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Der »8€-Wohnungsbau«

Chance oder Nebelkerze?

*** von Joachim Reinig ***

Die äußerst angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt hat den Hamburger Senat veranlasst, Wege zur Kosteneinsparung beim Bau neuer Wohnungen auszuprobieren.

In Modellvorhaben wird eine serielle Fertigung von Wohnungen ausprobiert, die SAGA entwickelt Typenhäuser und einen Wohnungskatalog – das reduziert zumindest die Planungskosten. Aber auch die Ausstattung der Gebäude wird kritisch überprüft: Teure Tiefgaragen können entfallen, die Gebäude bekommen tiefere Grundrisse (das spart Fassadenfläche), Fahrstühle werden nur planerisch berücksichtigt und erst später nachgerüstet. Die gesetzlichen Vorgaben z.B. zum Wärmeschutz werden eingehalten – wenn auch nicht verbessert. Damit hofft der Senat, dass schneller und kostengünstiger gebaut werden kann. Besonders in Neubaugebieten, deren Baukonzepte einfache Gebäudegeometrien vorsehen. Für die überwiegende Zahl von Baulücken oder engen städtischen Grundstücken muss nach wie vor individuell geplant werden. Im sozialen Wohnungsbau, der in Hamburg ein Drittel der Neubauprojekte ausmachen soll, werden die Mieten durch Förderung heruntersubventioniert. Sie steigen im Laufe der Jahre stufenweise an, z.Zt. 0,30 €/m2 alle 2 Jahre.

Mit dem sogenannten „8€-Wohnungsbau“ sollen auch im freifinanzierten Bereich kostengünstige Wohnungen angeboten werden, die für Menschen bereit stehen, die über den Einkommensgrenzen des sozialen Wohnungsbaus liegen. Ziel ist eine Netto-Kalt-Miete von 8€/m2 Wohnfläche:

„Mit dem 8€-Wohnungsbau verfolgt der Senat das Ziel, neben der öffentlichen Wohnungsbauförderung dauerhaft bezahlbaren Wohnraum auch für die Haushalte zu schaffen, die mit ihrem Einkommen oberhalb der Grenzen des geförderten Wohnungsbaus liegen, sich aber die im freifinanzierten Neubau angebotenen Wohnungen finanziell nicht leisten können.“1)

1) Drucksache 21/16077 der Hamburger Bürgerschaft

Der Senat die ersten Grundstücke hierfür vergeben: 154 Wohnungen in Bramfeld und 42 Wohnungen in Neugraben Fischbek.

NICHT OHNE SUBVENTIONEN

In Bramfeld baut die Wohnungsverein Hamburg von 1902 eG. Der Geschäftsführer Holger Fehrmann betont, dass neben allen Vereinfachungen der Grundrisse letztlich der günstige Bodenpreis die Reduzierung der Kosten ermöglicht. Die Stadt subventioniert beim 8€-Wohnungsbau also nicht die Baukosten, sondern die Grundstückskosten. Fachleute schätzen, dass die Stadt die Grundstücke um ca. 400 €/m2 Wohnfläche günstiger abgeben muss, um das 8€-Ziel zu erreichen.

Ein Teil davon wird durch die angespannte Baukonjunktur gleich wieder aufgefressen. In der ZEIT wird Holger Fehrmann zitiert: „Standardisierung hin, günstiger Grundstückspreis her – die explodierenden Baukosten machen selbst den gutwilligsten Bauherren zu schaffen. Zuletzt sind die Baupreise schon wieder gestiegen Wir würden es jetzt nicht mehr für 8 € hinkriegen. Wir müssten dann über 9 € reden.“

Industrialisierung des Bauens

Die ldee, das Bauen durch lndustrialisierung und Serienfertigung zu verbilligen gibt es schon seit dem Bauhaus vor 100 Jahren. Die „Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen” mit Sitz in Berlin unterstützte 1927 den Bau der Mustersiedlung in Dessau-Törten nach Plänen von Walter Gropius. lm Fließbandverfahren wurden dort Eigenheime mit Gärten für Selbstversorger gebaut, der Rekord lag bei 130 verputzten Reihenhäuschen in nur 88 Tagen. Neben schweren Baumängeln zeigte sich jedoch auch, dass die Serienfertigung teurer war, als handwerklich gebaute Hauser. Auch in Hamburg mit der Gartenstadt Farmsen oder im „Neuen Frankfurt” durch Ernst May wurde durch Typisierung nach Kostenvorteilen gesucht. Es stellte sich stets heraus, dass der größte wirtschaftliche Vorteil nur durch große Baumassen zu erreichen ist.

