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Artikel Literaturhinweis Wohnungspolitik

Ausverkauf der Wohnungswirtschaft

wohnbund-Informationen

*** von Reiner Schendel ***

Der wohnbund hatte im Mai 2006 in München zu einer Tagung mit dem Titel „Ausverkauf der Wohnungswirtschaft“ eingeladen. Um die politisch Verantwortlichen zu einem Umdenken zu bewegen, wurde aufgezeigt, mit welchen Auswirkungen bei dem massenhaften Verkauf von kommunalen – und Wohnungsunternehmen in öffentlicher Hand an private Finanzinvestoren zu rechnen ist.

Die prognostizierten Auswirkungen vollzogen sich schleichend und auch nicht überall in gleicher Weise. Das führte auch dazu, dass immer wieder beschwichtigt wurde, dass es doch gar nicht so schlimm sei und es wurde auch kein Handlungsbedarf gesehen. Im Gegenteil, es wurde weiter verkauft, um kommunale Haushalte vermeintlich zu sanieren.

Die Arbeitsgruppe Wohnungspolitik im wohnbund hatte nach der Veranstaltung von 2006 mehrfach das Thema intern diskutiert und einen Aufhänger gesucht, den dringenden Handlungsbedarf öffentlich zu machen. Dieser Aufhänger wurde – leider sehr spät – mit dem Ende der Enquetekommission in NRW gefunden und am 5. Februar 2013 wurde zum wohnbund-Fachgespräch nach Dortmund eingeladen.

Je nach Bestand und Strategie der Investoren wurden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Aber die grundsätzliche Linie zur Maximierung der Rendite ist durchgängig beibehalten und umgesetzt worden:

  • Mieterhöhungen
  • extreme Rationalisierung der Verwaltung (teilweise keine Erreichbarkeit mehr)
  • Optimierung von Instandhaltungsbudgets (bis zur vollständigen Aufgabe)
  • Modernisierung sofern Mieterhöhungen umsetzbar
  • teilweise Umwandlung in Eigentumswohnungen und Verkauf
  • Weiterverkauf von Teilbeständen

Es ist nicht mehr zu übersehen, dass sogenannte Schrottimmobilien verbrannte Erde bedeuten oder das vom weiter gezogenen Heuschreckenschwarm der strategischen Finanzinvestoren hinterlassene abgefressene Feld.

wohnbund-Informationen 1–2/2013, Fachgespräch zum Ausverkauf der Wohnungswirtschaft

Das wohnbund-Info dokumentiert die Beiträge des Fachgesprächs von einem Statusbericht des Leiters des Dortmunder Wohnungsamtes Herrn Thomas Böhm über die Darstellung der Geschäftsmodelle der Finanzinvestoren von Dr. Ing. Kristin Klaudia Kaufmann vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) zu unterschiedlichen Lösungsmodellen zum organisatorischen und finanzwirtschaftlichen Umgang mit „Schrottimmobilien“, von Prof. Dr. rer. pol. Stefan Kofner von der Hochschule Zittau/Görlitz und Jan Kuhnert geschäftsführender Gesellschafter der KUB Kommunal- und Unternehmensberatung GmbH (beide als Sachverständige Mitglieder der Enquetekommission) und einer politischen Bewertung durch Dr. phil. Andrej Holm von der Humboldt-Universität zu Berlin Institut für Sozialwissenschaften Stadt und Regionalsoziologie.

Ergänzt wurde das Heft mit Beiträgen zu einem Alternativmodell Boden AG von Wolfgang Kiehle für die Enquetekommission, einem Beitrag zu Möglichkeiten der Mieter von Rainer Stöcker Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes und als Sachverständiger Mitglied der Enquetekommission, einem Artikel zur Rolle und zu Handlungsmöglichkeiten der Kommunen von Michael Schleicher (ehemaliger Leiter Wohnungsamt Köln und mit einem Abschnitt zur Enquetekommission, mit einem Beitrag von Daniela Schneckenburger MdL und Vorsitzende der Enquetekommission sowie einer Zusammenstellung von Jan Kuhnert der Handlungsempfehlungen der Enquetekommission mit Abdruck der einstimmigen Empfehlungen der Sachverständigen.

Damit bietet der wohnbund ein sehr umfassendes Werk zu diesem aktuellen Thema, um allen Interessierten die Gelegenheit zu geben, sich mit dem Thema auch tiefer gehend zu beschäftigen. Denn es ist keineswegs so, dass inzwischen überall im Bund, den Ländern und den Kommunen angekommen ist, dass die Privatisierung der Wohnungsbestände – unabhängig davon, ob mit den Erlösen eine Haushaltskonsolidierung verbunden war – ein großer Fehler war.

Die Arbeitsgruppe Wohnungspolitik im wohnbund hält es darüber hinaus für dringend angezeigt, dass eine Renaissance der Wohnungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland erforderlich ist. Die Analysen der Finanzinvestoren, die zu den massenhaften Aufkäufen von Wohnimmobilien geführt haben basieren auf vollkommen richtigen Annahmen und Beobachtungen und die aktuellen Wohnungsprobleme in Ballungsräumen sind Teil dieser dann eingetretenen und auch ausgeschlachteten Entwicklung. Berlin gilt inzwischen als eine der ersten Adressen in Europa für Finanzanlagen im Wohnimmobilienbereich mit hohen Renditeerwartungen. Dieses Zeichen einer wirtschaftlichen Stärke sollte uns aber eher beunruhigen, da es die Preiserhöhungsspirale und damit die Verschärfung der Probleme enorm anheizen wird. Ähnliches gilt auch für die meisten anderen Ballungsräume. Aber auch stagnierende und schrumpfende Regionen haben große Probleme mit der angemessenen Wohnraumversorgung ihrer Bevölkerung – hier bleiben notwendige Investitionen aus und ein sich stetig verschlechternder Bestand ist die Folge.

Wir plädieren für eine Diskussion über wohnungspolitische Rahmenbedingungen von Bund, Ländern und Kommunen und über die Umsetzung konkreter Einzelmaßnahmen vor Ort, damit ein Recht auf Wohnen umsetzbar ist. Gerne stehen wir auch für Gedankenaustausch und Stellungnahmen auf Veranstaltungen zur Verfügung. Wir brauchen mehr öffentlich spürbaren Druck, um (wieder) zu einer aktiven, sozial orientierten Wohnungspolitik zu kommen.

Reiner Schendel ist im Vorstand des wohnbund e. V. und in der Arbeitsgruppe Wohnungspolitik aktiv.

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 19(2013), Hamburg