Kommunale Wohnungsunternehmen am Beispiel der SAGA Hamburg
*** von Natalie Lendzinski ***
Wohnraumversorgung wird seit dem Beginn der Urbanisierung in Deutschland als eine soziale Frage thematisiert. Als wichtiger Lösungsansatz zur Überwindung von Wohnungsnot wurden ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts und insbesondere in den 1920er Jahren kommunale Wohnungsunternehmen gegründet, die zuallermeist nach den Grundsätzen der Gemeinnützigkeit agierten. Die gesetzliche Wohngemeinnützigkeit wurde jedoch im Jahr 1990 abgeschafft. Im Kontext eines generellen gesellschaftlichen Wandels hin zur Neoliberalisierung und Privatisierung sowie regionalen Angebotsüberhängen auf dem Wohnungsmarkt führte dies dazu, dass viele Kommunen in den 2000er Jahren ihren Bestand veräußerten. So verkaufte beispielsweise die Stadt Kiel ihren gesamten kommunalen Wohnungsbestand an Finanzinvestoren. Man versprach sich davon, die Haushaltskassen aufzubessern. Während die Kassen jedoch nicht lange voll blieben, wandelte sich das Wohnen mehr und mehr zur Ware und die Kommunen verloren ihren Einfluss auf die lokale Mietpreisgestaltung.
Die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) entschied sich in den 2000er Jahren jedoch glücklicherweise entgegen der neoliberalen gesellschaftlichen Stimmung, ihre kommunalen Bestände der Siedlungs-Aktiengesellschaft Altona (SAGA) nicht nur zu behalten, sondern diese kontinuierlich zu erweitern. Die SAGA ist heute mit knapp 140 000 Wohnungen bundesweit das größte kommunale Wohnungsunternehmen. Sie agiert als Siedlungs- Aktiengesellschaft, welche zu 100 % in städtischer Hand liegt. Die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen ist qua Amt Vorsitzende des Aufsichtsrats.
Die SAGA wurde 1922 auf Initiative des Sozialdemokraten Max Brauer gegründet. Im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes fusionierte die Altonaer Saga 1938 mit der Baugesellschaft Hamburg, ging in städtisches Eigentum über und wurde in SAGA – Gemeinnützige Siedlungs-Aktiengesellschaft Hamburg umbenannt. Nach Kriegsende gab es in Hamburg vier gemeinnützige staatliche Wohnungsunternehmen, die sich den Wiederaufbau geografisch aufteilten. 1972 übernahm die SAGA schlussendlich die drei Schwestergesellschaften. 1988 wurde die Gesellschaft für Wohnen und Bauen mbH (GWG) gegründet, die einen großen Teil der Hamburger Bestände der Neuen Heimat übernahm. Aufgrund der Abschaffung des Wohngemeinnützigkeitsgesetzes im Jahr 1990 entfiel die steuerliche Begünstigung von Wohnungsunternehmen und das Wort „gemeinnützig“ im Unternehmensnamen wurde gestrichen. Die SAGA musste sich im Zuge der Liberalisierungstendenzen auf eine andere Wettbewerbssituation einstellen. 2007 wurde die GWG ein Tochterunternehmen der SAGA.
Die SAGA besitzt und verwaltet ca. 20 % der Hamburger Mietwohnungen. Weitere etwa 20 % entfallen auf Genossenschaften. Doch trotz der SAGA als großem sozialen Player am Wohnungsmarkt sind auch in Hamburg die Mieten im letzten Jahrzehnt stark angestiegen. Es stellt sich daher die Frage nach der Rolle und dem Einfluss kommunaler Wohnungsunternehmen auf die lokale Mietpreisentwicklung und damit ihren sozialen Beitrag.
