Wohnraumversorgung für psychisch erkrankte Menschen verbessern
*** von Thomas Gutierrez ***
Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder seelischen Behinderung haben es besonders schwer, eine eigene Wohnung oder einen Wohngemeinschaftsplatz zu finden. Auf dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt ist ihre Erkrankung häufig ein weiteres Hindernis. Die in der Arbeitsgemeinschaft Rehabilitation Psychisch Kranker Menschen in Hamburg (siehe Kasten unten) zusammengeschlossenen Träger wollen diese Situation verändern.
Die Träger der AG Reha erfahren schon seit längerer Zeit, dass es für psychisch erkrankte Menschen enorm schwierig ist, eine eigene Wohnung oder einen Wohngemeinschaftsplatz zu finden und sie selbst in ihren Bemühungen, für Klienten und Rehabilitanden Wohnraum zu besorgen, an Grenzen stoßen. Diese Erfahrung machen auch andere Dienste gleichermaßen, deren KlientInnen keine langfristige Betreuung brauchen, aber eine eigene Wohnung, um z.B. unabhängig von der elterlichen Wohnung auf eigene Füße zu kommen.
Große Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt in Hamburg hat sich in letzter Zeit für diese Menschen sogar dramatisch verschlechtert. Dies liegt zum einen daran, dass das Angebot sowohl von Ein-Zimmer-Wohnungen als auch von großen Wohnungen mit mehr als fünf Zimmern ohnehin relativ knapp ist. Beide Wohnungskategorien sind aber für die häufig allein stehenden Klienten besonders attraktiv, sei es, dass sie alleine leben möchten, sei es, dass sie ein Zimmer in einer betreuten Wohngemeinschaft benötigen.
Erschwerend kommt hinzu, dass viele der Betroffenen in der Höhe klar begrenzte Sozialleistungen erhalten, sie deshalb auf möglichst günstige Wohnungen oder WG-Zimmer angewiesen sind und damit das Angebot geeigneter Wohnungen weiter schrumpft.
In der Betreuung und Behandlung von Menschen mit psychischer Erkrankung und seelischer Behinderung spielt das Thema Wohnen aber eine wesentliche, auch konzeptionelle Rolle, um Rehabilitations- und Teilhabeziele zu erreichen und Erfolge dauerhaft zu sichern.
Um die Versorgung ihrer Klienten mit geeigneten Wohnungen zu verbessern haben die Träger der AG Reha im vergangenen Jahr einen Beratungsvertrag mit der STATTBAUHamburg GmbH geschlossen. Eine Steuerungsgruppe der beteiligten Träger koordiniert konkrete und vielfältige Aktivitäten, die zum Teil aufeinander aufbauen, zum Teil auch parallel verfolgt werden. Eine der wichtigsten Überlegungen der Träger geht dahin, eine gemeinsame Wohnungsbaugesellschaft zu gründen. Dort ließe sich das Ziel der Versorgung psychisch kranker Menschen mit geeignetem Wohnraum direkt und in Eigenverantwortung organisieren.
Informationen
Die AG Rehabilitation Psychisch Kranker Menschen in Hamburg (kurz: AG Reha) ist ein Trägerzusammenschluss von psychosozialen und rehabilitativen Einrichtungen zur Förderung der sozialen und beruflichen Integration psychisch beeinträchtigter Menschen. Ihr Anliegen ist es, die Lebenssituation von Menschen mit psychischer Behinderung nachhaltig zu verbessern.
Eine Erhebung des Wohnungsbedarfs liefert die Grundlage für ein Konzept der Wohnungsversorgung
Wer mehr geeignete Wohnungen fordert und wer möglicherweise selbst welche bauen möchte, muss sagen wie viele und für wen er sie benötigt. Eine Bedarfserhebung war deshalb ein wesentlicher und notwendiger Schritt. Sie wurde 2008 im Auftrag der Steuerungsgruppe von der Stattbau Hamburg GmbH durchgeführt. Neben einer Analyse der Entwicklung des Hamburger Wohnungsmarktes und der Gründe für Zugangsbarrieren für Menschen mit psychischer Erkrankung liefert die Erhebung Zahlen zum Wohnraumbedarf. Dazu wurden die Einrichtungen der AG Reha zum aktuellen und erwarteten Bedarf abgefragt.
Ein insgesamt angespannter Wohnungsmarkt, so ein wenig überraschendes Ergebnis, trifft auf die allgemeine Zunahme der Nachfrage nach preiswertem Wohnraum und auf eine Zunahme der Haushalte.
