*** von Sabine Stövesand ***
Wohnprojekte sind elitäre Veranstaltungen, in denen wenige Gleichgesinnte und Besserverdienende ihr privates Glück finden – sagen Kritiker. Andere behaupten, Wohnprojekte sind wichtige Bestandteile sozialer Quartiersentwicklung. Wir diskutieren das Thema am Beispiel des Parkhaus in St. Pauli Süd.
Das Wohnprojekt “Parkhaus” ist aus den jahrelangen Auseinandersetzungen um den Erhalt einer Grünfläche als Stadtteilpark “Park Fiction” zwischen Fischmarkt und Pinnasberg hervorgegangen. Die Stadt wollte das Gelände oberhalb des Fischmarktes mit einem Häuserriegel zubetonieren. Dagegen setzte der Hafenrandverein, eine bunt zusammengesetzte Stadtteilinitiative, die Forderung nach einem Park. Der Kompromiss: Zumindest ein Teil der Fläche sollte bebaut werden. Wenn schon gebaut wird, dann sollte es ein Wohnprojekt werden.
Sozialer Ausgleich nach innen
Die Initiatorlnnen des „Parkhauses“ wohnen in St. Pauli und waren teilweise in der Hafenstraßen-Genossenschaft, dem Hafenrandverein und der Parkinitiative aktiv. Sie begriffen das Wohnprojekt als Bestandteil ihres Kampfes für kollektive und integrative Lebensformen, gegen Gentrifizierungsprozesse und die Kommerzialisierung St. Paulis durch private Profiteure. Im Parkhaus-Gründungskonzept finden sich diese Vorstellungen wieder. In der Wohngruppe haben sich Menschen ganz unterschiedlicher sozialer Herkunft, Bedürfnisse und Lebenslagen organisiert. Ein zentraler Gedanke war ein gegenseitiger sozialer Ausgleich nach innen – eine Art Umverteilung von Ressourcen in beschränktem Rahmen. Das Parkhaus sollte einen kleinen persönlichen Kontrapunkt zu den städtischen Segregationsprozessen setzen.
Der Wohnstandort St. Pauli
Die zukünftigen BewohnerInnen müssen Interesse an nachbarschaftlichem Engagement zeigen. Der Standort verlangt ihnen eine bewusste Entscheidung für St. Pauli ab. Denn er ist alles andere als idyllisch: Die innerstädtische exponierte Lage, die Kinderfeindlichkeit im Umfeld, der Fischmarkt mit seinen täglichen Belastungen und die direkte Konfrontation mit Armut sind nur einige Begleiterscheinungen des Wohnalltags.
Architektonisch ist das Haus so geplant, dass zur Parkseite hin nicht angebaut werden kann. Dadurch soll die Realisierung eines Häuserriegels endgültig verhindert werden. Das Wohnprojekt produziert eigenen Strom und ist als Passivhaus geplant, entspricht also modernsten Energiesparstandards.
Zeichnung: PLAN-R- Klaus Joachim Reinig
Parkhaus: Ansicht von Süden
So macht es (nicht nur) in seinem unmittelbaren Umfeld Werbung für ökologisches Bauen. Denkbar ist, der nahe gelegenen Schule im Rahmen des Unterrichts Information und Besichtigung anzubieten.
Aktiv in den Stadtteil wirken
Wohnprojekte sind öffentlichkeitswirksam. So auch das Parkhaus. Es kann wichtige Akzente für den Stadtteil setzen, in dem es Alltag, Alternativen und Lebensqualität in St. Pauli thematisiert.
In Zeiten sich auflösender sozialer Bezüge kann ein Wohnprojekt zum Aufbau nachbarschaftlicher Kontakte und Netzwerke im Stadtteil beitragen. Wohnprojektlerlnnen, die mehrere Jahre an der Umsetzung ihres Projektes arbeiten, bauen eine sehr starke Identifikation mit ihrem Wohnumfeld auf und zeigen eine erhöhte Bereitschaft, sich einzusetzen und sich einzumischen.
Bereits vor Baubeginn wurden Kontakte geknüpft und Informationen über bestehende Aktivitäten und Initiativen im Stadtteil gesammelt. Im Laufe der Zeit erarbeiteten sich die Beteiligten auch Kompetenzen, um Einfluß zu nehmen. Notgedrungen entwickelten sie sich zu Expertlnnen – nicht nur in der Durchführung von Feiern und Festen, sondern auch in Finanzierungsfragen, Öffentlichkeitsarbeit, Selbstorganisation, Moderation, Konfliktmediation und im Umgang mit diversen Behörden.
Gibt man dieses Wissen und diese Erfahrungen weiter, kann ein Wohnprojekt als stabilisierender Faktor und Bereicherung des sozialen Kapitals im Stadtteil wirken.
Sabine Stövesand lebt und arbeitet auf St. Pauli und ist Gründungsmitglied des Parkhauses.
Zuerst veröffentlicht: Freihaus 8(2002), Hamburg