Der Einfluss der SAGA auf den Hamburger Mietenspiegel
Laut Hamburger Mietenspiegel von 2021 lag die durchschnittliche Miete bei 9,29 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Die freifinanzierte SAGA-Miete lag im Jahr 2021 bei 7,09 Euro pro m² Wohnfläche und damit 23 % unter der ortsüblichen Vergleichsmiete. Ohne den Anteil der SAGA wäre der Mietenspiegel rund 4,2 % höher, statt bei 9,29 Euro bei 9,68 Euro pro m² Wohnfläche. Ein ähnlicher Effekt lässt sich bei den Hamburger Genossenschaften feststellen. Aktuell haben diese einen Wohnungsbestand in Hamburg in Höhe von 135 000 Wohnungen. Drei Viertel der Wohnungen sind freifinanziert mit einer durchschnittlichen Nettokaltmiete von 7,10 Euro (Stand 2021). Rechnet man nun die Summe der freifinanzierten Genossenschaftswohnungen und der SAGA-Wohnungen aus dem Mietenspiegel heraus, ergibt sich eine durchschnittliche freifinanzierte Miete der privaten Vermieter*innen in Höhe von 10,22 Euro pro m² Wohnfläche. Setzt man die 10,22 Euro in Beziehung zur freifinanzierten SAGA-Miete von 7,09 Euro bzw. Genossenschaftsmiete von 7,10 Euro, liegt die Miete der privaten Vermieter*innen im Durchschnitt rund 31 % über der Miete von SAGA und Genossenschaften. Die Mietsteigerung im Zeitraum 2012 bis 2021 beträgt im freifinanzierten Bereich der SAGA ca. 15 %, die Miete im Hamburger Mietenspiegel ist im gleichen Zeitraum hingegen um ca. 26 % gestiegen. Der SAGA ist somit, zusammen mit genossenschaftlichen Vermieter*innen, eindeutig eine dämpfende Wirkung auf die Mietpreisentwicklung Hamburgs zuzuschreiben.
Das Paradoxon des politischen Auftrags der SAGA
Gemäß der Satzung der SAGA hat sie den Auftrag „eine sichere und sozial verantwortliche Wohnungsversorgung für breite Schichten der Bevölkerung zu angemessenen Preisen“ zu erfüllen. Gleichzeitig agiert das Unternehmen seit der Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit gewinnorientiert und erwirtschaftet jährlich Gewinne im neunstelligen Bereich, beispielweise im Jahr 2021 ein Gewinn nach Steuern von 225,9 Millionen Euro bei einer Eigenkapitalquote von 48,2 %. Was sie nicht reinvestiert oder zurücklegt, führt sie an die FHH ab. Die FHH nutzt die Gewinnausschüttungen u.a. für Stadtentwicklungszwecke, beispielsweise dafür, quartiersbezogene Infrastruktur und Grünanlagen zu erneuern oder bedarfsgerecht zu modernisieren und auszubauen. Regelmäßig entscheidet der Vorstand der SAGA in Absprache mit der FHH, ob und in welcher Höhe Gewinnausschüttungen an den Anteilseigner FHH ausbezahlt werden. Der Betrag muss vom Aufsichtsrat genehmigt werden. Er variiert und hängt sowohl vom aktuellen wirtschaftlichen Erfolg, der politischen Ausrichtung des Senats, als auch von den wirtschaftlichen und sozialen Prognosen der Folgejahre ab. Für die Jahre 2023 bis 2026 ist eine Auszahlung in Höhe von insgesamt 350 Millionen Euro vorgesehen. Die SAGA fungiert somit neben ihrer Rolle als soziale Vermieterin auch als kommunale Cash Cow und trägt zur Aufbesserung der Haushaltskasse bei.
