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Neue städtische Wohnungsverwaltungsgesellschaft gegründet

Solidargemeinschaft-
lich organisierte Wohnprojekte sichern

*** Tobias Behrens im Interview mit Ralf Starke, Geschäftsführer der Verwaltungsgesellschaft ABBMG ***

„Wir wollen den Erfolg der vorwiegend selbstverwalteten Wohnprojekte und Mietergenossenschaften aus den vergangenen Jahrzehnten sichern. Ein Verkauf kommt nur an Träger in Frage, die die Gewähr dafür bieten, dass die sozialen, stadtentwicklungs- und wohnungspolitischen Ziele weiterverfolgt werden und die ­Selbstverwaltung wie in der Vergangenheit gewährleisten.“ (Auszug aus dem Koalitionsvertrag 2015)

Hintergrund dieser Aussage im Koalitionsvertrag war die Angst vieler dieser selbstverwalteten und noch im Eigentum der FHH befindlichen Wohnprojekte, langfristig ihre Selbstverwaltung aufgeben zu müssen, da die Stadt solche Art von Wohnungsverwaltung bisher nicht gewährleisten konnte.

freihaus: Herr Starke, wie ist es nach dieser Absichtserklärung weitergegangen mit der Sicherung der Projekte?
Starke: Im Sommer 2018 hat die Bürgerschaft einen Antrag der Koalitionsfraktionen für den langfristigen Erhalt der Selbstverwaltung der ABB-Wohnprojekte beschlossen, der unter anderem die Gründung einer städtischen Gesellschaft vorsieht, unter deren Dach die städtischen Wohnprojekte verwaltet werden sollen. In der Folge fanden Gespräche mit den ABB-Projekten statt, um auch die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner zu berücksichtigen.
Die Gesellschaft ABB Management GmbH (ABBMG) wurde daher im ­Februar 2020 gegründet. Als Geschäftsführer der ABBMG übernehme ich auch die Geschäftsführung der ABB Immobilienverwaltung GmbH &Co KG (ABBG), die die zehn Objekte ins Eigentum übernommen hat bzw. übernehmen wird. An dieser ABBG ist die Stadt Hamburg als Kommanditisten mit 100 % beteiligt.
Damit ist die ABBG eine städtische, aber privatrechtliche Gesellschaft. Die ­ABBMG wird Grundeigentümerin der zehn ehemaligen ABB Projekte, die noch im Besitz der Freien und Hansestadt Hamburg sind und die über das sogenannte alternative Baubetreuungs­programme (ABB Programm) der achtziger und neunziger Jahre umgebaut und gefördert wurden. Dafür wurde eine besondere Eigentumsrechtliche Konstruktion entwickelt (siehe Schaubild). Ziel dieser Konstruktion ist, ich zitierte aus der Drucksache, „Mit der Gründung der ABBG hat Hamburg die Chance, auch die solidargemeinschaftlich organisierten Projekte … unter einem Dach langfristig und dauerhaft zu sichern und damit einen wichtigen Beitrag zu leisten, Hamburg als lebenswerte Stadt für alle zu erhalten und zu entwickeln.“ (DS 21/17030; Seite 5).
Auch ist die Möglichkeit gegeben, zukünftig weitere Projekte in die Ver-waltung zu nehmen, allerdings gibt es hier noch keine konkreten Über-legungen. Die Gründung dieser neuen Gesellschaft ist vorangetrieben worden, da der Senat festgestellt hat, dass die vorhandenen städtischen Wohnungsbaugesellschaften SAGA oder fördern&wohnen „… andere Zielsetzungen haben und auf andere Zielgruppen ausgerichtet sind“, wie es in der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft Drucksache heißt
(DS 21/17030, Seite 4).

Welche Projekte werden von der ABBMG zukünftig verwaltet?
Starke: Es sind die Projekte in der Großen Freiheit, in der Winterstraße, der Tangstedter Landstraße, dem Rabenhorst, dem Billbrockdeich, der Mistralstraße, der Fuhlsbüttler Straße, der Wohlwillstraße, sowie der Mathildenstraße und der Bernstorffstraße.

Mit der konkreten Verwaltungsarbeit wurde schon gestartet?
Starke: Nein. Die Gesellschaft wurde zwar im Februar 2020 gegründet, aber mit der eigentlichen Arbeit ist noch nicht begonnen worden, da die Grundstücke noch nicht in die ABB Immobilienverwaltung GmbH & Co. KG eingelegt wurden. Hintergrund sind noch unklare Grundstücksgrößen bei einigen Projekten. Hier sind zum einen die Flurstücke nicht eindeutig definiert und zum anderen müssen noch Teilgrundstücke aus größeren Grundstücken herausgelöst werden. Hierzu wurde eine neue Drucksache erstellt, die im Herbst in die Bürgerschaft gehen soll. Dann kann die konkrete Arbeit losgehen.
Darüber hinaus muss auch noch eine weitere Dienstleistungsgesellschaft beauftragt werden, die die konkrete Hausverwaltung übernimmt. Hierzu bereitet die zuständige Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen zurzeit eine Ausschreibung vor.

