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Artikel Klimaschutz/Mobilität Wohnprojekte Hamburg

Soli-Tick und Millionenkredite

*** von Elisabeth Schmidt-Brockmann ***

„…ohne Aussicht auf Erfolg, ohne Erwartung von Verständnis oder Unterstützung an der Idee weiterarbeiten und felsenfest daran glauben“ – dieses Zitat aus einer Wohnprojektgruppe hat uns lange begleitet, bis es jetzt doch wahr wird: Wenn alles gut geht, fällt der erste Spatenstich für unser generationsübergreifendes Wohnprojekt im Frühjahr 2001, und das mitten in Eimsbüttel.

1994 fingen wir, zwei Single-Frauen und ein Ehepaar, an, über unsere Zukunft nachzudenken, denn die Familienphase war oder ging zu Ende. Niemand von uns strebte es an, allein in einer Wohnung alt zu werden. Einverständnis herrschte auch bei der Wahl der in Frage kommenden Wohngegend. Wer bisher in Eigenheimen am Stadtrand gewohnt hatte, wollte wieder in die Stadt, näher an Kultur und Kneipen und Einkaufsmöglichkeiten. Und wer in Altona oder Eimsbüttel wohnte, wollte da nicht weg.

Während der langen Zeit des Auseinandersetzens mit Ämtern und Initiativen kämpften wir oft innerlich und äußerlich gegen ein „Das schaffen wir nie“. Erst als 1998 ein Grundstück in Sicht kam, fingen wir an, weitere InteressentInnen, vor allem junge Familien, aufzunehmen.

Das liebe Geld

Abenteuerlich waren unsere Vorstellungen über die Finanzierung. So haben wir Älteren anfangs unsere Einkommen deutlich zu hoch eingeschätzt und meinten,wir lägen völlig außerhalb des öffentlich geförderten Mietwohnungsbaus. Demgegenüber stand unser Soli-Tick. Wir wollten gerade mit jungen Familien und mit RentnerInnen, die nur über ein geringes Einkommen verfügen, in unserem Haus zusammenleben. Zu diesem Zweck wollten wir das bei uns Älteren angesammelte oder geerbte Geld nutzbringend für alle ins Haus stecken. Schließlich befiel uns abwechselnd Schwindel, wenn wir über Millionenkredite nachdachten: Werden wir nicht größenwahnsinnig? Rückblickend haben wir schrecklich viel Zeit damit verbracht, über Finanzierungsmodelle mit Solidaritätskomponenten nachzudenken, bevor wir dann ein nicht ganz normales Hamburger Wohnprojekt nach § 88 d II. WoBauG geworden sind.

Ganz ungewohnt war für viele von uns der beschränkte Flächenbedarf. Wer vorher auf 100 und mehr Quadratmetern Eigentum gewohnt hat, muss sich jetzt als Single mit 55 Quadratmetern begnügen, gegen entsprechende Eigenfinanzierung darf es nun aber auch etwas mehr sein. Unkonventionell ist auch unsere Regelung, dass die § 5 Schein-Mitglieder zu Beginn nur ca. 6 % Eigenkapital brauchen und andere entsprechend mehr einzahlen, damit wir ein solides Geldfundament haben.

Illustration: Planungsbüro Biltot-Reumschüssel

Passivhaus in der Eimsbüttler Telemannstraße

Die Überraschung: das Passivhaus

Ökologische Gesichtspunkte wollten wir von Anfang an beachten, aber besessen war davon niemand. „Energiesparend bauen“ spielte bei der ArchitektInnenauswahl eine gewisse Rolle und so beauftragten wir Frau Dipl. Ing. Reumschüssel. In dieser frühen Planungsphase stieß ein Gruppenmitglied durch die Lektüre von ökologischen Zeitschriften auf das Thema „Passivhaus“, welches nur mit einem Bruchteil der Energie herkömmlicher Häuser auskommt. Einige Projektler fuhren mit der Architektin zur Besichtigung von Passivhäusern nach Kassel. Dort bot eine erfahrene Haustechnikfirma trotz der Entfernung ihre Mitarbeit an. STATTBAU HAMBURG errechnete die Mehrkosten von 150 DM pro Quadratmeter und so beschloss das Plenum im März 2000, ein Passivhaus zu bauen. Inzwischen fördert uns die Baubehörde dankenswerterweise neben dem „Parkhaus“ als zweitem Modellprojekt, um vergleichende Erfahrungen zu sammeln.

Sonst noch was besonderes?

Von Anfang an schwebte uns vor, ein „soziales Projekt“ ins Haus zu integrieren, wie z.B. einen offenen Mittagstisch, eine Asylbewerber-Wohnung oder Schularbeitenhilfe. Einiges scheiterte an den bestehenden Förderrichtlinien, Stichwort „Gewerbenutzung“. Jetzt haben wir eine große WG-Wohnung für Jugendliche, die von dem Träger „Stadtteilbezogene Milieunahe Erziehungshilfe“ (SME) pädagogisch begleitet werden.

Wir achten auch darauf, dass alle in irgendeiner AG mitarbeiten und niemand zu viel Macht ansammelt. Mit 17 Mietparteien gelingt Basisdemokratie ganz gut – hoffentlich auf Dauer!

Elisabeth Schmidt-Brockmann ist Gründungsmitglied des Wohnprojekt 13.

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 7(2001), Hamburg