Kategorien
Artikel Wohnprojekte Hamburg Wohnprojekte national/international

Cohousing in Dänemark

*** von Tamara Mitransky ***

Vor ca. 40 Jahren wurden in Dänemark Modelle für gemeinschaftliches und zugleich individuelles Wohnen entwickelt, die später international unter dem Begriff Cohousing bekannt wurden.

Die erste Wohngemeinschaft (dän. „Bofælleskaber“) wurde vom Architekten Jan Gudmand Høyer und seinem Freundes- und Kollegenkreis initiiert. Die Initiatoren waren mit dem Angebot auf dem Wohnungsmarkt, v.a. den vorstädtischen Einfamilienhäusern oder Wohnungen in innerstädtischen Mehrfamilienhäusern, nicht zufrieden. Statt dessen wünschten sie für sich eine Verknüpfung von Nachbarschaft, Naturverbundenheit und Freiflächen für Kinder mit der traditionellen Form des Familienwohnens. Anleihen dafür nahmen sie bei den utopischen Stadtvorstellungen von Thomas Moores aus dem Jahr 1515 und den „Brumleby“-Wohnungen von 1853 in Kopenhagen. Der kleinräumliche Maßstab der Arbeiterhäuser förderte zusammen mit den Gemeinschaftsanlagen ein aktives Zusammenleben in der Siedlung. Der Plan der Gruppe um Gudmand Høyer, ein solches Projekt 1964 zu realisieren, scheiterte trotz Befürwortung durch lokale Behörden am Widerstand der Nachbarn.

Start Anfang der 70-er Jahre

Das erste Cohousing-Projekt „Sættedamen“ in Ny Hammersholt entstand 1971/72. Ein halbes Jahr später realisierte auch Gudmand Høyer sein erstes Projekt „Skråplanet“ in Værløse. Bis 1990 wurden in Dänemark rund 90 Cohousing-Siedlungen gegründet. Ein Beispiel für diese Anlagen ist die 1981 gebaute Siedlung Trudeslund in Birkerød, ca. 25 km nördlich von Kopenhagen.

Trudeslund besteht aus 33 Wohnhäusern mit einer jeweiligen Fläche von 90–140 Quadratmetern und einem Gemeinschaftshaus. Aufgrund früherer Erfahrungen hatte man die individuellen Wohnflächen reduziert und die Gemeinschaftsflächen vergrößert. Lag der Anteil der Gemeinschaftsflächen bei Skråplanet und Sættedamen noch bei 7 bzw. 6%, wurde bei Trudeslund der Anteil mit 11% fast verdoppelt. Die Bewohner wirkten an der Planung mit und verwalten die Siedlung selbst.

Mehr Platz für Gemeinschaft

Das Gelände von Trudeslund fällt von den Erschließungsstraßen her ab. Am höchsten Punkt liegt das Gemeinschaftshaus mit großer Küche und Speiseraum, Schlafzimmer für Gäste, Fernseh-, Bade-, und Kinderzimmer, außerdem eine Bibliothek, Terrasse, Musikraum, Dunkelkammer, Werkstatt, Waschküche und ein kleiner Laden.

Wegen der Hangneigung erhielt jedes Wohnhaus drei Ebenen. Zum gemeinsamen Wohnweg hin liegen Räume für den öffentlichen Zugang, es folgen halböffentliche, dann private Räume, denen sich ein privater Garten anschließt. Jeder Haushalt kann frei entscheiden, wann und wieviel er in der Gemeinschaft mitwirken will und es stehen ihm die Gemeinschaftsanlagen zur Verfügung.

Als eine der wichtigsten Gemeinschaftsaktivitäten wird von vielen Bewohnern das gemeinsame Abendessen angesehen. Dabei werden pro Tag zwei Erwachsene und ein Jugendlicher/Kind als Küchenteam bestimmt, das für das leibliche Wohl zuständig ist. Jeder Erwachsene muss nur einmal im Monat kochen. Die wechselnde Zuständigkeit sorgt für gerechte Verteilung der Arbeit und verschafft jedem den Vorteil freier Zeit an den restlichen Tagen zusammen mit einem wiederkehrenden Gemeinschaftserlebnis.

Viele Erfahrungen gesammelt

Inzwischen sind seit dem Bau von Trudeslund 20 Jahre vergangen. Weitere Cohousing-Siedlungen sind entstanden. Viele haben die Privatflächen zugunsten der Gemeinschaftsflächen noch stärker reduziert. Einige Ideen wurden seitdem auch vom allgemeinen Wohnungsbau in Dänemark übernommen wie z.B. Gemeinschaftsanlagen und die Zuordnung von öffentlichen, halb-öffentlichen und privaten Räumen.

Grundrisse, die für junge Familien geplant wurden, genügen nach dem Heranwachsen der Kinder nicht immer den geänderten Ansprüchen. Überwiegend werden jedoch die Zeitersparnis der einzelnen Haushalte und die gemeinsamen Unternehmungen positiv bewertet.

Tamara Mitransky studiert Stadtplanung an der TU Hamburg-Harburg und war Praktikantin bei STATTBAU.

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 9(2002), Hamburg