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Artikel Wohnprojekte Hamburg

Gemeinsam statt einsam – auch für Eigentümer


*** Persönlicher Bericht von Beate Christians ***

Besuche bei Drachenbau und im Pantherhaus St. Georg gaben den letzten Anstoß. Wir wollten nicht in die Zweierkiste ziehen, sondern gemeinsam mit anderen ein Wohnprojekt aufbauen. So fing eine ziemlich lange Geschichte an, die uns in ein Wohnprojekt führte.

Am Anfang stand die Ernüchterung

Kontakte auf dem monatlichen „Neubauplenum“ zu knüpfen, war vor ein paar Jahren nicht schwer. Ziemlich schnell kam die Ernüchterung: Für ein Wohnprojekt im sozialen Wohnungsbau müssen Frau und Mann 20% Eigenkapital aufbringen – aber sie dürfen nicht viel verdienen. Weil der Rest von der Wohnungsbaukreditanstalt (WK) finanziert wird, werden die Wohnungen als Sozialwohnungen vergeben. Unser beider Einkommen war zu hoch und beide auf Halbtagsstelle zu gehen, war nicht möglich.

Auf der Suche nach Alternativen

Der Traum vom Wohnprojekt schien ausgeträumt und die Realitäten des Hamburger Miet- und Eigentumswohnungsmarkts waren ernüchternd genug. Dann hörten wir vom Modellprojekt „autofreies Wohnen“ an der Saarlandstraße zwischen Barmbeker Stichkanal und Osterbekkanal.

In dieser Siedlung werden zwei Gruppen in Selbstorganisation bauen – die Genossenschaft ‘Wohnwarft’ 30 Wohnungen und der ‘Barmbeker Stich’ 18 Eigentumswohnungen. Autos haben wir beide nie besessen. Auch in Zukunft können wir unsere Freizeitmobilität gut mit Rad, Bahn und per pedes verwirklichen. Für die Wege zur Arbeit gibt es Fahrrad und den HVV. Ein innenstadtnahes Wohnumfeld ohne zugeparkte Fußwege scheint uns ideal.

Seit über zwei Jahren dabei

Inzwischen arbeiten wir seit 2 ½ Jahren im Barmbeker Stich mit – einer Gruppe von sehr unterschiedlichen Menschen, nicht nur was das Alter betrifft. Unser jüngstes Mitglied hat gerade das Licht der Welt erblickt, unsere Seniorin nutzt ihre freie Zeit als Rentnerin, um in der Baugruppe mitzuarbeiten.

Schon früh im Planungsprozeß haben die Gruppenmitglieder entschieden und bei den Behörden durchgesetzt, daß wir nicht von fremden Investoren kaufen, sondern selbst bestimmen werden, wer unser Architekt sein und wer die finanzielle Baubetreuung machen wird. Der Schreck jedoch war groß, als wir feststellen mußten, daß diese Entscheidung für uns alle gesamtschuldnerische Haftung bedeutet. Bei einem Gesamtvolumen von mehreren Millionen Mark kein Pappenstiel. Neu zu gründende Genossenschaften haben klare Vorgaben durch das Genossenschaftsrecht. Wir jedoch konnten nicht von den Erfahrungen bereits realisierter Wohnprojekte in Eigentumsform profitieren.

Gründung einer Personengesellschaft (GbR)

In einem mühsamen Prozeß haben wir schließlich einen Gesellschaftsvertrag formuliert und eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet. Dieser Vertrag soll die Autofreiheit des Projektes garantieren, die finanziellen Risiken für die Gruppe bei Ausstieg eines Mitglieds während der Planungs- und Bauphase minimieren und den Weiterverkauf von Wohnungen aus Vermarktungsinteresse während der Wohnphase verhindern helfen.

Mittlerweile hat der Architekt Joachim Reinig unsere vielfältigen Wohnträume in bauantragsreife Pläne umgesetzt. Stattbau ist für die finanzielle Baubetreuung beider Gruppen beauftragt, der Bauantrag gestellt und im Herbst wird der erste Spatenstich gemacht. Die vielen Interessierten an unserem Projekt zeigen, daß es genug Menschen gibt, für die ein Wohnprojekt in Eigentumsform die Chance bieten kann, selbstbestimmt und gemeinschaftlich wohnen zu können. […]

Beate Christians ist Mitglied im Wohnprojekt Barmbeker Stich

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 2(1998), Hamburg