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Beitrag der Redaktion Wohnungspolitik

Glosse

Neulich trafen sich Antje, Fiete und Eugen auf dem Wochenmarkt

Die hohen Wohnungsmieten beschäftigen in Hamburg nicht nur Menschen, die gerade eine Wohnung suchen, sondern Mieter, die sich um die Zukunft ihrer Wohnsituation Sorgen machen. Auf einem Hamburger Wochenmarkt fand kürzlich das unten wiedergegebene Gespräch statt, welches über ein zufällig angeschaltetes Diktiergerät mitgeschnitten werden konnte…

Fiete: Die Mieten steigen und steigen. Ich, mit meinen 57 Jahren und einem monatlichen Einkommen von 1.500,– Euro netto – zahle heute bereits 40 % meines Einkommens für meine Warm-Miete. Wie soll ich im Alter mit meiner Rente die Wohnung bezahlen? Ich werde doch gerade mal netto 900,– Euro Rente nach Steuern und Krankenversicherung bekommen und zahle jetzt schon 600,– Euro warm für meine 50 m².

Mietpreisentwicklung in Hamburg 1980 – 2013

Erst-, Wieder- und Angebotsmieten für ca. 70qm Wohnungen mittleren Wohnwertes.
Im Zeitraum 2006 bis 2010 sind die Bestandsmieten im unteren Preissegment laut Mikrozensus um 15,7% gestiegen (im oberen Preissegment um 8,3%). Kräftiger sind jedoch die Neuvertragsmieten gestiegen. Der Zuwachs liegt hier laut empirica-Preisdatenbank im unteren Segment bei 18,9% (im oberen Segment 24,1%). Als Mietsteigerung wahrgenommen wird allerdings eher die Erhöhung der alten Bestandsmiete bei Neuvermietung. Denn fast jeder Neumieter erkundigt sich, was der Vorgänger bezahlt hat. Diese Aufschläge betragen im Jahr 2010 beim unteren Segment 41,1% (im oberen sogar 53,3%).

Eugen: Ist doch kein Problem, hör auf Deine Bausparkasse und kauf Dir bei den niedrigen Zinsen eine kleine Eigentumswohnung – Alterssicherung durch Eigentum. Ich mit meinen 70 Jahren und einer guten Pension habe dies vor 35 Jahren auch gemacht.

Fiete: Ich riester zwar und habe einen Bausparvertrag über 20.000 Euro wegen der Wohnungsbauprämie und vermögenswirksamer Leistungen – aber bei den Preisen in Hamburg habe ich keine Chance eine Eigentumswohnung zu kaufen.

Eugen: Dann geh doch zu einer der 30 großen Hamburger Genossenschaften, die werben doch mit dem Slogan – gut und sicher wohnen ein Leben lang.

Fiete: War ich ja schon, die haben ellenlange Wartelisten mit 100ten von Bewerbern und neue Bewerber nehmen die nicht mehr auf; die wissen ja auch nicht, wie sie die vielen Wohnungsuchenden versorgen sollen. Es fehlen ja in Hamburg mehr als 40.000 WE sagt der Mieterverein. Bauen ist zu teuer geworden in Hamburg. Seit 2002 sind die Grundstückskosten auch für Sozialwohnungen in Hamburg um weit mehr als 100 % gestiegen und die Baukosten sind seit 2007 um rund 30% sagt mir mein Freund bei der IFB. Da lohnt sich Wohnungsbau eher freifinanziert oder als Eigentumswohnung für Reiche.

Wohnfläche, Grundstückskostenrichtsatz für geförderten Wohnungsbau 2001 als Vergleich

Der durchschnittliche Verkaufspreis pro m² Wohnfläche für den Geschosswohnungsbau hat sich seit 2001 (Grundstückskosten Richtsatz 230 Euro pro m²) bis 2013 (knapp 1000 Euro pro m²) mehr als vervierfacht.

Eugen: Also Fiete, auf die Hamburger Genossenschaften lass ich nichts kommen, die sind grundsolide und sozial eingestellt. 2.000 Sozialwohnungen lässt unser Senat jedes Jahr bauen und 1.000 davon wollen die Genossenschaften bauen.

Fiete: Das ist zu wenig. Und wenn ich denn doch als großes Los eine geförderte Neubauwohnung bekommen würde, dann bei meinen 1.500,– Euro netto als Single nur im 2. Förderweg für 8,10 € kalt und etwa 9,50 warm. Statt jetzt 12,– € warm – das wäre super. Nur im Alter, bei mir in 8 Jahren, würde ich durch Förderungsabbau und Preissteigerungen rund 11,– € pro m² warm oder 550,– Euro zahlen, das sind über 60 % meiner Rente und zum Leben bliebe mir mit 350,– Euro nicht einmal der Sozialhilfesatz.

