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Grüne Dächer und Fassen in Zeiten des Klimawandels

Warum Dach- und Fassadenbegrünung nicht nur ökologisch sinnvoll ist

*** Dr. Hanna Bornholdt ***

Grüne Dächer und Fassaden sind eine Investition in die Zukunft, denn sie tragen zur Klimaanpassung bei. Sie sorgen unter anderem für saubere Luft, die Einsparung von Energie und mehr Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen. Die Stadt Hamburg fördert die Dach- und Fassadenbegrünung deshalb durch öffentliche Zuschüsse.


Die Flächen in der Stadt sind begrenzt. Grüne Dächer und Fassaden schaffen neue Räume und sind zugleich nachhaltige Maßnahmen für die Gesundheitsvorsorge und den Klimaschutz. Die neuen Freiräume mitten in der Stadt, oben auf dem Dach, sind für Bewohner und Hauseigentümer besonders attraktiv. Auf begehbaren Gründächern kann man sich erholen, Sport treiben, Gemüse anbauen oder Blumen pflanzen. Kinder können ungestört vom Straßenverkehr spielen und toben und dabei frische Luft atmen. Durch ihre Hitzeabschirmung und Wärmedämmung tragen Gründächer zudem zur Verbesserung der Energiebilanz von Gebäuden bei und reduzieren den Energieverbrauch.Auch das Fassadengrün hat eine wärmeregelnde Wirkung. Grüne Fassaden fördern im Gebäude ein angenehmes Raumklima. An heißen Tagen bleibt der Innenraum angenehm kühl und im Winter wird die Wärme in den Räumen gehalten. Kosten und Energie für Heizung und Klimaanlage werden dadurch gespart. Ähnlich wie das Gründach schafft auch die Fassadenbegrünung neuen Raum: Mit Pflanzen aus essbaren bzw. nutzbaren Teilen kann vertikales Urban Gardening erfolgen. Bei wandgebundenen Begrünungen ist die Pflanzenauswahl groß, sie reicht von Küchenkräutern wie Rosmarin, Thymian und Salbei bis zu verschiedenen Obst- und Gemüsesorten. Aber auch bei den Kletterpflanzen gibt es Pflanzen mit essbaren Früchten, zum Beispiel Brombeere und Kiwi. Dabei brauchen Fassadenpflanzen erstaunlich wenig Platz, um vertikale Flächen zu begrünen. Außerdem sind gerade an den hohen Gebäuden in der dicht bebauten inneren Stadt die begrünbaren Wand- und Fassadenflächen größer als die überbaute Grundfläche. So kann viel Fassadengrün auf wenig Raum das städtische Grün besonders gut ergänzen.

GRÖSSERE ARTENVIELFALT IN DER STADT

Neben der Flora findet auch die Fauna durch mehr Grün mehr Platz zum Gedeihen. Besonders auf naturnahen Extensivdächern erobern Bienen, Vögel, Käfer oder Schmetterlinge neue Rückzugsorte. Hier finden sie Nahrung und Schutz. So erweitern Gründächer das Netz an Grünflächen in einer neuen Dimension. Im Verbund mit anderen Naturräumen können sie sogar einen Beitrag zum Überleben gefährdeter Arten leisten.
Auch Wandbegrünungen bieten vielen Tieren einen Lebensraum mitten in der Stadt und erhöhen die Artenvielfalt – insbesondere, wenn das Fassadengrün aus standortgerechten, heimischen Pflanzenarten besteht. Fledermäuse und Vögel finden zum Beispiel Insekten als Nahrung und Vögel, wie Haussperlinge, Grünfinken und Amseln, können darin brüten.dtische Grün besonders gut ergänzen.

