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Artikel Wohnungspolitik

Wo ist die Farbe grün?

*** von Josef Bura ***

Seit Herbst letzten Jahres hat Hamburg seine neue politische Führung. Rot-grün statt rot-grau. Einige müssen ja daran Erwartungen geknüpft haben, sonst hätten sie nicht so gewählt. Auch WohnprojektinteressentInnen. Die Schonzeit ist vorbei. Was hat sich für Wohnprojekte verändert? Hat sich was verändert? Was muß jetzt getan werden, um rot-grün eine politische Gestaltungschance zu geben und die Zukunft der Wohngruppen zu sichern?

Ein Bedarf hat sich durchgesetzt

Die ersten Hamburger Wohngruppenprojekte sind in den 80er Jahren entstanden. In alten innenstadtnahen Stadtteilen haben zunächst Hausbesetzer mit öffentlicher Förderung abrißgefährdete Häuser wieder bewohnbar gemacht und mit neuem Leben gefüllt. Allen bekannt ist die Hafenstraße. Über 15 Jahre schwelte der Konflikt um den Erhalt der umstrittenen Häuser in St. Pauli. Jetzt endlich werden die Häuser saniert.

Erst seit Anfang der 90er Jahre sind Neubauprojekte hinzugekommen. Die Stadt Hamburg hat Wohnungsbau für Wohngruppen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus gefördert. Die Nutzer und Nutzerinnen planen ihre Mehrfamilienhäuser gemeinsam. Nach Fertigstellung wollen sie nachbarschaftlich miteinander wohnen. Diese Förderung stellt eine Hamburger Besonderheit dar.

Denn üblicherweise bauen kommunale oder genossenschaftliche Unternehmen als klassische Investoren im sozialen Wohnungsbau. In Hamburg ist es im Prinzip genau so. Der kleine Unterschied besteht darin, daß bei der Vergabe von Fördermitteln und von kommunalem Grund und Boden in Hamburg auch Wohngruppen berücksichtigt werden.

Diese, von außen her gesehen, relativ günstigen Bedingungen in Hamburg kommen nicht von ungefähr: Die neuen Wohnformen sind wichtige soziale Bestandteile in ihren Stadtteilen. Das zeigt die Praxis. Drachenbau in St. Georg, die Wohnprojekte der Schanze e G im Schanzenviertel und anderswo in Hamburg, die Ottenser Dreieck eG in Altona und die Wendebecken eG in Barmbek-Nord sind Beispiele dafür, daß Wohnprojekte positiv in ihre Nachbarschaft ausstrahlen. Sie stehen für wohnpolitische Innovationen und sind weit über Hamburg hinaus bekannt.

Große Anerkennung außerhalb Hamburgs

Die Nachfrage nach Wohngruppenwohnen ist gewachsen. Fast wöchentlich finden in Hamburg Veranstaltungen zum Thema neue Wohnformen statt. Das öffentliche Interesse, das das Thema auf sich zieht, ist ungebrochen und wächst.

Auf HABITAT II, der großen UNO-Konferenz in Istanbul im Jahr 1996, waren zwei Hamburger Wohnprojekte unter den sog. „Best practices“ der Bundesrepublik Deutschland: Wohnprojekte des Ottenser Dreieck und von HausArbeit wurden dort von der Bundesregierung einem weltweiten Publikum präsentiert. In diesem Frühjahr wurden die Schanze eG und die Wohnungsbaugenossenschaft Wendebecken in Solingen im Rahmen eines bundesweit ausgeschriebenen Wettbewerbs für ihre innovativen Interpretationen des Genossenschaftsgedankens gewürdigt. Und die verschiedenen Wohnprojekte der Grauen Panther Hamburg e.V. stehen mehrfach im Jahr im Rampenlicht bundesdeutscher Öffentlichkeit.

Viele schauen also auf Hamburg – aber wohin schauen Hamburger Politiker?

Politische Perspektiven unter „rot-grün“

Haben Wohnprojekte in Zukunft eine politische Lobby – und wo ist diese? Ein Blick in die Koalitionsvereinbarung sollte erkennen lassen, welche politischen Absichten die Koalitionspartner zum Thema Wohnprojekte verfolgen. Dort heißt es, daß jährlich ein Volumen von „bis zu 200 Wohneinheiten“ für Wohngruppenprojekte gefördert werden sollen (vgl. dazu den Auszug aus der „Grundlagenvereinbarung zwischen SPD und GAL“ im Kasten). Bedauerlicherweise ist diese quantitative Zielvorgabe extrem ungenau – so unverbindlich, daß man Absicht unterstellen könnte.

Interpretiert man eine solche Aussage vor dem allgemeinen politische Zeitgeist, dann muß man pessimistisch werden. Denn die Politik kürzt, spart ein und schafft ab. Sollte aber mit „bis zu 200 Wohneinheiten“ eine Steigerung des Volumens gemeint sein, dann müssen sich alle Beteiligten etwas einfallen lassen. z.B.: städtische Grundstücke für Wohnprojekte In der rot(-grauen) Regierungszeit wurden durchschnittlich 40 bis 80 Wohneinheiten pro Jahr für Wohngruppen in Hamburg gebaut. Das entspricht etwa 1 bis 2 % der öffentlich geförderten Neubauwohnungen. Wer diesen Stand halten oder mehr erreichen will, muß heute damit anfangen.

Das Bauen von Mehrfamilienhäusern im sozialem Wohnungsbau ist ein langwieriger Prozeß. Das gilt für die klassischen Investoren genauso wie für Wohngruppen. Vor dem Bauen kommt das Planen und davor muß es bebaubare Grundstücke geben. Wohngruppen sind aber auf städtische Grundstücke angewiesen, denn privates Grundeigentum ist völlig überteuert.

Der erste Schritt der politischen Umsetzung der Koalititonsvereinbarung muß also darin bestehen, unverzüglich eine Quote an städtischen Grundstücken für Wohnprojekte zu reservieren. Nur so kann sichergestellt werden, daß innerhalb dieser Legislaturperiode neue Projekte überhaupt noch eine reelle Chance bekommen. Wenn also in drei Jahren wirklich 200 Wohnungen für Wohngruppenprojekte entstehen sollen, dann ist Warten der völlig falsche Weg: vor allem für die Wohnprojekte. Zur Zeit ist überhaupt nicht zu erkennen, wo die politischen Impulse für mehr Wohnprojekte herkommen sollten.

Ist Papier geduldig und grün als politische Farbe nicht mehr vorhanden?

Josef Bura ist Mitarbeiter der STATTBAU HAMBURG GmbH

Koalitionsvereinbarung, Auszug „Wohnprojekte waren und bleiben ein wichtiges Element der Hamburger Wohnungspolitik. Ihre Förderung wird fortgesetzt. Sie ist darauf gerichtet, bei einem mit dem geförderten Mietwohnungsbau vergleichbaren Subventionsvolumen den Besonderheiten dieser Projekte Rechnung zu tragen. Die Sozialverpflichtung der Wohnprojekte ist langfristig sicherzustellen. Wohnprojekte können aus dem Volumen des 1. Förderweges mit bis zu 200 Wohneinheiten gefördert werden. Das in einem Förderungsjahr nicht ausgenutzte Volumen kommt dem 1. Förderweg zugute.

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 2(1998), Hamburg