Kategorien
Artikel Wohnprojekte national/international

Alles wird gut! Das Wohnprojekt Dampfziegelei in Kiel

*** von Ursula Hoerness ***

Nach dreieinhalb Jahren Planungs- und einem Jahr Bauzeit haben die GenossInnen der Dampfziegelei e.G. ein wichtiges Etappenziel erreicht: Zwei Neubauten sind bezugsfertig. Nun ist nur noch die Sanierung des Altbaus zu bewältigen – dort wurde die Idee des gemeinschaftlichen Wohnprojekts geboren.

Die Idee, ausgehend von einem der beiden letzten übrig gebliebenen Gebäude der ehemaligen Dampfziegelei Hans Rathmann in Kiel-Wik ein genossenschaftliches Gruppenwohnprojekt zu gründen, wurde bereits im Jahr 2003 geboren. Damals waren die Wohnungen in dem baufälligen Haus noch vollständig vermietet. Die Mieter wohnten unter sehr einfachen Bedingungen, aber auch ausgesprochen günstig und in unmittelbarer Nachbarschaft zu alternativen Wohnformen. Die Vermietung der Wohnungen schien der Stadt Kiel im Jahr 2003 nicht mehr rentabel und so wurden Kündigungen verschickt – ein Jahr später sollte das Haus abgerissen werden.

Der lange Weg zum Ziel

Heute, ganze fünf Jahre später, wird das alte Gebäude Timmerberg 15 von zwei holzverschalten Neubauten eingerahmt und aus seinem Inneren dringt Baulärm. Eine immer größer werdende Gruppe aus Mietern des Altbaus, Bewohner des in der Zwischenzeit geräumten Bauwagenplatzes aus der Nachbarschaft und neu Hinzugekommenen hat die vergangenen Jahre mit unglaublichem Elan an der Realisierung des genossenschaftlichen Wohnprojekts gearbeitet.

Träume verwirklichen durch Sturheit

In dem Verbund von zwei Neubauten und einem sanierten Altbau entsteht ein Experiment gemeinschaftlichen Wohnens von Menschen aus den unterschiedlichsten Lebensverhältnissen. Der Gemeinschaftsraum mit Küche wird wohl das Zentrum vieler gemeinsamer Aktivitäten bilden. Außerdem gibt es eine gemeinsam genutzte Werkstatt. Die Kinder haben auf dem über 2000 m2 großem Gelände und der angrenzenden, vom Wohnprojekt gepflegten, städtischen Grünfläche Möglichkeiten zur freien Entfaltung. Sowohl die Neubauten als auch der sanierte Altbau sind KfW-Energiesparhäuser 60, die einen Jahresenergieverbrauch von unter 60 kW pro m2 Wohnfläche ermöglichen. Warmwasser wird über Solarthermie bereitet, Regenwasser als Brauchwasser genutzt und geheizt wird mit einer modernen Holzvergaser-Heizung.

Doch war es nicht einfach, all dies zu verwirklichen. In der Planungsphase gab es immer wieder Momente, in denen bestimmte Dinge als „nicht machbar“ oder „nicht finanzierbar“ erschienen. Dass nun trotzdem fast alle Wünsche der Genossenschaft in Erfüllung gegangen sind, erklärt Uli Selle, Gründungsmitglied der ersten Stunde, mit der Sturheit, mit der die GenossInnen ihre Ziele verfolgt haben.

Hart am Limit durch Eigenleistungen

Nachdem die zwei Neubauten im August bezogen wurden, steht nun „nur“ noch die Sanierung des Altbaus bevor. Für die GenossInnen wird das ein letzter Kraftakt sein. Um das Wohnprojekt in der geplanten Form realisieren zu können, wurden sogenannte Eigenleistungen eingeplant. Das bedeutet, dass viele Arbeiten am Bau von den zukünftigen BewohnerInnen selbst geleistet werden mussten. Bei den Neubauten wurden in Eigenleistung z. B. die Außendämmung angebracht, Holzfußböden verlegt, Lehmputz aufgebracht und Wände gestrichen. Bei der Sanierung des Altbaus kommt jetzt noch die vollständige Entkernung des Gebäudes hinzu.