Antje: Also Fiete, Du mit Deinen Zukunftsängsten, Du hast wenigsten noch eine Rente in Aussicht. Von Deinen wahrscheinlich 900,– Euro Rente allein für Dich, da kann ich nur von träumen. Ich bin jetzt 30 Jahre alt, habe 2 Kinder und immerhin auch einen Hochschulabschluss, bekomme aber immer nur befristete Jobs oder Praktikantenstellen. Zum Glück wohne ich seit 7 Jahren in einem Wohnprojekt, in dem ich meinen Alltag einigermaßen organisiert bekomme und auch noch günstig wohne.

Mit meinen Jobs und Arbeitschancen komme ich nie auf eine auskömmliche Rente bei den Rentenabsenkungen. Und über Eugens Vorschlag – Eigentumswohnung kaufen – kann ich nur lachen. Die IFB fördert zwar auch bei geringem Eigenkapital, aber die Belastung kann ich ohne langfristig steigendes und sicheres Einkommen nicht aufbringen. Meine Mitbewohner haben das vor 15 Jahren richtig gemacht, die haben selbst eine Genossenschaft gegründet. Bei uns wohnen fast alle Einkommensgruppen gemischt unter einem Dach. Bei uns gibt es keinen Drittelmix – ein Haus gefördert für Sozialmieter, ein Haus Eigentumswohnungen und ein freifinanziertes Haus für die besseren Einkommen – wie der Senat heute das immer propagiert. Etwa 40% meiner Mitbewohner sind Sozialwohnungsberechtigte, etwa 40% würden in den 2. Förderweg passen und höchstens 20% liegen darüber. Über die gemischte Einkommensstruktur und das Nachsparen von Eigengeld konnten wir damals das Eigenkapital von 220,– Euro pro m² Wohnfläche aufbringen, die genossenschaftlichen Nutzungsgebühren richten sich nach dem Einkommen. Und in ein paar Jahren nach Umfinanzierung der öffentlichen Förderung können wir – wie ein benachbartes älteres genossenschaftliches Wohnprojekt – die Nutzungsgebühren senken. Durch Bauselbsthilfe und gemeinsame Instandhaltungsmaßnahmen sind unsere Mieten auch langfristig sicher, sozial und auch im Alter bezahlbar. Mein Rat an alle, die eine dauerhaft bezahlbare Wohnung brauchen: Schafft viele neue Genossenschaften.

Fiete: Ach Antje, gute Idee. Hab ich auch schon dran gedacht. Aber mein Freund bei der IFB hat mir gesagt, die Förderung von kleinen genossenschaftlichen Projekten ist das Papier nicht mehr wert, auf dem das Förderprogramm Baugemeinschaften steht. Das ist nur noch ein Feigenblatt der Bausenatorin.

Eugen: Das kann doch nicht sein. Sogar die Hamburger Verfassung sieht die Förderung von Genossenschaften vor. Ohne die gute Förderung vor und nach dem Krieg wäre in Hamburg heute nicht jede 7. Wohnung eine genossenschaftliche. Hamburg hat unter SPD Regierung in den 80er und 90er Jahre mehr als 20 neue überwiegend kleine Genossenschaften mit insgesamt über 4.000 Wohnungen gefördert. Neue kleine Genossenschaften haben wesentlich zu innovativen Baulösungen beigetragen, die ersten Passivhäuser gebaut, behinderte Menschen integriert und soziale Konflikte wie die Hafenstraße entschärft. Der Baustaatsrat Sachs war Gründungsmitglied der Schanze und jahrelang im Aufsichtsrat. Und Du, Fiete, willst mir erzählen, das Förderprogramm für kleine Genossenschaften sei keinen Pfifferling mehr Wert. Das kann nicht sein, unser sozialdemokratischer Senat und die Baubehörde kümmern sich bestimmt weiterhin um kleine, neue und innovative Genossenschaften.

Fiete: Ich sagte Dir ja schon, die Grundstückspreise haben sich nach Abschaffung der Grundstückssubvention für Sozialwohnungen 2002 teilweise sogar vervierfacht. Statt 220,– pro m² Wohnfläche erkennt die BSU heute bis zu 800,– Euro an, die Marktpreise liegen oft aber schon deutlich darüber. Aber nur 50% davon werden bei kleinen Genossenschaften gefördert und mein Freund aus dem Gutachterausschuss für Grundstücksfragen sagte mir neulich, dass der durchschnittliche Grundstückspreis 2013 schon bei 962,– Euro pro m² Wohnfläche lag.

Eugen: Aber Fiete nun mal halblang, die laufenden Aufwendungszuschüsse, die die IFB im geförderten Wohnungsbau zahlt, das haben mir beim letzten Stammtisch meine Freunde aus der BSU berichtet, sind gerade angehoben worden und decken die gestiegenen Grundstückskosten voll und ganz ab.

