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Artikel Rechtsform/Genossenschaft

Wohnreform 2000

*** von Joachim Reinig ***

Seit Mitte 1999 arbeitet eine Gruppe von Fachleuten an der Gründung einer neuen Genossenschaft. Das ist ein intensiver Prozess, bei dem die Erfahrungen aus 15 Jahren neuer Genossenschaftsbewegung in Hamburg berücksichtigt werden sollen. Und so blieb nicht aus, dass die Genossenschaftsgründung von diesem Jahr auf das nächste Frühjahr verschoben wurde: Aus „Wohnreform 1999“ wurde „Wohnreform 2000“ – das klingt ja auch etwas moderner.

Neue Trägerstruktur für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen

In der Vorbereitungsgruppe sind bekannte Wohnprojekte-Entwickler: Stattbau, Lawaetz- Stiftung, Mobiles Wohnen, Arche Nora, Anders Wohnen Heimfeld und einzelne Fachleute aus Projekten und Architekturbüros.

Die „Wohnreform 2000 Genossenschaft für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen“ sieht sich in der Tradition der Wohnreformbewegung des ersten Drittels des 20sten Jahrhunderts wie auch der Häuserselbsthilfebewegung des letzten Drittels des zwanzigsten Jahrhunderts. Als Dachgenossenschaft ist sie offen für neue Wohngruppen und neue Projektideen: Nachbarschaftliches, soziales Leben, Kinderfreundlichkeit, Respekt vor Menschen im dritten Lebensabschnitt, Integration von Minderheiten, nachhaltige Bauqualitäten für Rollstuhlfahrerlnnen und Menschen mit anderen Behinderungen und hohe ökologische Baustandards sind Themen, denen sich die Hausgemeinschaften innerhalb der neuen Genossenschaft verantwortlich stellen sollten.

Hierbei sind die Erfahrungen der „Schanze“ als Dachgenossenschaft sehr interessant. Diese ist stark orientiert auf die vorhandenen Projekte und gibt der Genossenschaft wenig eigenen Handlungsspielraum, zum Beispiel bei der Mobilisierung von Geldern für neue Projekte oder in der Finanzierung von umfassenden Instandsetzungen.

Neue Organe zur Stärkung genossenschaftlicher Mitbestimmung

Die „Wohnreform“ plant neben den für eine Genossenschaft normalen Organen Mitgliederversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat, zwei weitere Organe einzurichten: die Hausgemeinschaften und die „Gemeinschaft der unversorgten Mitglieder“. Alle Interessenten und späteren Bewohnerlnnen bekommen Nutzungsverträge direkt mit der Dachgenossenschaft, sind aber gleichzeitig Mitglied in ihrer Hausgemeinschaft.

Eine Hausgemeinschaft ist die selbstdefinierte Wohn-Gruppe und besteht grundsätzlich aus mindestens den BewohnerInnen eines Hauseinganges. Die Hausgemeinschaft wird durch den Vorstand anerkannt, genauso wie die „Gemeinschaft der unversorgten Mitglieder“, die zum Beispiel ein Wohnprojekt vorbereitet. Investitionsentscheidungen und andere grundsätzliche und praktische Fragen werden in gemeinsamen Sitzungen mit dem Vorstand besprochen. Die Mitgliederversammlung entscheidet dann endgültig, auch im Streitfalle. Hausgemeinschaften sind per Satzung abgesichert und müssen sich rıicht mehr als Vereine konstituieren, was den Gruppen einigen Aufwand erspart.

Die Rolle der Hausgemeinschaften

Die Hausgemeinschaften sollen die eigentlichen Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen. Dieses können insbesondere sein:

  • Auswahl neuer WohnungsnutzerInnen
  • Abrechnung von Teilen der Betriebskosten
  • Verwaltung eines Verfügungsfonds im Rahmen der Instandhaltungspauschale z.B. für Reparaturen im Gebäude, soweit sie nicht die Grundsubstanz betreffen.
  • Hauswart und Gartenpflege
  • Vertretung der Interessen der Hausgemeinschaft in den gemeinsamen Sitzungen mit dem Vorstand

Der aktuelle Stand

Wir suchen noch fachkundige und aktive Leute, die bereit sind, in der Vorbereitungsgruppe mitzuarbeiten sowie solche, die Gelder in der Genossenschaft anlegen möchten. Je mehr Leute Solidarmitglieder werden, um so leichter haben es die bisherigen Projektinitiativen, die hohe Schwelle des Eigenkapitals zu überwinden. Derzeit gibt es vier Projekte, mit denen die „Wohnreform 2000“ starten wird:

  • Gemeinschaftliches Wohnen Dehnhaide mit zwei Gruppen: Ein Hauseingang für Arche Nora e.V. für Frauen im dritten Lebensabschnitt und ein Hauseingang für Mobiles Wohnen.
  • Anders Wohnen Heimfeld – ein Wohnprojekt für Jung und Alt
  • Al Madina in Allermöhe West – ein interkulturelles Projekt von deutschen und ausländischen Mitbürgern
  • Gemeinschaftliches Wohnen an der Eidelstedter Feldmark – ein Projekt mit ökologischer Orientierung

Klaus Joachim Reinig ist Architekt und Mitglied in der Vorbereitungsgruppe der neuen Dachgenossenschaft für gemeinschaftliches Wohnen

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 5(1999), Hamburg