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Erwartungshorizonte und praktische Erfahrungen

Eine Befragung von Baugemeinschaften in der HafenCity

*** Dr. Matthias Borscheid ***

Baugemeinschaften gelten als Bestandshalter von Wohnraum, Innovationstreiber bei der baulichen Umsetzung von nachhaltigen Konzepten und Katalysator für das Entstehen ­nachbarschaftlicher Netzwerke. Eine Befragung in der HafenCity befasst sich mit diesen Themen und möchte diese Aspekte näher beleuchten.

BAUGEMEINSCHAFTEN IN DER HAFENCITY

In der HafenCity gibt es bereits einige Baugemeinschaften, die nach einer mehrjährigen Planungsphase zwischen 2007 und 2016 ihre Gebäude be-zogen haben. Zwischen 2020 und 2024/25 werden insgesamt weitere 14 Wohnprojekte von Bauge-meinschaften im Quartier Baakenhafen ent-stehen. Die Grundstücke des Quartiers sind mittlerweile anhand gegeben, einige Gebäude auf der Nordseite des Baakenhafens bereits fertiggestellt und bezogen und die Bebauung im südlichen Baakenhafen schreitet zügig voran.

DAS QUARTIER BAAKENHAFEN –
ODER DIE VISION DES URBANEN DORFES

Im Baakenhafen wird mit über 2.100 Wohneinheiten für etwa 4.300 Bewohner*innen das bevölkerungsreichste Quartier in der HafenCity entstehen. Die Vision für das Quartier in der östlichen HafenCity ist die Realisierung eines familienfreundlichen, demografiefesten und sozial durchmischten Wohnumfeldes mit hoher Urbanität und einer feinkörnigen Nutzungsmischung, das einen hohen Aufenthalts- und Freizeitwert hat und das selbstbestimmte Wohnen bis ins hohe Alter gewährleisten soll. Diese Qualitäten sollen durch eine Bauherren­vielfalt, eine qualitativ hoch-wertige soziale Infrastruktur und die Förderung von sogenannten Sonder-wohnformen für Studierende, Senioren und am Wohnungsmarkt benach-teiligte Gruppen gefördert und gefestigt werden. Hinzu kommt die Umsetzung eines Quartiersmanagement-Konzepts für die HafenCity, das durch Mitwirken der Menschen im Stadtteil Angebote, Aktivitäten und Projekte für eine nachbarschaftliche Entwicklung und das Entstehen von Gemeinschaft ermöglichen soll.

ERWARTUNGSHALTUNG AN BAUGEMEINSCHAFTEN

Mitglieder von Baugemeinschaften sind Selbstnutzer und i.d.R. langfristige Bestandshalter von Wohnraum, denen ein ausgeprägtes lokales Interesse an einem lebendigen Wohnumfeld zugeschrieben wird. Baugemeinschaften werden in ihrer Bedeutung für das Sozialgefüge in urban geprägten Quartieren in einem Atemzug mit sozial gefördertem Wohnen und Bau-genossenschaften genannt. Stadtentwicklungspolitisch werden Bau-gemeinschaften als eine Bereicherung für das Entstehen von nachbar-schaftlichen Beziehungen eingeschätzt1. Hamburg hat die Erfahrung gemacht, dass sich der Wohnungsbau von Baugemeinschaften oft an hohen ökologischen und nachhaltigen Standards orientiert und somit von Baugemeinschaften eine vorbildgebende Innovationswirkung erwartet wird. Aufgrund dieser Qualitäten sind in Neubaugebieten in Hamburg bis zu 20 % des Geschosswohnungsbaus für die Vergabe an Wohnprojekten von Baugemeinschaften vorgesehen. Diese i.d.R. gemeinschaftlich geplanten Bauvorhaben stehen im Wettbewerb zueinander und im Rahmen des Bewertungsprozesses wird u. a. erwartet, dass geförderte Baugemein-schaften auch darlegen, wie sie sich mit sozialen Angeboten und Aktivi-täten in den Stadtteil einbringen wollen, um einen sozialen Mehrwert für die Gemeinschaft zu leisten.

ERKENNTNISSE DER BEFRAGUNG

Vor dem Hintergrund der voranschreitenden baulichen Entwicklung der HafenCity im Quartier Baakenhafen hat die HafenCity Hamburg GmbH mit einer Befragung von Bau­gemeinschaften in der HafenCity begonnen. Die Befragung ist Teil einer weiter gefassten Rechercheaufgabe, die darauf abzielt, das Vernetzungs- und Kooperationspotenzial zwischen verschiedenen Akteuren und Institutionen im Stadtteil zu eruieren sowie ihre Erwartungshaltungen an den Stadtteil und ihre Motivationen, sich aktiv in der Nachbarschaft zu engagieren, zu erfassen. Die Fragen richten aber auch einen Blick auf die innere Organisation von Baugemeinschaften
und die im Planungsprozess gesammelten Erfahrungen sowie auf die zu erwartenden Bedürfnisse an Gebäude und Quartiere, die den Bewohner*innen bis ins hohe Alter ein selbstbestimmtes Leben in „Ihrem Kiez“ ermöglichen könnten.
Ziel der Befragung ist es, Erkenntnisse zu gewinnen, die für zukünftige Planungs- und lokale Entwicklungsprozesse in der HafenCity (und ggf. darüber hinaus) genutzt werden können. Eine umfassende Analyse einzelner Baugemeinschaften ist nicht vorgesehen. Durch die Befragung können nur einige wenige Perspektiven eingefangen werden, die nicht als repräsentativ für die jeweilige Baugemeinschaft gelten können. Diese können aber als Grundlage für eine tiefergehende Recherche dienen.
Die Befragungsreihe beginnt mit bereits etablierten Baugemeinschaften in der HafenCity, die Ende 2020 abgeschlossen sein wird und dann – nach Abstimmung des Fragenkatalogs – mit den neuen gemeinschaftlich organisierten Wohnprojekten im Quartier Baakenhafen fortgesetzt werden soll.

Anmerkung: Aufgrund der Coronabedingten gesellschaftlichen Situation, lassen sich z. Zt. keine verlässlichen Angaben zur Terminierung von Präsenzinterviews machen. Die Durchführung der Befragung von Baugemeinschaften im Quartier Baakenhafen über digitale online-Platt-formen wird daher in Erwägung gezogen.

Dr. Matthias Borscheid ist bei der HafenCity Hamburg GmbH zuständig für zivilgesellschaftliche Prozesse und soziale Themen. Der 50-jährige Diplom-Geograf und Sozialwissenschaftler war zwölf Jahre im irischen Dublin tätig, bis es den gebürtigen Bremerhavener wieder nach Nord-deutschland zog. In der HafenCity arbeitet er seit Oktober 2017.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 25(2020), Hamburg