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Artikel Bodenpolitik/Grundstücke

Eine neue Bodenpolitik brauchen Stadt und Land

Langfristig bezahlbaren Wohnraum sicherstellen

*** von Tobias Behrens ***

Nachdem in den letzten Monaten bundesweit über Themen wie die Schaffung von preiswertem Wohnraum, Mietendeckel und Preisbremse im Wohnungsbau diskutiert wurde, kommt die Debatte langsam zum Kern des Problems: es geht um die Bodenfrage!

Foto: STATTBAU Hamburg

Die Grundsteinlegung…

des Bauvorhabens der Amalie-Sieveking Stiftung und der Mara und Holger Cassens Stiftung in Hamburg St. Georg. Nach dem Konzept „Erneuern durch Ersetzen“ werden hier alte Gebäude aus den 50er Jahren durch seniorengerechte Neubauten ersetzt. Durch eine bessere Ausnutzung des Grundstücks können erheblich mehr Wohnungen geschaffen werden. Direkt
hinter der Baugrube die neuen Gebäude der Hartwig Hesse Stiftung, die das gleiche Konzept schon 2018 umgesetzt haben.

Derjenige, dem der Boden gehört, hat die langfristige bzw. dauerhafte Verfügungsgewalt über die Nutzung des Bodens und damit eine entscheidende Steuerungsfunktion auf die Stadt- und Quartiersentwicklung sowie auf die soziale Struktur in diesen Gebieten. Die Bedeutung dieser Frage ist nun auch in der Bundespolitik angekommen. Im Koalitionsvertrag 2018 wurde vereinbart, „Für eine Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik […] eine Enquete-Kommission ein[zu]setzen“ (Koa Vertrag 2018). Diese Baulandkommission hat nun im Juli 2019 Empfehlungen unter dem Titel „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ vorgelegt.

Die Hamburger Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Frau Dr. Dorothea Stapelfeldt, hat nicht nur in dieser Kommission mitgearbeitet, sondern war auch ihre stellvertretende Vorsitzende und hat sich dort intensiv in die Diskussion insbesondere zum Thema Erbbaurechte eingebracht. Allerdings sind die Ergebnisse der Kommission, wenn man sie auf Hamburg bezieht, nicht besonders überraschend bzw. neu: Viele Empfehlungen, wie zum Beispiel das Thema Grundstücksvergabe nach Konzeptqualität, werden in Hamburg schon seit vielen Jahren umgesetzt.

LEISTUNGSLOSE WERTSTEIGERUNG DES BODENS

Allerdings hat es die Kommission nicht geschafft zu einem Grundproblem der Bodenpolitik Stellung zu nehmen. Hierbei handelt es sich um die leistungslose Wertsteigerung des Bodens, die immer nur dem Eigentümer der Grundstücke zufällt, ohne dass er irgendetwas zu der Wertsteigerung beigetragen hat. Vielmehr ist es die öffentliche Hand, die durch die Investitionen in das Wohnumfeld (z.B. Parks und Infrastrukturangebote) Wohngebiete attraktiver macht, ohne dabei auch nur annähernd an der Wertsteigerung teilhaben zu können.

Dieses Problem ist besonders in München akut. Hier hat sich im Jahr 2018 die „Münchner Initiative für ein soziales Bodenrecht“ gegründet, die eine Reihe von Vorschlägen zu diesem Thema entwickelt hat. Unmittelbar nach Vorliegen der oben genannten Empfehlung hat die Initiative eine umfangreiche Stellungnahme zu den Empfehlungen erarbeitet. Diese Stellungnahme ist sehr lesenswert und zeigt deutlich auf, an welchen Punkten die Politik dringenden Handlungsbedarf hat. Die Stellungnahme ist online abzurufen unter www.Initiative-Bodenrecht.de.

Besonders aktiv hat sich der ehemalige Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel in die Diskussion eingemischt und an verschiedenen Stellen beklagt, dass der nachfolgende Beschluss des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 1967 nicht beachtet wird.

„Grund und Boden ist nicht eine beliebig reproduzierbare Ware, sondern er ist unvermehrbar und für jeden Menschen unverzichtbar. Darum hat das Bundesverfassungsgericht schon im Jahr 1967 gesagt: Die Regeln des Marktes können auf diesem Gebiet nur mit Einschränkungen gelten. Stattdessen muss für weite Bereiche das Allgemeinwohl Orientierung geben und nicht die Gewinnsteigerung.“

Interview mit HJ. Vogel im Deutschlandfunk Kultur am l.4.20l9

NEUE BODENPOLITIK DES SENATS

Auch in Hamburg macht sich die Politik Gedanken wie die Bodenfrage in der Stadt zukünftig anders gehandhabt werden soll. Dazu ist bereits Anfang 2019 in der Bürgerschaft ein Grundsatzbeschluss gefasst worden, dass zukünftig die Grundstücksvergabe überwiegend im Erbbaurecht erfolgen soll. Im Prinzip haben sich alle Parteien der Bürgerschaft diesem Grundgedanken angeschlossen.

