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Das Hamburger Bündnis für Wohnstifte startet durch

Neues Gutachten zur Lage der Wohnstifte gibt Empfehlungen für die Zukunft

*** von Julia Barthel, Tomma Groth und Kira Seyboth ***

Hamburg steht vor der dringlichen Aufgabe, neuen Wohnraum zu schaffen. Dabei soll die Versorgung mit bezahlbaren Wohnungen und das soziale Miteinander zusammen gedacht werden. Die Hamburger Wohnstifte meistern diese Herausforderung seit Jahrhunderten unter wechselhaften Bedingungen.

Mit viel Engagement ist es gelungen, so unterschiedliche Gruppen wie Menschen mit Wohnungsberechtigungsschein, Mieter*innen im Alter von 60 bis 85 Jahren und Personen mit Pflegebedarf mit mehr als nur Wohnraum zu versorgen. In vielen Wohnstiften haben sich Formen des Zusammenlebens wie generationenübergreifendes Wohnen und Wohngruppen im Alter entwickelt, die als modern und nachhaltig gelten.
Das kürzlich veröffentlichte Gutachten1 „Lagebeschreibung Hamburger Wohnstifte“, von der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) beim Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik (IfS) in Auftrag gegeben, zeigt schwarz auf weiß: In Hamburg gibt es 101 bekannte Wohnstifte und sie bieten bezahlbaren Wohnraum für rund 10.000 Menschen im gesamten Stadtgebiet. Die Mietpreise liegen mit durchschnittlich 7,00 €/m² für Wohnungen und 8,50 €/m² für Service Wohnungen seit Jahren auf einem sehr günstigen Niveau. (Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, 2020). Damit sind die Wohnstifte ein natürlicher Partner der Stadt für eine sozial orientierte Stadtentwicklung.

KOOPERATION:
LÖSUNGSORIENTIERTE ANSPRECHPARTNER

Diese Partnerschaft muss auf neue Füße gestellt werden und wie das Gutachten der Stadt zeigt, steckt der Teufel im Detail: Viele Stiftungen stehen vor der Herausforderung, ihre Häuser an moderne Ansprüche für komfortables Wohnen anzupassen. Nach dem Hamburgischen Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz soll beispielsweise in Wohnstiften, die Service-Wohnen anbieten, bis Ende 2022 eine Barrierefreiheit hergestellt werden. Was im Sinne einer nachhaltigen und inklusiven Stadtentwicklung durchaus Sinn macht, fordert von den Wohnstiften umfangreiche und teure Umbaumaßnahmen.
Dabei sind sie durch das Bodenrecht und das Kostenmietrecht oft in doppelter Hinsicht eingeschränkt, die finanziellen Mittel dafür zu organisieren. So sieht das Kostenmietrecht vor, dass eine Förderung der Maßnahmen durch öffentliche Mittel an die Bedingung gebunden ist, mit den Mieten nicht mehr einzunehmen, als zur Deckung laufender Kosten nötig ist. Gleichzeitig können Wohnstifte solche Grundstücke, die ihnen für einen symbolischen Pachtbetrag überlassen oder geschenkt wurden, nicht beleihen. Dies ist nur ein Beispiel für die Verzahnung von finanziellen, logistischen und technischen Herausforderungen, mit denen sich die Hamburger Wohnstifte auseinandersetzen müssen. Lange Zeit haben sie sich als Einzelkämpfer durch dieses Dickicht geschlagen. Doch im Oktober 2019 wurde das „Hamburger Bündnis für Wohnstifte“ gegründet.
Ziel des Zusammenschlusses ist, gemeinsam die Hamburger Wohnstifte zu erhalten und neue Perspektiven für die Zukunft zu erarbeiten. Der Kern der Bündnisarbeit besteht darin, Räume zu schaffen in denen Probleme und Lösungsansätze offen diskutiert werden. Wie den Arbeitskreis „Bodenrecht und Kostenmietrecht“, der aus den gebündelten Erkenntnissen heraus mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen und den Förderbanken an gemeinsamen Lösungen arbeiten kann. So sehen es auch die Handlungsempfehlungen aus dem Gutachten vor: Die Stadt wirkt als „Ermöglicherin“ und initiiert ein Netzwerk von lösungs­orientierten Ansprechpartnern in ­Behörden, Bezirken und für ­Förderprogramme. Gleichzeitig ist die Eigeninitiative der Wohnstifte gefragt.