Der letzte gescheiterte Großversuch seriellen Bauens sind die Plattenbauten der Nachkriegszeit in der DDR wie in der Bundesrepublik. ln Hamburg ging die Elemonta an Baumängeln pleite – die Wohnmonster prägen heute noch Stadtteile wie Mümmelmannsberg oder den Osdorfer Born.

Schöne Städte brauchen nun mal gründliche Planung, einen „genius loci” und ein qualifiziertes Handwerk. Der kommunale Wohnungsbau in Wien hat es gezeigt: Hohe Architekturqualitäten und dauerhaft günstige Mieten sind möglich!

MIETERHÖHUNG INKLUSIVE

Ein weiteres Projekt wurde in Hamburg Neugraben von einem Schweizer Investor realisiert. Architekt war der Hamburger Heiner Limbrock, der auf einer Fachtagung zum preiswerten Wohnungsbau das Projekt vorstellte. Er berichtetet, dass eine Reihe von sehr günstigen Rahmenbedigungen vorlagen, die den 8€-Wohnungsbau ermöglichten. Dazu zählen: ausschließlich große Wohnungen (100 qm), ein sehr günstiges Ausbauverhältnis von 83% (Wohnfläche zu BGF), große Gebäudetiefe (16 m), kein Keller, Abstellraum im Geschoss, freies Baufeld und guter Baugrund, keine Fußbodenbelege und Küchen, schnelle Bauzeiten wegen Hybridbauweise (= Erdgeschoss und Treppenhäuser in Stein, Rest als Holzfertigteilbau). Heute würde das Projekt – auch wegen strengerer Brandschutzvorschriften – mindestens bei 9,50 €/m2 netto kalt liegen.

Für die beiden ersten Pilotprojekte galt: Die Nettokaltmiete soll zudem 8€ bei Erstbezug betragen und in den ersten 5 Jahren nicht steigen. Und danach? Gilt ja die Mietpreisbremse sagen die Protagonisten des 8€-Wohnungsbaus. Nach 5 Jahren kann die Miete um 15% angehoben werden und dann alle 3 Jahre um weitere 15% Das heißt aber die Miete steigt deutlich über der durchschnittlichen Inflationsrate und natürlich deutlich stärker als im geförderten Wohnungsbau. Im 20. Jahr kann die Miete dann durchaus 18,50 €/m2 netto-kalt betragen. Die Einkommen – auch im mittleren Einkommensbereich – sind in den letzten 20 Jahren deutlich geringer gestiegen.

Die Stadt plant demnächst, fünf weitere 8€-Wohnungsbauprojekte auszuschreiben, um weitere Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln. Bezüglich der Mietsteigerungen soll dabei folgendes gelten: ausgehend von einer Startmiete von 8 €/m2 darf die Miete über 30 Jahre nur alle 2 Jahre um 0,30 €/m2 angehoben werden.

Es ist davon auszugehen, dass sich aus den Erkenntnissen der beiden ersten realisierten Projekte und der weiteren fünf geplanten Vorhaben in ein paar jahren sicherlich einige Erfahrungen für das kostensparende Bauen ableiten lassen. Allerdings werden dadurch in absehbaren Zeiträumen keine quantitativen Größenordnungen erreicht, die sich dämpfend auf die steigenden Mieten in der gesamten Stadt auswirken können, und damit einen substantiellen Beitrag zum bezahlbaren Wohnen in der Stadt leisten können, obwohl einige politische Sonntagsreden uns das glauben lassen wollen.

Jede kluge Wohnungspolitik muss heute dafür sorgen, dass Subventionen jeglicher Art nicht in den Händen von Investoren landen, die Wohnungen als Ware behandeln, sondern den Mietern dauerhaft zugutekommt.

Joachim Reinig ist Architekt.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 24(2019), Hamburg