Die Finanzbehörde wurde aufgefordert, in der zweiten Hälfte des Jahres ein genaues Konzept für diese Thematik vorzulegen. Inzwischen ist die sogenannte „Bodendrucksache“ abgestimmt und bringt tatsächlich eine Reihe von Neuerungen: So soll die Grundstücksvergabe im Erbbaurecht verstärkt in der Praxis Anwendung finden. In ausführlichen Diskussionen mit der Wohnungswirtschaft wurden zuvor verschiedenste Modelle ins Spiel gebracht, um die großen Widerstände aus der traditionellen Wohnungswirtschaft gegen die Erbbaurechte zu überwinden. Dies ist nur zum Teil gelungen, denn nach wie vor ist das Problem nicht gelöst, was nach Ablauf der Erbbaurechtsdauer mit einem vermieteten Objekt passiert, wenn das Erbbaurecht verlängert werden soll. Dann wird nämlich nicht die Erbpacht-Zinszahlung weiterhin an der Steigerung des Verbraucherpreisindexes angepasst, sondern nach 75 Jahren findet eine Neubewertung des Verkehrswertes auf Grundlage der dann aktuellen Bodenrichtwerte statt. Dieses hat zur Folge, dass vermutlich ein erheblich höherer Wert für das Grundstück gezahlt und auf die Miete umgelegt werden muss. Die großen Genossenschaften haben hierzu Kritik geäußert, weil aus ihrer Sicht die Durchsetzung solcher Mietsteigerung erstens mietrechtlich nicht möglich und zweitens wohnungspolitisch auch absolut unsinnig wäre.

In der Planung sind nun verschiedene Modelle, die für eine Verlängerung des Erbpachtzinses nicht mehr den aktuellen Bodenwert heranziehen, sondern einen Bodenwert, der sich aus den durchschnittlichen Bodenwerten der letzten zehn Jahre zusammensetzt. Also ein preisgedämpfter Wert, der aber immer noch zu erheblichen Steigerungen des Bodenwertes führen wird.

Darüber hinaus hat die Stadt zugesichert bei einem Heimfall des Grundstücks das Gebäude nicht nur zu zwei Dritteln des Verkehrswerts zu entschädigen (wie es das Gesetz vorsieht), sondern zu 100%. Trotz dieser Zugeständnisse wird die Reaktion der Wohnungswirtschaft auf diese Erbbaurechtsmodelle vermutlich sehr zurückhaltend sein, denn die freien Wohnungsunternehmen und auch die Genossenschaften wollen Grundstücke immer kaufen, um die Wertsteigerung des Bodens für sich reklamieren zu können.

ERBAURECHTE FÜR WOHNPROJEKTE HILFREICH

Für die Wohnprojekte in Hamburg wären diese Erbbaurechtslösung allerdings sehr hilfreich, da sie den Kapitalaufwand zu Beginn eines Projektes erheblich reduzieren würden. Die Erbbaurechts-Modelle waren auch Grundlage in der Diskussion mit der Baubehörde über eine Neuausrichtung der Bauförderung. Die Tatsache, dass nach 75 Jahren der Boden neu bewertet und dann eine sprunghafte Steigerung der Miete zu befürchten ist, würde allerdings auch die kleinen Genossenschaften oder auch Eigentümergemeinschaften im Erbbaurecht erheblich belasten. Eine Lösung des Problems könnte ein unendliches Erbbaurecht sein, allerdings schließt die Hamburger Finanzbehörde dieses Modell bisher aus.

Grundsätzlich positiv bei der Diskussion um Erbbaurechte in Hamburg ist festzuhalten, dass der Erbpachtzins inzwischen nur bei 2% des Verkehrswertes liegt und zukünftig sogar noch auf 1,7% des Verkehrswerts abgesenkt werden soll. Damit hat die Stadt die zurzeit die günstigsten Erbpachtzinsen deutschlandweit.

Bei der intensiven Beschäftigung mit dem Thema Bodenpolitik wird allerdings deutlich, dass auf vielen Ebenen der Rechtsprechung und auch der Gesetze der spekulative Umgang mit Grund und Boden nicht sanktioniert, sondern eher begünstigt wird. Insbesondere ist dieses auch bei der ,Wertermittlungsverordnung‘ festzustellen. Dort finden langfristige wohnungspolitische und sonstige inhaltliche Bindungen, die auf Grundstücken liegen, nicht weiter Berücksichtigung. Stattdessen werden ausschließlich Verkaufsergebnisse, die sich in der Regel unter spekulativen Marktbedingungen bilden, berücksichtigt.

Insgesamt muss man feststellen, dass die grundgesetzlich zugesicherte Verpflichtung des Eigentums auch der Allgemeinheit zu nutzen gegenüber dem ebenfalls im Grundgesetz garantierten Schutz des Eigentums nicht richtig ausbalanciert ist. Hier gibt es noch viel zu tun, wenn den immer weiter steigenden Mieten ein Ende gesetzt werden soll!

Dr. Tobias Behrens sieht in der neuen Bodenpolitik der Freien und Hansestadt Hamburg viele positive Aspekte.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 24(2019), Hamburg