SELBSTHILFE: ERFAHRUNGEN AUS DER PRAXIS ZURÜCKGREIFEN

Ein anderer Aspekt der Bündnisarbeit ist die Selbsthilfe. ­
So greift der Arbeitskreis „Bautechnische Themen“ auf ­Erfahrungen aus der Praxis zurück. Wohnstifte wie die ­Amalie-Sieveking-Stiftung oder die Hartwig-Hesse-Stiftung haben bereits große Bauvorhaben umgesetzt. Es liegt also nahe, sich im Arbeitskreis „Bautechnische Themen“ Tipps zu baurechtlichen Fragen zu holen oder darüber zu sprechen, wie man in Bauphasen die Bewohner am besten betreut. Gerade in solchen Fragen kann der Austausch mit Vertretern anderer Wohnstifte helfen, praktische und erprobte ­Lösungen zu finden. Es bietet es sich auch an, gemeinsame Veranstaltungen zu Themen wie Finanzierung und Förderung, Stiftungsrecht oder Barrierefreiheit zu organisieren und sich selbst einen Zugang zu Wissen schaffen. Langfristig möchte das Hamburger Bündnis für Wohnstifte ein ­eigenständiges Netzwerk aus externen Beratern und ­För­derern aufbauen, das die Wohnstifte bei Projekten und Problem­lösungen unterstützt. 
Im Hamburger Bündnis für Wohnstifte wurde zudem eine Geschäftsstelle eingerichtet, um Arbeitskreise und gemeinsame Veranstaltungen zu organisieren und das Engagement sowie die Herausforderungen der Wohnstifte mit Öffentlichkeitsarbeit sichtbar zu machen. Die Hamburger Wohnstifte wollen in Erscheinung treten und mit der Stadt einen Dialog auf Augenhöhe führen. Dialog und Kooperation können auch der Schlüssel zu einem Projekt sein, das von der Tradition in die Zukunft führt: Es gibt in Hamburg einige Wohnstiftungen und Stiftungen, die interessiert sind, ihren Bestand zu erweitern oder ein neues Stiftsviertel zu entwickeln. Die Stadt hat in ihrer Dynamik des Wachstums ein Interesse an Konzepten für eine Quartiersentwicklung, die den Bedürfnissen von Senior*innen gerecht wird und das Zusammenleben der
Generationen fördert. An diesem Punkt lohnt es sich, die Vogelperspektive zu verlassen und auf die Bedürfnisse der Menschen zu schauen, für deren Wohl sich die Wohnstifte seit Jahrhunderten einsetzen.

Julia Barthel arbeitet seit März 2020 in der Geschäftsstelle des Hamburger Bündnis für Wohnstifte. Sie studierte Kulturwissenschaften und nachhaltige soziale Entwicklung. Bei Interesse zur Arbeit des Bündnis oder zur Teilnahme ist Frau Barthel erreichbar per E-Mail: jbarthel@hamburger-wohnstifte.de oder telefonisch: 0173 3911837

Tomma Groth und Kira Seyboth studieren Urban Design an der Hafencity Universität Hamburg. Der Masterstudiengang vereint Disziplinen der Stadt- und Raum-produktion mit einem forschenden und gestaltenden Umgang mit der Stadt. Das Interesse der Studierenden gilt den Themen Bezahlbarkeit, gemeinschaftliche Wohnformen und städtische Nachbarschaften. 

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 25(2020), Hamburg