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Architektur/Planungskultur Artikel Wohnprojekte Hamburg

Autofrei – Spielfläche statt Parkplätze

*** von Josef Bura ***

Ca. 40 % aller Haushalte in Hamburg besitzen kein eigenes Auto. So ist die Idee nicht verwunderlich, ein Wohnprojekt zu starten, in dem die Bewohnerlnnen ohne Auto auskommen. Die Autofreiheit bedeutet hier nicht die Verdrängung des Autos an den Rand des Wohnumfeldes, sondern den vertraglichen Verzicht der Bewohnerinnen auf ein eigenes Fahrzeug.

Die Siedlung an der Saarlandstraße ist Hamburgs erste autofreie Wohnanlage. Der 2001 fertiggestellte erste Bauabschnitt umfasst architektonisch interessante und individuell geplante viergeschossige Mehrfamilienhäuser mit Staffelgeschoss und insgesamt 111 Wohneinheiten. Vier Eigentümer haben zusammen geplant. Jetzt wohnen dort neben Mietern einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft drei Wohngruppen, die sich seit Anbeginn an der Planung und Realisierung ihres Bauvorhabens beteiligt haben und ihre Wohnhäuser selbstverwalten. Mit dem zweiten Bauabschnitt und damit verbunden mit weiteren selbstorganisierten Wohnprojekten wird 2004 begonnen werden.

Eigentümer und Nutzer planen gemeinsam

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GWG Hamburg, die Leben mit Behinderung GmbH, die Autofreie Wohnungsbaugenossenschaft Wohnwarft und die Wohnungseigentümergemeinschaft Barmbeker Stich WEG ohne Auto fungieren bei diesem Projekt als Bauherren und Eigentümer. Konzipiert und getragen wurde das Projekt vom Verein für Autofreies Wohnen.

Die zukünftigen Nutzerlnnen diskutierten, planten und organisierten fünf Jahre, bis im März 2000 die ersten Wohnungen bezogen werden konnten.

Mit Ausnahme des Gebäudes der GWG entstanden die Häuser unter Begleitung von STATTBAU und intensiver Beteiligung der zukünftigen Bewohnerlnnen. Sämtliche Grundrisse wurden nach individuellen Bedürfnissen entwickelt. Durch den enormen persönlichen Einsatz konnte hier ein Vielfaches an Wohnqualität erreicht werden. Weiterhin konnten durch die Ausschaltung von professionellen Bauträgern, durch kostengünstiges Bauen, niedrige Bodenpreise und Selbsthilfe Baukosten realisiert werden wie sonst nur im Umland. So ist ein Wohnprojekt entstanden mit ansprechender Architektur, phantasievollen Freiflächen und multifunktionalen Gemeinschaftsräumen.

Autofrei – wie funktioniert das?

Jede Mietpartei hat sich per Mietvertrag für den Verzicht auf ein eigenes Auto entschieden. Interne Regelungen sorgen für ein Einhalten der Verpflichtung. Jeder Autohalter muss 8.000 € auf ein Sperrkonto einzahlen, ein Betrag, der nach Abschaffung des Autos zurückgezahlt wird. Sollten 50 Prozent der Bewohner ein Auto besitzen, gilt das autofreie Projekt als gescheitert. In diesem Falle muss die Stellplatzabgabe in Höhe von 8.000 € je Auto an die Stadt Hamburg gezahlt werden. In unmittelbarer Nähe des Wohnquartiers befinden sich zwei Stellplätze von Stattauto. Der Charakter der autofreien Siedlung ist in den Außenanlagen sehr gut ablesbar. Anstelle von asphaltierten Zufahrten und Blechwüsten beherrschen belebte Freiflächen mit Kinderspielhügel, Baskettball- und Volleyballfeld das Bild.

Ökologische Ausrichtung

Besonders am Herzen lag allen NutzerInnen auch die ökologische Ausrichtung des Projektes. Sämtliche Gebäude wurden in Niedrigenergiebauweise errichtet, es gibt sehr wenig versiegelte Flächen. Für Energie sorgt ein Blockheizkraftwerik, an dessen System sich die GWG leider nicht beteiligt, die Waschmaschinen werden mit Regenwasser betrieben und auf dem Dach sind Fotovoltaikanlagen installiert.

Weil Stellplätze wegfielen, haben Kinder mehr nutzbare Freiflächen. Ungestört von Kraftfahrzeugen sind die Grundstücke von Kindern bespielbar. Die zentrale Lage und die hervorragende Erschließung durch den öffentlichen Personennahverkehr gewährleisten Mobilität – auch ohne Auto.

Das Projekt ist ein Modell für lebendige Urbanität: innovativ, sozial ausgerichtet, ökologisch und ökonomisch tragfähig.

Dr. Josef Bura ist Mitarbeiter von STATTBAU HAMBURG

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 8(2002), Hamburg