Aktuell fehlt bei den befragten Trägern Wohnraum für etwa 250 Personen, die betreut werden. Die Anzahl psychisch erkrankter Menschen, die aus Kliniken und Justizvollzugsanstalten entlassen werden oder die unzureichend in Privathaushalten untergebracht sind und geeigneten Wohnraum suchen, wird auf 250 geschätzt. Insgesamt geht man derzeit also von 500 Personen aus, die passenden Wohnraum suchen.
Vielfältige Handlungen, ein Ziel
Die Ergebnisse aus der Erhebung geben einen allgemeinen Hinweis, wie viele und welche Wohnungen benötigt werden. Sie sind Grundlage für umfassende sozialpolitische Aktivitäten im Bereich der Wohnraumversorgung psychisch kranker und seelisch behinderter Menschen: Soziale Bauherren finden oder aufbauen, neue Finanzierungs- und Fördermittel entwickeln, mit städtischen und gemeinnützigen Wohnungsunternehmen kooperieren, integrative Baugemeinschaften unterstützen, dies sind nur einige von vielen Ideen, die weiter entwickelt werden müssen.
Mit diesen Aktivitäten möchte die AG Reha mittelfristig eine deutliche und spürbare Verbesserung bei der Wohnungsversorgung erreichen. Soll dies gelingen, müssen möglichst viele Akteure eingebunden werden. Denn eine Wohnungsbaugesellschaft der Reha-Träger allein wird nicht ausreichen, den hohen und weiter steigenden Wohnraumbedarf zu decken.
Es ist wichtig, Fachöffentlichkeit ins Boot zu holen
Deshalb sollen die unterschiedlichen Akteure, z.B. Fachbehörden und Politik, aber auch Vertreter der Wohnungswirtschaft sowie weitere Organisationen und Verbände – wie etwa der Angehörigen- und Betroffenenverband – mit ins Boot geholt werden. Um miteinander ins Gespräch zu kommen, fand am 10. Dezember 2008 in Hamburg erstmalig eine Tagung zur Wohnraumversorgung psychisch kranker Menschen statt. Veranstaltet wurde diese Tagung von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in Kooperation mit dem Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V. (VNW), der AG Reha – AK Gemeindepsychiatrie, dem Verein Irre menschlich e.V., dem UKE und der STATTBAU Hamburg GmbH.
Diese Tagung mit dem Titel „Jede Seele braucht eine Wohnung“ richtete sich an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Wohnungswirtschaft, Psychiatrie, der psychosozialen Versorgung sowie der Fachbehörden und Bezirksämter. Sie wurde im Nachhinein als „Meilenstein“ in der Anbahnung des Gesprächs zwischen den beteiligten Akteuren bezeichnet und hat wesentlich zu einer Veränderung der Wahrnehmung des Themas vor allem in der BSU beigetragen. Vor allem die Gestaltung der Arbeitsgruppen, in denen Betroffene und Angehörige mit Vertretern der Wohnungswirtschaft ins Gespräch kommen konnten, haben viel zum gegenseitigen Verständnis beitragen.
Weitere Zusammenarbeit geplant
Auf lokaler Ebene soll nun im Anschluss auf sogenannten Regionalkonferenzen weiter gearbeitet werden. Viele Akteure auf ein gemeinsames Ziel zu verpflichten, ist nicht einfach. Deshalb ging es bei der 1. Regionalkonferenz Hamburg Nord am 6. April zunächst darum, Berührungsängste abzubauen, ein gemeinsames Problemverständnis zu finden und sich auf erste konkrete Schritte der Zusammenarbeit zu einigen. Den Anfang, so ein Tagungsergebnis, bildet dabei die Beratung der Wohnungswirtschaft zum Umgang mit auffälligen psychisch erkrankten Mietern und eine Fortbildung zu psychischen Erkrankungen durch den Verein Irre menschlich im Rahmen des Bildungsprogramms des VNW.
Ob daraus eine kontinuierliche Zusammenarbeit erwächst, die die Handlungsansätze zur Verbesserung der Wohnraumsituation aufgreift, entwickelt und erfolgreich umsetzt, wird sich zeigen. Die Atmosphäre auf den beiden Treffen, die Verabredung, zwei Mal im Jahr eine Regionalkonferenz zu veranstalten und in der Zwischenzeit mit konkreten Handlungen zu beginnen, lassen aber hoffen. Zum Wohle psychisch erkrankter und seelisch behinderter Menschen.
Thomas Gutierrez ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung Freundeskreis Ochsenzoll
zuerst veröffentlicht: FreiHaus 16(2009), Hamburg