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Artikel Bodenpolitik/Grundstücke Wohnungspolitik

Alles wird gut

Senat beschließt Wohnungsbauentwicklungsplan

*** von Tobias Behrens ***

Mit der schwarz-grünen Regierungskoalition, die seit Mai 2008 im Amt ist, und der Verabschiedung des politischen Leitbilds „Wachsen mit Weitsicht“ (s. auch Interview mit Senatorin Anja Hajduk in FreiHaus Nr. 15) haben sich die mit dem Bauen und der Bereitstellung von Flächen befassten Behörden einen Plan zur Umsetzung der Ziele gegeben. Ja, mach nur einen Plan?

Unter Federführung der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) und dort dem Amt für Wohnen, Stadtentwicklung und Bodenordnung ist in den letzten Monaten der Wohnungsbauentwicklungsplan erarbeitet und im Mai im Hamburger Senat beschlossen worden. Mit diesem Plan – der in seinem Umfang, in seiner thematischen Dichte und in seinem ganzheitlichen Ansatz (in dem das Thema Wohnen nicht nur über die Wohnung definiert wird) eine beachtliche Qualität erreicht, will die BSU vor allem zwei Themen in den Mittelpunkt ihres weiteren Handelns rücken:

  • „Sicherung und Weiterentwicklung der Stadt als attraktives und zukunftsfähiges Zuhause mit besonderem Fokus auf Familienförderung und Integration sowie auf die Wohnbedarfe älterer Menschen – mit Schwerpunkt auf der aktivierenden Wohnungsbauförderung sowie einer stärker integrativ ausgerichteten Wohnungspolitik
  • Die Bereitstellung ausreichender Flächen aufgrund nachhaltiger Planung – mit dem Schwerpunkt auf einer nachhaltigen Steigerung der Innenentwicklung“ (vgl. Wohnungsbauentwicklungsplan, DS 19/2995, S. 1).

Im Einzelnen geht der WEP auf folgende Themen ein:

Weiter steigender Wohnungsbedarf in Hamburg

Nachdem der Wohnungsbestand, die demographische Entwicklung und die Entwicklung der Haushaltszahlen in Hamburg und der gesamten Metropolregion dargestellt werden, kommt der Plan zu dem Ergebnis, dass pro Jahr 5.000 bis 6.000 neue Wohnungen in Hamburg gebraucht werden. Insgesamt geht der Senat davon aus, dass bis zum Jahr 2020 die Zahl der Haushalte in Hamburg um ca. 65.000 steigen wird. Da auch jährlich eine große Zahl von Wohnungen vom Markt „verschwinden“ (durch Zusammenlegungen, Abriss, Umwandlung etc.) – hier liegen keine genauen Zahlen vor – sie schwanken zwischen 500 und 2.200 Wohnungen pro Jahr – müssen also in dem Zeitraum bis 2020 ca. 70.000 neue Wohnungen in Hamburg gebaut werden, um die steigende Zahl der Haushalte sowie die wegfallenden Wohnungen zu kompensieren. Bei nur 3.127 im Jahr 2007 fertig gestellten Wohnungen ist dies ein ehrgeiziges Programm.

Neue Wohnungen in der „Stadt in der Stadt“

Um diese große Zahl neuer Wohnungen auch tatsächlich bauen zu können, muss es ausreichend bebaubare Grundstücke in der Stadt geben. Dabei sollen nicht mehr die Randgebiete in der Stadt im Fokus der Suche nach neuen Flächen stehen, sondern die Innenentwicklung soll vorrangig betrieben werden. Die Vorteile dieses „Wachstums nach innen“ liegen auf der Hand: es brauchen keine großen Erschließungsmaßnahmen durchgeführt werden, es gibt in der Regel eine gute Infrastruktur und es wird das Verkehrssaufkommen reduziert, etc. Außerdem sind die innerstädtischen Flächen stets gut nachgefragt. Erreicht werden soll dieses Ziel der Innenentwicklung durch:

  • „Verdichtung in bestehenden Stadtquartieren durch An- und Umbauten, Nutzungsänderungen, Aufstockungen, Baulückenschließungen, Bauen in zweiter Reihe, Abriss und Neubau
  • Bebauung von Flächen im bestehenden Siedlungsgefüge: Dies bezieht sich auf die Wohnungsbaupotenziale gemäß Flächennutzungsplan und geltendem Baurecht. Dazu gehören auch kleinere Brachflächen, nicht mehr benötigte Sportflächen u.ä.
  • Neue Stadtquartiere auf Konversionsflächen, d.h. Flächen, die bereits bebaut, aber mit einer anderen Nutzung belegt, waren (z.B. ehemalige Kasernen, Post- und Bahnflächen, Krankenhaus- und Pflegeheimflächen und für industrielle oder gewerbliche Nutzung aufgegebene Flächen)“ und die nun aufgrund der ökonomischen und sozialen Veränderungen für eine andere Nutzung zur Verfügung stehen (vgl. WEP, S. 34).

Anreize für die Bezirke für Planrechtschaffung

Nach Untersuchung der Flächennutzungs- und Bebauungspläne stellt die BSU fest, dass in den Jahren 2009 bis 2013 ein Flächenpotential für ca 32.000 Wohnungen zur Verfügung gestellt werden kann, das ausreichen müsste, um den Bedarf von bis zu 6.000 neuen Wohnungen pro Jahre erfüllen.

