*** von Anton & Joachim Reinig ***
Malte ist 15 und hat einen 200 MHz Prozessor. Anton ist 14 und hat einen 233 MHz Prozessor. Steffen ist 14 und hat einen 166 MHz Prozessor. Paul ist 16 und hat einen 200 MHz Prozessor.
Sie alle wohnen im Drachenbau. Seit Januar sind sie vernetzt. Es ging ganz einfach: Netzkarte kaufen, 50 m Koaxialkabel über die Fassade hochziehen, über das Gründach und auf der anderen Seite wieder runter verlegen, Fensterrahmen anbohren und Stecker und Weichen anbringen. Ein Vater hilft beim Konfigurieren – geschafft!
Die Spiele laufen: Command & Conquer („Mission CD 2: Der Vergeltungsschlag“), Dungeon Keeper, Schatten über Riva, Diabolo und wie sie alle heißen. Der große Vorteil: Jeder kann in seinem Zimmer sitzen bleiben und muß nicht mehr ein Geschoß hoch oder runter laufen. Neben einem sitzen nur noch die Freunde, die keinen Computer im Haushalt haben. Die Telefonrechungen steigen: Natürlich muß sich telefonisch verabredet werden, wann es los geht oder sich informieren, daß die schlimmsten Monster jetzt in Level 16 sitzen.
Aber viele Programme können auch chatten (neudeutsch plaudern). Das liest sich dann so:
Bruce (Lvl.20): hallo
Thraka (Lvl.23): hi
Olbait (Lvl.19): runter ?
Bruce (Lvl.20): klar
Thraka (Lvl.23): in welches level ?
Bruce (Lvl.20): ins 9.
Olbait (Lvl.19): erst mal ins 5.
Olbait (Lvl.19): lass
Thraka (Lvl.23): ok
Bruce (Lvl.20): wo seit ihr ?
Olbait (Lvl.19): wir warten beim Eingang
Player „Hulk“ is ready to join the game
Hulk (Lvl.21): hi
Bruce (Lvl.20): hi
Olbait (Lvl.19): hallo usw.
Harmlose Spielerei ? Spielerei: ja, Harmlos: na, ja.
Natürlich freuen sich alle Viren über Vernetzung. Nach einer Woche war Antons Computer befallen. Über Diskette gings zu Plan -R-, dann zusammen mit der Baubeschreibung Autofrei Wohnen Saarlandstraße ins Büro D + R, die fatalerweise vergaßen, die Diskette abends aus dem Laufwerk A: rauszunehmen. Beim Starten am nächsten Morgen zerschoß der Virus Typ B dann den Bootsektor und der Computer war vier Wochen lahmgelegt. Immerhin, der Bauantrag war schon raus…
Bei dieser Gelegenheit wurden in mehreren Büros die Anti-Virenprogramme aktiviert. Also: Wenn Wohnprojekte und ihre Aktivisten ständig von Vernetzung reden, sollten sie sich möglicher Folgen bewußt sein.
„Vernetzung“ hat für alle unsere Kids eine große Bedeutung. Als kürzlich Ulla ihren 21. Geburtstag feierte, waren etwa 20 Freunde und Freundinnen zu Gast – mit etwa 10 Handys – das war ein Gepiepse! „Ich bin hier, wo bist Du?“ (oft nur ein Raum weiter).
Die Kommunikation in Wohngruppenprojekten steigt zunehmend: Anfangs noch auf den Vollversammlungen, dann nachbarschaftlich in den Treppenhäuser, schließlich über die Telefone. Klug die Projekte, die eine ISDN-Anlage installiert haben: Interne Gespräche sind kostenlos. Um die nachträgliche Installation von Computer- oder Telefonleitungen zu vermeiden, empfehlen wir inzwischen, jedes Zimmer einer Wohnung mit einer Datenleitung zu versehen, die zu einem zentralen Punkt in der Wohnung läuft. Eine 8-polige Leitung hält die Optionen für Telefon, ISDN und Computer offen.
Man spart einige Stolperkabel und die Fensterrahmen werden nicht so stark durchlöchert.
Anton und Joachim Reinig sind Bewohner des Wohnprojektes Drachenbau in St. Georg
Zuerst veröffentlicht: Freihaus 2(1998), Hamburg