Antje: Also Fiete, was die Grundstücke betrifft, das müssen wir mal bei der BSU nachfragen, ob das so richtig ist.

Fiete: Das sollten wir tun. Aber die Baupreise sind auch um 30% gestiegen. Was ich aus der IFB gehört habe ist, dass die Baubehörde die Darlehnsförderung seit 2008 nicht mehr angehoben hat und das heißt, wenn Du bauen willst, musst Du – als Genossenschaft – nicht mehr 10%, auch nicht 15% oder 20%, nein über 30% Eigenkapital mitbringen. Und das ist das Aus für alle kleinen neuen Genossenschaften.

Antje: So schnell gebe ich nicht auf, Fiete, als Linker hast Du wohl einen Brass auf Olaf Scholz wegen Hartz IV und Agenda 2010. Olaf Scholz war auch mal Justiziar beim Konsumgenossenschaftsverband und der hält bestimmt immer noch sehr viel von Genossenschaften und Selbsthilfe gerade dann, wenn es um Altersabsicherung geht.

Eugen: Ich sag ja immer, wir Sozialdemokraten haben ein Herz für Genossenschaften – auch für kleine innovative. Vielleicht haben sich einige Mitarbeiter der Baubehörde in den CDU Jahren 2002 bis 2010 den Kopf verdrehen lassen und denken immer noch neoliberal.

Antje: So was habe ich auch gehört. Aber sozialer Wohnungsbau und auch genossenschaftliche Baugenossenschaften gelten bestimmt nur bei einigen Wenigen als antiquiert und als sozialistischer Zopf, den man abschneiden muss. Der jetzige Präsident des Gesamtverbands der Wohnungswirtschaft, Axel Gedaschko, war Hamburger Bausenator und hat sich bei den letzten „Wohnprojekte-Tagen“ der STATTBAU vehement für die Gründung neuer Genossenschaften ausgesprochen. Wenn schon die Renten nicht mehr sicher sind, dann müssen wir gemeinsam dafür sorgen, dass junge Berufsstarter, Familien, Alleinerziehende und Rentner wenigsten sicher und bezahlbar wohnen können – auch im Alter und bei Arbeitslosigkeit. Gemeinsam sind wir stark. Ich habe mit Freunden in Berlin und München gesprochen. Alle sagen: Genossenschaften sind im Kommen, nur die Hamburger Baubehörde verschläft mal wieder die Zeichen der Zeit. Wenn in 10 Jahren die Rentner auch die heute geförderten Sozialwohnungen im 2. Förderweg – wie Fiete ja belegt hat – nicht mehr bezahlen können, wird auch die Sozialbehörde die enormen Mietzuschüsse nicht zahlen können. Wir müssen jetzt aktiv werden und möglichst viele Wohnungen aus den Markt der Spekulation herausnehmen. Wir Bürger müssen unsere Stadt vor Finanzspekulanten schützen und unsere Wohnungen selbst gemeinschaftlich und solidarisch kaufen.

Es gibt so viele gute Ideen zur gemeinsamen Finanzierung. Das Mietshäuser Syndikat hat 2012 den genossenschaftlichen Klaus Novy Preis erhalten und ist ein Beispiel der Solidarfinanzierung zwischen Projekten. Solidar- und Bürgerfinanzierung – das sind die Maßnahmen, über die wir mit den Politikern reden müssen. In Hamburg hat das Mietshäuser Syndikat auch schon ein Projekt realisiert. Es gibt Genossenschaftsdarlehen der KfW, die die IFB verweigert. Gute Überlegungen für gemeinsames genossenschaftliches Bauen und Wohnen sind z. B: 

  • eine Stiftung als solidarischer Bodenträger, 
  • eine Förderzulage für zusätzliche Genossenschaftsanteile, um Förderkapital einzuwerben, 
  • ein Bürgerfonds wie er in der Zeitschrift FreiHaus von STATTBAU schon vor 2 Jahren beschrieben wurde.

Die Baubehörde muss endlich aufwachen!

Eugen: Die Baubehörde ist nicht verschlafen. Wir sollten mal alle gemeinsam mit denen reden.

Fiete: Bei den Beamten bin ich skeptisch, ehe die in die Hufe kommen, bin ich schon lange in Rente.

Antje: Dann müssen die Politiker denen mal Beine machen. Wir besuchen mal die Politiker in der Bürgerschaft und in den Bezirken.

Eugen: Gute Idee, das gehen wir an und entwickeln gleichwohl mit STATTBAU, Lawaetz Stiftung und den 20 Hamburger Kleingenossenschaften eine gemeinsame Strategie.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 20(2014), Hamburg