teilen davon an. Dennoch wird von der Agentur bestätigt, dass sämtliche Flächen für Baugemeinschaften auf den bereits vergebenen Grundstücken von der Agentur ohne Auflagen an Baugemeinschaften vergeben werden und diese von der Agentur gemäß dem üblichen Auswahlverfahren ausgewählt werden.

23.06.2008

Info-Veranstaltung der Agentur für Baugemeinschaften zu Grundstücken in der BSU. Es gibt ein starkes Interesse mit 140 TeilnehmerInnen. Die Informationen der Agentur:

  1. Das Grundstück Kleine Bergstraße steht nicht zur Vergabe, hier erfolgt die Vergabe an die vom VNW ausgewählte Genossenschaft mit der mit ihr kooperierenden Projektgruppe – kein Auswahlverfahren der Agentur.
  2. Auf den Grundstücken Kleine Freiheit, Güterbahnhof Barmbek und Gymnasium Barmbek werden jeweils ca. 20 Wohnungen für Eigentumsprojekte von der Agentur vergeben. Die Grundstücksteile sollen aus den Grundstücken herausgeschnitten und nach Realteilung an die Gruppen verkauft werden.
  3. Mietwohnungen werden auf den drei Grundstücken nur an Baugemeinschaften vergeben, die bereit sind, unter das Dach derjenigen Genossenschaft, die den Zuschlag vom VNW erhalten hat, zu gehen. Freie Wahl für die Baugemeinschaften in Bezug auf Rechtsform, Wahl der Trägergenossenschaft, Architekturbüro und Baubetreuer ist damit nicht gegeben.
  4. Für das Grundstück Chemnitzstraße findet keine freie Vergabe der Baugemeinschaftsflächen statt, weil hier ein anderes Verfahren über die o.g. Bürgerschaftsdrucksache bereits geregelt war.

In der folgenden Diskussion werden von den Besuchern das gesamte Verfahren, die geringe Auswahl, die Festlegung auf die Zuschlagsgenossenschaften und die noch langen Planungsvorläufe kritisiert. Soweit die Chronologie der Ereignisse.

Vergabe beim VNW und BFW

Nur für das Grundstück in der Chemnitzstraße wurde vorab eine Entscheidung zu Gunsten einer Baugemeinschaft bekannt gegeben, da sich diese Gruppe bereits seit Jahren in Abstimmung mit der Agentur für Baugemeinschaften mit der Planung des Grundstücks beschäftigt. Für alle anderen für Baugemeinschaften benannten Grundstücke oder Teile hieß es ausdrücklich, dass es keine Reservierungen für bestimmte Baugemeinschaften gebe und die ausgewählten Baugemeinschaften die Wahl hätten, im individuellen oder genossenschaftlichen Eigentum zu bauen. Die freie Wahl von Planungs- und Baubetreuungsbüro – ein wesentliches Markenzeichen für Baugemeinschaften – wurde vorab nicht in Frage gestellt.

Am Ende des Verfahrens wurden für kein einziges Grundstück die Regelungen eingehalten. Das interne Vergabeverfahren des VNW hat weder in ausreichender Form die Vereinbarungen mit der Freien und Hansestadt Hamburg berücksichtigt, noch allgemeine Anforderungen des Vergaberechts erfüllt. Neben der Unmöglichkeit der Beteiligung von Nichtmitgliedern und Baugemeinschaften im individuellen Eigentum gab es durch ein internes Vergabepunktsystem auch keine Chance für Kleingenossenschaften sich zu beteiligen. Außerdem gab es erstaunliche Zufälle dahingehend, dass Genossenschaften, die sich mit bestimmten Grundstücken bereits beschäftigt hatten, diese dann auch zugesprochen bekamen. Ein Zitat eines nicht mit einem Grundstück bedachten VNW-Mitglieds: „…verlosen wäre gerechter gewesen…“.

Während also die Grundstücksvergabe über den VNW denkbar unglücklich gelaufen ist, hat der Verband der Freien Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) für jedes Grundstück eine detaillierte Beschreibung ausfertigen lassen und ein Bewerbungsverfahren durchgeführt. Es wurde eine unabhängige Kommission benannt, die die Bewerbungen nach vorher festgelegten Kriterien bewertet hat und daraufhin einen Vergabezuschlag abgegeben hat. Die Durchführung dieses Verfahrens entsprach annähernd zu 100% dem von STATTBAU vorgeschlagenem Vergabeprinzipvorschlag aus 2007. Erstaunlicherweise war die Abteilung Immobilienmanagement der Finanzbehörde (vormals Liegenschaftsverwaltung) an dieser Stelle auch in der Lage, alle Informationen bereit zu stellen und hat für den BFW die detaillierten Ausschreibungsunterlagen erstellt. Es geht also doch.

Fazit

Es ist klar, dass nicht jede Baugemeinschaft ihr Wunschgrundstück erhalten kann. Aber die Vergabe muss transparent und nach festgelegten Kriterien erfolgen. Erfolgt die Vergabe mit Hilfe von Dritten, muss die Agentur für Baugemeinschaften dafür Sorge tragen, dass das Verfahren eingehalten wird. U.E. ist es unverständlich, dass trotz mehrfacher Hinweise keinerlei Anstalten gemacht wurden, die wirklich mehr als deutlich drohende Gefahr abzuwenden.

Was zunächst bleibt, ist Ratlosigkeit, weil die Grundstücke nun von der KfB verbindlich vergeben wurden. Die Lösung kann nur sein, dass schnellstens neue Grundstücke bereit gestellt werden, die dann auch tatsächlich an Baugemeinschaften unter Einhaltung von Regelungen vergeben werden.

Hoffnung macht das in diesem Heft abgedruckte Interview mit der Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt, Frau Hajduk, und damit verbundene Gespräche. Es sollen demnach Baugemeinschaften weiterhin und maßgerecht gefördert werden und zukünftig die Grundstücke für Baugemeinschaften direkt und nicht über Verbände vergeben werden.

Die BSU und die Finanzbehörde sind gefordert, Taten sprechen zu lassen.

Reiner Schendel ist Geschäftsführer der STATTBAU HAMBURG Stadtentwicklungsgesellschaft mbH und befasste sich intensiv mit dem (problematischen) Zugang von Projektgruppen zu Grundstücken.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 15(2008), Hamburg