Das Arbeitspensum, das die GenossInnen der Dampfziegelei e.G. leisten, ist enorm. Vor allem, wenn man bedenkt, dass alle Beteiligten noch beruflich oder familiär eingebunden sind. Viele sind mit ihrer Leistungsfähigkeit schon seit einigen Jahren hart am Limit. Und dennoch – die Eigenleistungen haben mitunter auch ihre positiven Seiten: durch die gemeinsame Arbeit am Bau wächst die Gruppe enger zusammen und so mancher Schreibtischtäter findet dann und wann eine willkommene Abwechslung.

Aber die Selbsthilfe am Bau ist nur eine der großen Aufgaben im Wohnprojekt. Ebenso wichtig und auch zeitraubend sind die organisatorischen und verwaltungstechnischen Aufgaben, die gleichzeitig erledigt werden müssen. Hier setzen sich vor allem diejenigen ein, die die schwere körperliche Arbeit am Bau nicht leisten können. Buchhaltung, Kommunikation mit Firmen, Versicherungen und dem Architekten müssen erledigt werden.

Selbstorganisation? Geht doch!

Dass trotz der kaum zu bewältigenden Anforderungen und Aufgaben die wichtigsten Dinge zu Wege gebracht werden liegt am Prinzip der Selbstorganisation. Weder die beiden Vorstände, noch irgendeine andere Person aus der Genossenschaft kann alle großen und kleinen Themen des Wohnprojekts überblicken. Auslagenerstattungen, Zählerstände, Mietverträge, Jahresabschluss, Mülltonnen, Wohnungsübergabe, Mängel am Bau, Planungsänderungen, Eigenleistungen … Wer kann das schon alles während der Kinderbetreuung oder nach der Arbeit koordinieren? Oder – wie lange dauert ein Plenum, in dem alle diese Aufgaben erörtert und verteilt werden? Selbstorganisation bedeutet für die GenossInnen der Dampfziegelei, dass Einzelpersonen oder Kleinstgruppen sich um viele der auftretenden Probleme eigenverantwortlich kümmern und im Laufe der Zeit spezielle Kompetenzen entwickeln. Für Außenstehende ist das häufig irritierend – sie versuchen doch oft den Leiter des Projekts zu finden. Vergebens!

Betreutes Bauen: Das Team

Ohne kompetente Partner wäre das Wohnprojekt jedoch nie so weit gekommen. Die Projekt-Betreuung wird von STATTBAU HAMBURG geleistet, mit deren Hilfe schon viele Klippen umschifft werden konnten. Die ursprüngliche Planung erstellte Christa Fröhlich. Nach ihrem unerwartetem Tod übernahm der Architekt Dirk Niemann, der das bunte Bauherren-Kollektiv bis heute mit viel Geduld und unerschütterlichem Humor betreut. Die Unterstützung durch die IB Schleswig- Holstein und die KfW Förderbank machten das Projekt erst finanzierbar.

Die Dipl. Biologin Ursula Hoernes ist dem Wohnprojekt Dampfziegelei e.G. schon seit der Gründungsphase verbunden, hat sich aber erst vor einigen Monaten dazu entschieden, aktives Mitglied der Genossenschaft zu werden.

Eckdaten

Lage: Kiel-Wik, südlich des Nord-Ostsee-Kanals

Häuser: 2 Neubauten, 1 sanierter Altbau

Mieter: derzeit 14 Erwachsene und 11 Kinder

Wohnfläche/Grundstück: 998 m2/2353 m2

Förderung: IB Schleswig-Holstein, KfW Förderbank

Projekt-Betreuung: STATTBAU HAMBURG

Architekten: Dirk Niemann, Christa Fröhlich

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 15(2008), Hamburg