VERBESSERTES STADTKLIMA DURCH MEHR GRÜN

Die neuen Grünflächen verbessern nicht nur das Klima in den Gebäuden, sondern auch vor Ort. Im Sommer kühlen sie die umgebende Luft ab und feuchten sie an. Insbesondere dichte Fassadenbegrünung trägt durch hohe Verdunstungsleistung deutlich zur Luftbefeuchtung und somit lokal zur Abkühlung bei. Durch grüne Dächer und Fassaden reduzieren sich städtische Wärmeinseln, die vor allem in Sommernächten zu
Gesundheitsrisiken führen können. Fassadenbegrünung ist zudem ein sehr wirksamer Luftreiniger: Die Pflanzen binden Feinstaub an ihrer Blattoberfläche, nehmen Kohlenstoffdioxid auf und produzieren Sauerstoff.
Neben Klima und Luftqualität zahlen grüne Fassaden auch auf den Lärmschutz ein. Gut platzierte Begrünungen an
Fassaden können die Lärmbelastung reduzieren und die Aufenthaltsqualität steigern. Die Blätter und das Pflanzsubstrat schlucken und streuen den Schall. Die Lärmreduktion ist bei üppiger Bepflanzung und viel Substrat deshalb deutlich höher als bei einfachem Direktbewuchs. Bei parallelen Gebäuden mit schallharten Flächen kommt es zur Mehrfachreflexion. Hier kann Fassadengrün die Mehrfachreflexion mindern (ca. 1–2 dB(A)) und gleichzeitig einen Grünraum schaffen.

GRÜNDÄCHER ALS REGENWASSER-SPEICHER

Begrünte Dächer hingegen verbessern das Wassermanagement im Quartier, indem sie Regenwasser zurückhalten und es von den Dächern auf natürliche Weise verdunstet. In der immer stärker verdichteten Stadt kann zum einen immer weniger Wasser versickern, zum anderen nehmen starke Niederschläge aufgrund des Klimawandels zu. Die Kanalisation wird überlastet, Gewässer treten über ihre Ufer. Um das zu vermeiden, sollen Gründächer durchschnittlich 60 Prozent des Regenwassers zurückhalten und erst verzögert an die Entwässerungssysteme abgeben. Durch diese Regenwasserrückhaltung profitieren Gründacheigentümer direkt von einer 50 Prozent niedrigeren Niederschlagswassergebühr.

LÄNGERE LEBENSDAUER EINES DACHES

Finanzielle Vorteile haben Eigentümer eines Gründachs auch aufgrund der längeren Lebensdauer ihres Daches. Die Dachhaut auf einem Flachdach wird extremen Umwelteinflüssen ausgesetzt. UV-Strahlung, Übergänge zwischen Frost- und Tauwetter, Ozon, extreme Temperaturschwankungen im Sommer und direkte Wettereinflüsse wie Hagel sorgen für eine ständige Belastung der Dachhaut, die die Eigenschaften des Materials verändern kann. Eine Dachbegrünung bietet der Dachhaut einen direkten Schutz vor diesen Wettereinflüssen. Zudem puffert die Dachbegrünung die Temperaturschwankungen auf der Dachhaut ab, die vor allem im Sommer zur Rissbildung führen kann. Durch diese schützenden Eigenschaften kann die Lebensdauer der Dachhaut verdoppelt werden, Instandhaltungs- und Sanierungsarbeiten müssen erst später durchgeführt werden. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik schätzt die Lebensdauer eines Gründachs deshalb auf 40 Jahre, etwa doppelt so lange wie ein konventionelles Kiesdach.