Wie stellen Sie sich konkrete Verwaltungsarbeit mit den Projekten vor?
Starke:
Ich stelle mir vor, dass ich zunächst einmal Gespräche mit den Mitgliedern der Wohnprojekte führen werde, um sowohl die dort lebenden Personen, als auch die Häuser besser kennen zu lernen. Im zweiten Schritt soll dann festgestellt werden, ob bzw. an welcher Stelle die Projekte ge-gebenenfalls Unterstützung durch die Hausverwaltung oder bei Instand-setzungsmaßnahmen benötigen oder wünschen.

Wie ist die ABB-Gesellschaft strukturiert, welche Gremien gibt es?
Starke:
Zum einen gibt es einen Aufsichtsrat, der aus Vertretern der beteiligten Fachbehörden – der Behörde für Wohnen und Stadtentwicklung sowie der Sozialbehörde – und des Landesbetriebes Immobilienverwaltung und Grundvermögen besteht, sowie aus zwei Vertretern der Wohnungswirtschaft – ein Vorstand einer traditionellen Wohnungsbaugenossenschaft und ein ehemaliges Vorstandsmitglied einer kleineren Genossenschaft, die selbst auch viele ABB Projekte umgesetzt hat.
Darüber hinaus wird ein Beirat eingerichtet, der aus jeweils einem Vertreter der einzelnen Projekte (d. h. maximal zehn Vertretern) und mir als Vertreter der Gesellschaft besteht. Im Beirat wollen wir uns regelmäßig treffen, um die Verwaltungsarbeit zu begleiten und gemeinsam auftretende Probleme und Themen anzusprechen und zu bearbeiten.
Die erste Sitzung des Aufsichtsrats hat im Oktober 2020 stattgefunden, die erste Beiratssitzung wird wahrscheinlich im Frühjahr 2021 stattfinden.
Insgesamt werden die Tätigkeiten der ABB Gesellschaften somit Ende 2020/ Anfang 2021 starten und ich bin sehr zuversichtlich dass es eine sehr konstruktiven Zusammenarbeit mit den selbst verwalteten ABB Projekten geben wird.

freihaus: Vielen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg bei der zukünftigen Arbeit Herr Starke.

Ralf Starke ist seit 1993 Mitarbeiter der steg Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungs­gesellschaft Hamburg mbH. Er hat Stadt­planung in Hamburg studiert und hat bei der steg Hamburg verschiedene Sanierungs­gebiete in Hamburg betreut. Seit 2016 ist er Prokurist der steg.­

Hamburger Dachverband der autonomen Wohnprojekte (DAWHH)

Viele der ehemaligen ABB Projekte sind im „Dachverband autonomer Wohnprojekte“ in Hamburg (DAWHH) zusammengeschlossen. Der Verband hat sich in den letzten Jahren intensiv für die langfristige Sicherung der selbstverwalteten Strukturen eingesetzt und ist sehr zuversichtlich, dass dies mit der nun beschlossen Struktur auch gelingen wird.
Das Ziel dieses Zusammenschluss wird im folgenden Zitat deutlich: „Wir haben uns als Wohnprojekte im Dachverband zusammengeschlossen und leisten als Teil der „Recht auf Stadt“- Bewegung unseren Beitrag zur Vernetzung, solidarischen Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung aller selbstverwalteten, autonomen Hamburger Wohnprojekte. Die Wohnprojekte wurden und werden von ihren Bewohnerinnen und Unterstützerinnen saniert und instand gehalten und bieten nun einer Vielzahl von Menschen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen die Möglichkeit selbstbestimmten und unabhängigen Lebens/Wohnens. Daneben sind die meisten von ihnen durch verschiedenste Angebote in ihren Vierteln fest integriert: Volksküchen, Werkstätten, Proberäume, Babytreffs, Druckwerk­stätten, Ausstellungsräume, Ateliers, Kulturfestivals, Kinderfeste, Beratungsangebote u.v.m. Mit der dauerhaften Bestandsgarantie dieser Projekte werden wertvolle soziale und kulturelle Angebote der Viertel erhalten.“ (aus: https://dawhh.org).

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 25(2020), Hamburg