Tipps für Interessierte 2
*** von Josef Bura ***
Die Wohnung ist schön, die Wohngegend stimmt – aber die Nachbarschaft funktioniert nicht. Das kann im Alltag nervig werden. Viele suchen dazu eine Alternative. Zusammenwohnen mit Menschen, die man mag. Tips Teil 2: was zu bedenken ist.
Unbezahlbar – aber nicht teuer
Wer eine neue Bleibe sucht, hat zwei Möglichkeiten: mieten oder kaufen. Egal wie er oder sie sich entscheidet, immer gibt es ein Problem. Mit Glück sind die Nachbarn nett, und man kann sich gut mit ihnen verstehen. Mit Pech gibt’s Probleme. Deswegen legen in Hamburg immer mehr Menschen großen Wert auf gute Nachbarschaft – schon bevor sie zusammenleben. „Geht nicht!“ sagen viele. „Geht doch!“ Denn dafür gibt’s Beweise. Gut 100 Wohnprojekte in Hamburg zeigen: Gute Nachbarschaft ist unbezahlbar – aber nicht teuer.
Gleich oder verschieden?
Schauen wir uns um, dann sehen wir: In Wohnprojekten herrscht eine große Vielfalt. Es gibt Wohngruppen, die bestehen nur aus Männern oder nur aus Frauen, bei anderen leben vorrangig jüngere Menschen in Familien mit ihren Kindern.
Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Wohnprojekten: Bei dem ersten Typ bleiben Personen mit gleichen Lebenslagen unter sich. Bestes Beispiel: Das Wohnprojekt, in dem nur (alleinerziehende) Frauen wohnen. Andere setzen sich aus verschiedenen Gruppen zusammen: z.B. Wohnprojekte für jung und alt oder für Behinderte und Nichtbehinderte.
Für beide Typen von Wohnprojekten kann es gute Gründe geben. Wichtig ist, dass man/frau sich rechtzeitig Gedanken darüber macht, mit wem das gemeinsame Projekt geplant werden soll. Das tut sich am besten, bevor das eigentliche Planen von Grundrissen beginnt und bevor Tag für Tag neue Entscheidungen wegen unaufschiebbarer Sachzwänge zu treffen sind.
Nachbarschaftlich, was heißt das konkret?
Wer nachbarschaftlich wohnen will, sollte auch bedenken, ob und gegebenenfalls wieviel Raum für gemeinschaftliche Zwecke benötigt wird. Soll es einen gemeinschaftlich genutzten Raum geben – und wenn ja, wie werden die Kosten dafür umgelegt?
Überhaupt gibt es auch sonst viel Grundlegendes zu überlegen: Ob es einen gemeinsamen sozialen Nenner, z.B. Kinder, geben soll, ob eher verschiedene Haushaltstypen im Wohnprojekte leben sollten, wie es mit der Integration von Menschen bestellt ist, die benachteiligt sind, wie innerhalb der Gruppe mit gravierenden Einkommensunterschieden umgegangen werden soll usw. Kurzum, die Gruppe, die später zusammenleben will, sollte sich auf soziale Grundgedanken einigen, auch wenn sich in der Praxis zeigt, dass getroffene Entscheidungen manchmal auch wieder verändert werden müssen.
Wohnen und arbeiten?
Heutzutage denken viele daran, Wohnen und Arbeiten stärker miteinander zu verbinden. Sie wollen, dass es auch Arbeitsmöglichkeiten in ihrem Wohnprojekt gibt: Büroräume in den zum Wohnen oft unattraktiven Erdgeschoßzonen oder in der eigenen Wohnung. Je mehr Arbeiten von einem Computerarbeitsplatz verrichtet werden können, desto einfacher sollte das sein. Aber leider stehen dem heute die Finanzierungsbedingungen für öffentlich geförderten Wohnraums entgegen. In der Regel gibt es keine Förderung für Gewerberäumlichkeiten – mit der Konsequenz, dass Räume zum Arbeiten sehr teure Mieten hätten, wenn sie frei finanziert errichtet werden.
Manchmal möchten Wohngruppen auch stärker mit ihrem neuen Stadtteil zu tun haben: Sie wünschen sich halboffene Räumlichkeiten für Begegnungen, Info-Treffs, Nachbarschaftscafés, Food-Coops, vielleicht auch einen richtigen Veranstaltungsraum.
Alles öko oder was?
Anders wohnen heißt auch, sich kritisch mit Baustoffen und ihren Gesundheitsrisiken auseinandersetzen. Klar ist: Wir wissen mehr über gesundheitsschädigende Stoffe und niemand will, wenn er schon selbst mitentscheiden kann, mit mehr Schadstoffen als unbedingt nötig im Wohnbereich leben. Aber was heißt das konkret?
Jede Gruppe sollte sich bestens darüber informieren (lassen), welche Baustoffe sie verwenden will, angefangen bei Dämm- über die Bodenbelagsmaterialen bis hin zu den Farben, mit denen Heizkörper, Wände und Türen angestrichen werden. Zusätzlich gilt es, Fragen grundlegender Reichweite zu beantworten: Regen- oder Mehrfachwassernutzungsanlagen, Konventionell-, Grün- oder Solardach, Niedrig- oder Passivenergiestandard oder bei größeren Wohnanlagen Blockheizkraftwerk.
Und immer ist dabei zu berücksichtigen: Wünschen kann man sich alles – realisieren aber meist nur das, was innerhalb der öffentlichen Förderung anerkannt wird. Und da sind die Grenzen eng. Also: Gute Beratung ist auch hier die halbe Miete.
Josef Bura ist Mitarbeiter der STATTBAU Hamburg
Zuerst veröffentlicht: Freihaus 4(1999), Hamburg