*** Von Britta Becher ***
Frauen formulieren zunehmend eigene Interessen an neue gemeinschaftliche Wohnformen, die über das von Virginia Wolff geforderte Zimmer hinausgehen. Hintergrund sind frauenspezifische Anforderungen an Wohnraum, Gestaltung der Stadt und Umwelt. Es gibt zahlreiche Frauen, die in gemischten Projekten wohnen (wollen), aber auch Frauen mit anderen Wohninteressen. Lesben z.B. wollen mit anderen Lesben oder Alleinerziehende mit anderen Alleinerziehenden zusammenwohnen. Ältere Frauen wollen sich zu einem Projekt zusammenschließen. Frauen wollen sich einfach mit anderen Frauen vernetzen, um ein gemeinsames Projekt zu realisieren.
Frauenprojekte zwischen Selbstversorgung und Wohnungspolitik
In den letzten Jahren sind in Hamburg und vielen anderen Städten Projekte entstanden (und in Planung), die ihren Nutzerinnen sicheren Wohnraum innerhalb eines nachbarschaftlichen Umfelds bieten. Häufig sind flexible Wohn-Räume entstanden, die Veränderung innerhalb von Projekten zulassen.
Bei Projekten der Selbstversorgung und Selbstverwaltung sind deren Nutzerinnen Akteurinnen des gesamten Planungs- und Bauprozesses: von der Grundstückssuche, über Planung und Finanzierung bis hin zu Bewirtschaftung und Vermietung. Andere Wohnprojekte und Genossenschaften wurden von engagierten Frauen initiiert, um Wohnungen und Freiräume für Frauen zu schaffen. Frauen haben sich lange Zeit schwer getan, besondere Wohn-Bedürfnisse öffentlich zu formulieren. Sicher gab es diese Bedarfe auch schon vorher. Sie wurden aber mangels Aussicht auf Realisierung nicht geäußert. In den Hamburger Neubau-Projekten sind Frauen mehrheitlich beteiligt. Zudem gibt es eine relativ hohe Anzahl von Frauenprojekten. Bei den Wohnprojekten, die in sanierten Altbauten entstanden sind, sind vergleichsweise weniger Frauen aktiv, noch weniger Frauen mit Kindern. Hier wäre es spannend, die Gründe genauer zu erforschen.
Allein aber nicht einsam
Verschiedene Gründe, die sich aus dem Lebensalltag von Frauen ergeben, sprechen für gemeinschaftliche Wohnformen: Veränderte Lebensweisen und der Wunsch nach selbstbestimmtem Leben brauchen Raum. Immer mehr Frauen leben längere Zeit in ihrem Leben ohne Familie: als Singles, als alte Frauen, als Lesben. Oder sie leben mit Kindern, ohne sich an einen Mann zu binden. Hieraus entsteht der Wunsch nach gemeinschaftlichen Wohnformen.
Die verschiedenen Nutzerinnengruppen haben durchaus unterschiedliche Wohnbedürfnisse. Gemeinsam ist allen das Bedürfnis nach Kontakt und Kommunikation und der Wunsch mit Leuten zusammenzuleben, die die gewählten Lebensweisen teilen oder ihnen zumindest offen gegenüberstehen. In den meisten Projekten entsteht so ein alltäglicher Wohnzusammenhang, der Bedürfnisse nach Nachbarschaft, Unterstützung im Alltag etc. ebenso berücksichtigt wie Distanz und Eigenständigkeit.
Normale Wohnungen passen nicht
Die standardisierten Wohnungsgrundrisse legen Wohnverhalten fest, das den heutigen Anforderungen unterschiedlicher Lebensformen nicht mehr entspricht. Familien, Wohngemeinschaften, Alleinerziehende, berufstätige Paare, Kinder und Jugendliche stellen heute Anforderungen an Wohnraum, die die herkömmlichen, für traditionelles Familienleben gebaute Wohnungen nicht hergeben: z.B. Wohnküchen, gleich große Zimmer, das Vorhandensein von Arbeitszimmern, Gemeinschaftsräumen, Gästeappartements und Treppenhäusern, in denen auch gelebt werden kann.
In „traditionellen“ Planungen beispielsweise ist das Schlafzimmer oft groß und hell, wo es i.d.R. nur abends genutzt wird, während die meist kleine Küche nach Norden ausgerichtet und als reiner Arbeitsplatz entfernt vom Leben in der Wohnung gelegen ist. Das Wohnzimmer ist meist riesig und das Kinderzimmer winzig klein. In diesen Grundrissen versuchen sich Alleinlebende, Wohngemeinschaften und Alleinerziehende mühsam einzurichten. Hier sind die Wohnprojekte TrägerInnen und UmsetzerInnen von neuen und zukünftig gesellschaftlich relevanten Wohn-Bedürfnissen.
Langfristig sicherer Wohnraum
Selbstverwaltete Wohnprojekte bieten ihren BewohnerInnen Schutz vor den Risiken des Wohnungsmarktes z.B. vor Eigenbedarfskündigungen, renditebestimmten Mieterhöhungen, Luxusmodernisierungen etc. Frauen verdienen durchschnittlich immer noch rund 1/3 weniger als Männer, so daß sie besonders auf preiswerten und sicheren Wohnraum angewiesen sind. Dem steht leider in selbstorganisierten Wohnprojekten die Erfordernis entgegen, das für den Bau notwendige Eigenkapital einzubringen. Für Frauen mit niedrigem Einkommen ist das besonders schwierig bis unmöglich.
Eine Hamburger Frauen-Wohnungsbaugenossenschaft?
Ob Frauen sich auf historische Vorbilder wie die Beginen des Mittelalters berufen, die utopischen Sozialistinnen des 19. Jahrhunderts oder einfach nur mit anderen Frauen wohnen wollen, die Nachfrage ist groß und ich frage mich, ob nicht die Gründung einer Frauenwohnungsbaugenossenschaft als Dach für viele Frauenprojekte in Hamburg an der Zeit wäre.
Britta Becher ist Mitarbeiterin der STATTBAU HAMBURG GmbH, Mitfrau bei FOPA Hamburg e.V., Feministische Organisation von Planerinnen und Architektinnen
Zuerst veröffentlicht: Freihaus 2(1998), Hamburg