Wohngemeinnützigkeit versus kommunale Cash Cow
Dass die SAGA Gewinne erwirtschaftet stößt auf Kritik. Ein viel diskutiertes Argument ist hierbei, dass die SAGA-Mieter*innen durch stetige Mietsteigerungen für diese Gewinnüberschüsse aufkommen. Dabei ist es öffentliche Aufgabe der FHH, Stadtentwicklungsmaßnahmen durch Steuergelder zu finanzieren und damit eine gerechte Verteilung der Mitfinanzierung aller steuerpflichtigen Bürger*innen zu gewährleisten. Stattdessen wird die Finanzierung den SAGA-Mietenden aufgebürdet. Dieser Vorwurf scheint begründet, wenn man bedenkt, dass die Mieter*innen der SAGA ohnehin überwiegend nicht den finanzstarken Gesellschaftsschichten angehören. Betrachtet man die Unternehmensform der SAGA als soziale städtische Vermieterin idealistisch und sozialpolitisch, wünscht man sich, dass die SAGA nach dem Kostendeckungsprinzip oder einer Neuen Wohngemeinnützigkeit wirtschaftet und durch Gewinnminimierung die Mieterhöhungen weiter eindämmt. Damit könnte sie langfristig und deutlich stärker als heute auf den Mietenspiegel einwirken, dessen durchschnittliche Miethöhe in der Folge weniger stark ansteigen würde. Damit hätte die SAGA einen noch größeren Effekt auf zukünftige Mietenspiegel und damit auf alle Mieten in Hamburg. Sie könnte so zu einer Dekommodifizierung hin zum Wohnen als Grundbedürfnis und Daseinsvorsorge beitragen.
Eine Kursänderung der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung des Unternehmens liegt jedoch nicht alleine in der Entscheidungsmacht der SAGA, sondern bei ihrer Anteilseignerin, der FHH und folglich beim Senat. Es müsste daher politischer Wille sein, die SAGA nicht mehr als Cash Cow zu nutzen, sondern sie als postneoliberales Instrument einzusetzen um den steigenden Mieten mehr entgegen zu setzen.
Natalie Lendzinski ist Architektin und bei STATTBAU HAMBURG als Projektentwicklerin und Baubetreuerin tätig. In ihrem Zweitstudium Politikwissenschaft verfasste sie eine Masterthesis zum Einfluss kommunaler Wohnungsunternehmen auf lokale Mietentwicklungen am Beispiel der SAGA Hamburg.
Wissenschaftliche Beiträge
Egner, B., Grohs, S. & Robischon, T. (Hrsg.) (2021). Die Rückkehr der Wohnungsfrage. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH.
Held, T. (2011) Verkäufe kommunaler Wohnungsbestände – Ausmaß und Entwicklungen in: Informationen zur Raumentwicklung (S. 675 – 682), Heft 12 2011.
Holm, A. (2022). Wohnen als soziale Infrastruktur. Neue Perspektiven für den öffentlichen Wohnungssektor in: Bundesverband Wohnen und Stadtentwicklung: Forum Wohnen und Stadtentwicklung (S. 171 – 174), Heft 4 Juli-August 2022.
Quellen der FHH
Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen Hamburg (2022). Stadtentwicklungsfonds Lebendige Quartiere. https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/15881562/2022-02-18-bsw-stadtentwicklungsfond-lebendige-quartiere/
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg (2020). Weshalb müssen SAGA-Mieter/-innen über ihre Mieten einen „Stadtentwicklungsfonds Lebendige Quartiere“ finanzieren, der öffentliche Aufgaben realisieren soll? Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 19.11.20 und Antwort des Senats. Drucksache 22/2262.
Medienberichte
Gärtner, A. (2022, 05. November). Eingriff der Stadt auf den Wohnungsmarkt ist alternativlos. Norddeutscher Rundfunk. Verfügbar am 09.11.2022 unter https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Kommentar-Eingriff-der-Stadt-in-den-Wohnungsmarkt-ist-alternativlos,hamj128376.html
Meyer-Wellman, J. (2022, 5. Oktober) Quetscht der Senat die Saga-Mieter aus? Hamburger Abendblatt. https://www.abendblatt.de/hamburg/article236594175/saga-quetscht-der-senat-die-saga-mieter-aus-wohnen-hamburg-immobilien.html
zuerst veröffentlicht: FREIHAUS 27(2023), Hamburg