HÖHERE ERTRÄGE FÜR PHOTOVOLTAIKANLAGEN

Wer auf seinem Gründach zudem eine Solaranlage errichtet, profitiert gleich mehrfach. In den vergangenen Jahren wurden technische Lösungen entwickelt, die die energiewirtschaftliche Nutzung und die Begrünung von Dächern optimal verbinden. Solarzellen arbeiten in der Kombination mit Grün­dächern sogar deutlich effektiver. Ein Grund: Während die Temperaturen auf nackten und bekiesten Flachdächern an heißen Sommertagen leicht 60 bis 80 Grad Celsius erreichen, werden auf begrünten Dachflächen in der Regel 35 Grad Celsius nicht überschritten. Auf einem konventionellen Flachdach führt die hohe Temperatur dazu, dass die Anlage nicht mehr in der optimalen Betriebstemperatur von 27 Grad arbeiten kann. Auf einem Gründach herrschen wesentlich niedrigere Temperaturen, die so zu der Leistungssteigerung beitragen. Die Pflanzen kühlen die Umgebungstemperatur und damit die Photovoltaikmodule. So reduzieren sie den wärmebedingten Leistungsverlust. Die Module erzielen dadurch einen zwei bis sechs prozentigen höheren Wirkungsgrad. Auch bei der Montage von Solarmodulen können Dachbegrünungen unterstützend wirken. Die Solarmodule werden über einen Tragrahmen an speziell konzipierten Basisplatten befestigt. Durch die Auflast der flächigen Substratschüttung sind die Anlagen wind- und sturmsicher verankert. Eine Durchdringung der Dachhaut ist nicht nötig, so dass mögliche Schäden vermieden werden. Diese Befestigungstechnik eignet sich auch für ­ Solarthermieanlagen.

PFLEGE VON GRÜNDÄCHERN UND FASSADENBEGRÜNUNGEN

Begrünte Dächer und Fassaden können ihre positiven Wirkungen langfristig und nachhaltig nur entfalten, wenn die Vegetation fachgerecht gepflegt und die technischen Einrichtungen regelmäßig gewartet werden. Zur Unterstützung bei dieser Anforderung hilft die Stadt Hamburg mit zielgerichteten Informationen. Die kostenlosen Broschüren „Handreichung zur Pflege und Wartung von Dachbegrünungen“ sowie „Handbuch Grüne Wände“ enthalten nützliche Hinweise und Anleitungen zur Pflege. Auch Nicht-Fachleute werden in die Lage versetzt, die grundlegenden Pflegemaßnahmen durchzuführen und beurteilen zu können, in welchen Fällen Fachleute des Garten- und Landschaftsbaus hinzugezogen werden müssen. Beide Broschüren sind unter folgender Website: www.hamburg.de/gruendach zu finden.

FÖRDERUNG VON DACH- UND FASSADENBEGRÜNUNG

Bei den regierenden Parteien Hamburgs gibt es einen breiten politischen Konsens zur Förderung von Dach- und Fassadenbegrünung. Dachbegrünungen werden in Hamburg bereits seit 2015 durch öffentliche Zuschüsse und indirekt durch die Gebührenreduktion bei der Splittung der Abwassergebühr gefördert. Gefördert werden Dachbegrünungen auf oberirdischen Geschossen von Neu- und Bestandsgebäuden, die freiwillig durchgeführt werden und nicht aufgrund rechtlicher Regelungen erforderlich sind.
Im Juni 2020 wurde das Förderprogramm um Fassadenbegrünung erweitert und um fünf Jahre bis 2025 verlängert. Grüne Fassaden werden pauschal mit 40 Prozent der Baukosten gefördert. Die Zuschüsse gelten für boden- und wandgebundene Begrünungen, vorbereitende Arbeiten, Rankhilfen, Pflanzen, Pflanzmaßnahmen, Bewässerungssysteme, Fertig-
stellungspflege sowie die Nebenkosten für eine fachliche
Planung und Betreuung.

Dr. Hanna Bornholdt arbeitet im Bereich Stadtgrün bei der Behörde für Umwelt, Energie, Klima und Agrarwirtschaft (BUKEA). Die promovierte Landschaftsarchitektin koordiniert die Gründachstrategie der Stadt Hamburg.a Stubenvoll und Tobias Behrens ist Geschäftsführer von STATTBAU Hamburg GmbH.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 25(2020), Hamburg