Um diese Zahlen zu erreichen, sollen nach dem WEP den Bezirken für die nächsten 5 Jahre jeweils 1–3 zusätzliche Stellen im Bereich der Stadtplanung zur Verfügung gestellt werden. Mit dieser Personalverstärkung sollen die komplizierten Aufgaben der Flächenentwicklung und Projektvorbereitung intensiver betrieben werden können. Darüber hinaus hat die BSU mit allen Bezirken sog. Zielvereinbarungen abgeschlossen, die in Form eines finanziellen Anreizes die Bezirke für Planrechtschaffung belohnen. Interessant ist dabei, dass die Planrechtschaffung für Geschosswohnungsbau je Wohnung doppelt so hoch belohnt wird wie die Schaffung für Einfamilienhausbau.

Grundstücksvergabe nach Konzeptqualität

Auch bei der Vergabe von Grundstücken will der Senat mit dem WEP neue Wege gehen. Bei dem Verkauf städtischer Flächen für den Mehrfamilienhausbau soll es in der Regel nicht mehr nach dem Höchstgebotverfahren gehen, sondern die Vergabe soll nach der Qualität des eingereichten Konzepts erfolgen. Als Qualitätskriterien werden beurteilt: die soziale Integrationsqualität des Bauvorhabens, sowie die städtebaulichen und energetischen Qualitäten. Außerdem sind Anteil der familiengerechten Wohnungen, Miethöhe und Anteil des geförderten Wohnungsbaus von Bedeutung.

Soziale und integrative Zielsetzungen der Wohnungspolitik

Völlig neu in einem Konzeptpapier aus dem Hause der BSU ist ein Kapitel über die Verstärkung der integrativen Wohnungspolitik in Hamburg. Hier hat sich die federführende Behörde zum einen an die Ursprünge des geförderten Wohnungsbaus in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert, bei dem es immer darum ging, mit Hilfe des Wohnungsbaus auch soziale Zielsetzungen umzusetzen, zum anderen hat sich aber gerade bei der Wohnraumversorgung für Menschen mit Handikaps in den letzten Jahren die Lage in Hamburg derartig verschlechtert, dass die Politik handeln musste. Sie hat deshalb erklärt, die „Integration von Haushalten mit besonderen Marktzugangsschwierigkeiten und Wohnbedürfnissen im geförderten Mietwohnungsneubau ist eine Schwerpunktaufgabe der 19. Legislaturperiode“ (vgl. WEP, S. 19). Hierfür sollen besondere Förderprogramme entwickelt werden, die es den Wohnungsbauunternehmen leichter machen sollen, integrativ wirksame Wohnkonzepte umzusetzen. Baugemeinschaften – weiterhin tragende Säule der Hamburger Wohnungspolitik* Die Baugemeinschaften werden auch vom neuen Senat – wie auch von den vorherigen Regierungen – weiterhin als bedeutende Säule der Wohnungspolitik in Hamburg bezeichnet. Der Anteil der städtischen Flächen, die für Wohnungsbauvorhaben an Baugemeinschaften verkauft werden, soll von 15% auf 20% steigen. Da viele neue im WEP vorgestellte Verfahren bei Baugemeinschaften schon seit längerem Standard sind (z.B. Vergabe nach Konzept), verändert sich für die Baugemeinschaften nicht viel. Es bleibt zu hoffen, dass durch das Konzept Innenentwicklung auch für Baugemeinschaften in naher Zukunft viele interessante Grundstücks auf den Markt gebracht werden.

Fazit

Mit dem neuen Hamburger Wohnungsbauentwicklungsplan wird eine zukunftsfähige Strategie des Wohnens in der Stadt entwickelt, die Richtung weisend für die nächste Jahre sein kann. In der Einbeziehung der benachbarten Fachgebiete (Demographie, Klimaschutz und Energie, Soziales und Integration, etc.) besteht seine besondere Qualität. Die simple Erkenntnis, dass man multiplen Problemlagen nur mit integrierten Handlungskonzepten wirksam entgegenwirken kann, scheint hier umgesetzt worden zu sein.

Doch Vorsicht: Der WEP hat an so vielen verschiedenen Stellen Neuartiges vor. Er wird nur erfolgreich sein, wenn die anderen Fachbehörden mitspielen und mit gleichem Engagement diese neuen Wege mitgehen. Die Gefahr des Scheiterns ist groß. Deshalb sollte es unbedingt ein kontinuierliches Controlling geben – und nicht erst wie im WEP beschrieben eine Folgedrucksache im 3. Quartal 2010.

Und es gilt natürlich die Grundregel aller politischen Konzepte: Sie sind nur dann gut, wenn es auch gelingt, sie umzusetzen. Das werden die nächsten Monate zeigen und wir werden es mit großem Interesse verfolgen.

Dr. Tobias Behrens ist Geschäftsführer von STATTBAU HAMBURG GmbH und arbeitet in der KORB-Runde (Koordinierungsrunde Baugemeinschaften) in der BSU mit.

* Zu den Auswirkungen des neuen WEP auf Baugemeinschaften und Wohnprojekte siehe auch unser Gespräch mit Angela Hansen, BSU auf Seite 6 in dieser Freihaus

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 16(2009), Hamburg