Kategorien
Architektur/Planungskultur Artikel

Freie Architektenwahl für Baugemeinschaften!

Echter Wettbewerb statt Fassadenarchitektur

*** von Joachim Reinig ***

Einer der Grundsätze für Baugemeinschaften in Hamburg ist die freie Wahl von Architekten und Baubetreuern.

Zwischen der Projektgruppe und den Professionellen muss schließlich ein gegenseitiges Vertrauen für den Planungs- und Bauprozess von einigen Jahren aufgebaut werden. In der Regel sprechen die Baugruppen mit einigen Architektenbüros oder Baubetreuern – bis sie sich sicher sind jemanden gefunden zu haben, der sie durch den Planungs- und Finanzierungsdschungel führt.

Dieses Verfahren wird in Hamburg zunehmend konterkariert durch formalisierte Gutachterverfahren und Architektenwettbewerbe. Die Gruppen können im besten Fall Büros vorschlagen, aber kennen die Architekten kaum. Die Jurys sind mit Dritten besetzt, die oft andere Kriterien haben, als bewohnerorientiertes Planen.

Zudem werden die Grundstücks- und Wettbewerbsausschreibungen mit vielerlei Forderungen belastet: Ein Büro soll z.B. in der Dieselstraße für bis zu vier Baugruppen mit 90 Wohnungen planen, es müssen Backstein und Holzfenster sein, Bauen in Holz ist auch erwünscht (obwohl es 10% teurer ist), aufwändige Dachbegrünungen, Fernwärmeanschluß oder der Zwang zu Photovoltaik. Die Baugemeinschaften sind in Hamburg Pioniere des ökologischen Bauens – aber zu viele Forderungen sind ein Korsett, an denen sie leicht scheitern können. Außerdem achten viele Architektenbüros mehr auf die äußere Form des Hauses als auf eine sinnvolle Innenstruktur – Konflikte sind vorprogrammiert.

Solche Art Wettbewerbe fordert auch die Hamburgische Architektenkammer – für wen sie sind, ist dabei ziemlich egal. So wundert es nicht, dass in Neubaugebieten wie der Neuen Mitte Altona die Baugemeinschaftsprojekte nur zu erkennen sind, wenn Plakate an den Fenstern hängen – die Architektur wird banal. Um nicht missverstanden zu werden: Wettbewerbe machen die Welt besser. Gesellschaften, die auf Wettbewerb verzichten gehen langfristig zugrunde. Aber wir brauchen tatsächliche Wettbewerbe der Konzepte und ihrer planerischen und wirtschaftlichen Umsetzung, wir brauchen erkennbare und originelle Häuser in der Stadt und nicht immer den gleichen Fassadenkanon aus dem Architektenjahrbuch.

Wir brauchen die schöpferische Kraft der Baugemeinschaften und ihrer Architekten. In Berlin sind so zwischen 2008 und 2013 über 300 Baugemeinschaften entstanden, die von Architekten initiiert wurden und originelle Lösungen gefunden haben.

In Hamburg geht der Weg noch in eine andere Richtung: In der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft* zu Baugemeinschaften in Hamburg sollen nun auch „neue Modelle“ entwickelt werden in denen Wohnungsunternehmen den Baugemeinschaften verschiedene typisierte Grundrisse anbieten, aus denen sie wählen können. Das soll nicht nur Architekten sparen, sondern auch Kosten und „ausgiebige Gruppenprozesse“.

*Drucksache 21/18146 der Hamburger Bürgerschaft

Joachim Reinig ist Architekt.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 24(2019), Hamburg