Die Stadt als Garten nutzen – warum nicht?
*** von Joachim Reinig ***
Hamburg ist eine grüne Stadt. Aber Hamburg baut immer dichter und auch viele Grünflächen werden für den Wohnungsbau in Anpruch genommen. Umso wichtiger ist es, dass die Parks und Straßenräume nicht nur „Abstandsgrün“ sind, sondern besser von der Bevölkerung genutzt werden können.
Vielerorts entwickeln sich urban-gardening-Initiativen, die Nutzpflanzen in die Stadt zurückholen und Nachbarschaften um die Gärten organisieren.
Das unterstützt auch der Pomologen-Verein, der sich vor 25 Jahren mit dem Ziel gegründet hat, alte Obstsorten und Streuobstwiesen zu erhalten. Mit einer Broschüre mit dem Titel „UrbanPom“ fordert er jetzt auch mehr Obstgehölze im öffentlichen Raum.
Anlaß war der Vorschlag, in den neuen Quartieren für Zuwanderer Obstgehölze zu planzen anstelle von Eichen und Linden. Aber die Grünplaner in der Hamburger Umweltbehörde haben Bedenken: Die Früchte könnten den Verkehr gefährden, der Schnitt der Bäume ist aufwendiger und Äste werden leichter abgerissen. Tatsächlich werden in Hamburg seit Jahren nur noch Zierformen von Obstgehölzen gepflanzt, z. B. Zierkirschen oder die Schwarze Walnuss mit sehr kleinen, harten Früchten.
Am Haeckswisch in Duvenstadt im Bezirk Wandsbek gibt es die einzige Anliegerstraße, die 1995 systematisch mit Obstgehölzen bepflanzt wurde: Apfel-, Kirsch- und Birnbäume wachsen entlang der Straße. Ein Anwohner erzählt: „Es gibt keine Probleme, unter den Obstbäumen zu parken, auch wenn der Apfelbaum dieses Jahr sehr gut trägt. Jetzt im Juni fallen kleine Äpfel runter, aber das macht keine Beulen im Blech“. Ein anderer Anwohner ergänzt: „Die Nachbarn freuen sich immer über die Obsternte und nutzen die Früchte. Auch die Kindergärtnerinnen kommen öfters mit den Kindern vorbei und sammeln Früchte auf. Die afghanischen Flüchtlinge von der Unterkunft von Fördern und Wohnen klettern in die Bäume und pflücken unreife Früchte – wie schade! Ich zeige ihnen gerne, wann die Früchte reif sind, dann können sie sie gerne ernten und essen.“
Wenn Hamburger bei der Anlage von Parks und Spielplätzen mitbestimmen können, wünschen sie sich meistens Obstbäume. Manchmal sogar mit Erfolg. So wurden im neuen Lohsepark in der Hafencity dutzende große Obstbäume gepflanzt. Auch die Deichttorhallen haben ihre Wiese zu einer Streuobstwiese umgestaltet. Kirchen und Schulen pflanzen und Pflegen Obstbäume in allen Formen. Einige Kindergärten bevorzugen Spindelbäume in Kübeln, weil diese schnelle Früchte bilden.
Die „Essbare Stadt“ bringt eine neue Qualität in die Grünanlagen. Untersuchungen zeigen, dass die Äpfel aus der Stadt meist weniger belastet sind, als die aus dem Supermarkt. Sie müssen wie alles Obst nur vor dem Verzehr gewaschen werden.
Der Pomologenverein empfiehlt eine Reihe von alten Sorten als besonders stadttauglich. Wichtig ist dabei, dass die Äpfel, wenn sie gepflückt werden auch essreif sind. Viele Sorten müssen nach der Ernte erst noch gelagert werden – im Supermarkt sind alle Äpfel essreif!
Eine Forderung an die Politik ist, Obstgehölze als Ersatzpflanzungen zuzulassen, wenn ein Laubbaum gefällt wird. So könnte Hamburgs Grün noch genußreicher werden!
Joachim Reinig ist Architekt und Mitglied im Promologen-Verein e. V.
zuerst veröffentlicht: FreiHaus 22(2017), Hamburg