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Artikel Rechtsform/Genossenschaft

Dachgenossenschaften für Wohnprojekte

Wie kommen Projekte unter ein gemeinsames Dach?

*** von Britta Becher und Rosemarie Oltmann ***

STATTBAU HAMBURG hat in den vergangenen 20 Jahren vielfältige gemeinschaftliche Wohnprojekte beraten und bei der Realisierung betreut. Dabei sind viele genossenschaftliche Projekte gegründet worden. Das aktuelle Jubiläum der Schanze eG ist Anlass, die Dachgenossenschaft zu würdigen.

Für Menschen, die gemeinschaftlich wohnen wollen, ist die Genossenschaft in erster Linie ein Mittel zum Zweck. Das eigentliche Ziel ist das gemeinschaftliche Wohnen. Dabei ist diese Rechtsform aufgrund der mit ihr verbundenen Werte (Solidarität, Selbsthilfeansatz, Mitgliederorientierung, Demokratieprinzip) den Projekten meist sympathisch. In Hamburg hat die Suche nach einer Trägerform für gemeinschaftliches Wohnen zur Neugründung von über 20 Genossenschaften in den vergangenen 20 Jahren geführt! Dabei sind kleine Genossenschaften mit einem Wohnungsbestand von nur 6 Wohnungen entstanden und auch größere, wie die Wohnungsbaugenossenschaft Schanze e.G., die in den 20 Jahren ihres Bestehens ein Dach für über 20 gemeinschaftliche Wohnprojekte mit bisher 294 Wohneinheiten wurde. Seit 2003 sind die Hamburger Förderbedingungen für kleine Genossenschaften schwieriger geworden, so dass im Einzelfall geprüft werden muss, ob die Voraussetzungen für eine Neugründung gegeben sind.

Grafik: Sally Johnson für STATTBAU

Die Organisationsform der Dachgenossenschaft bedeutet, dass es als Trägerstruktur eine Genossenschaft gibt, unter deren Dach verschiedene Projekte organisiert sind, die je nach Modell unterschiedlich weitgehende Selbstverwaltungsrechte an „ihren“ Projekten besitzen. Die Dachgenossenschaft ist bzw. wird i.d.R. Eigentümerin (bzw. Erbpachtnehmerin) der Grundstücke, die bebaut werden bzw. der jeweiligen Gebäude, die die Hausgemeinschaften bewohnen. Die Mitglieder der Projekte organisieren sich üblicherweise als Verein (e.V.) oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und treten als Gruppe oder als Einzelpersonen (oder beides) der Dachgenossenschaft bei. Mitglieder der einzelnen Hausprojekte sind in den Gremien der Genossenschaft (Vorstand und Aufsichtsrat) vertreten.

Grafik: Sally Johnson für STATTBAU

Projekte, die eine Genossenschaft für ihr eigenes kleines Projekt gründen, sind oftmals damit überfordert, ein anderes Projekt in ihre Genossenschaft aufzunehmen. Ihre ehrenamtlichen Strukturen reichen aus, das eigene Projekt zu betreiben, doch sie schrecken erfahrungsgemäß vor dem Risiko zurück, das die Aufnahme eines weiteren Projekts bedeutet.

Projektentwicklung von innen oder außen?

Die eigens zum Zweck der Aufnahme von nachbarschaftlichen Wohnprojekten gegründeten Dachgenossenschaften bieten den passenden Rahmen. Bei der Konzeption und Gründung der Dachgenossenschaft ist wesentlich, dass sie auf Erweiterung aus ist, d. h. dass das Verfahren zur Aufnahme neuer Projekte bereits in der Satzung geregelt ist.

Die Erweiterung einer Dachgenossenschaft kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Die Initiative für ein neues Projekt kann direkt von der Genossenschaft ausgehen (und die Mitglieder der neuen Hausgemeinschaft werden zu diesem Zweck Mitglieder der Genossenschaft), d. h. die Projektentwicklung findet innerhalb der Genossenschaft statt. Finanzielle Mittel für die Projektentwicklung und das für die Finanzierung notwendige Eigenkapital werden durch die Genossenschaft vorfinanziert und müssen von den neuen Mitgliedern, die in die Hausgemeinschaften einziehen wollen, übernommen werden (als Genossenschaftsanteile oder Mieterdarlehen).

Ein anderer Weg ist die Projektentwicklung von außen. Der Planungsprozess wird von der Projektgruppe initiiert und auf eigenes Risiko bis zum Zeitpunkt des Ankaufs eines Grundstücks und der Organisation der Finanzierung organisatorisch und finanziell getragen und umgesetzt, d. h. die Projektentwicklung findet außerhalb der Genossenschaft statt. Die Genossenschaft tritt dann zum Zeitpunkt „X“ (bei Grundstückskauf, Abschluss der Darlehensverträge oder zum Baubeginn) in die von der Gruppe geschlossenen Verträge und Verpflichtungen ein. Die Projektgruppenmitglieder treten einzeln (und/oder als GbR oder Verein) in die Genossenschaft als Mitglieder ein und verpflichten sich zur Übernahme von Genossenschaftsanteilen oder Mieterdarlehen in Höhe des von ihnen zu leistenden Eigenanteils für die Finanzierung ihres Projekts.

Bei Bezug des Hauses, schließt die Dachgenossenschaft Nutzungsverträge mit der gesamten Nutzergruppe (GbR oder Verein), diese vergibt Einzelnutzungsverträge an ihre Mitglieder, oder die Genossenschaft schließt Einzelnutzungsverträge mit den Mitgliedern ab. Je nach Vereinbarung werden weitgehende Verpflichtungen und Rechte der Bewirtschaftung und Belegung an die Bewohnergruppen übertragen oder beim Dach behalten.

Je nach Zusammensetzung, Kompetenz und Bereitschaft der Bewohnergruppen muss entschieden werden, ob eine Art „Selbstverwaltung light“ praktiziert werden soll, bei der z. B. über die Nutzung von Gemeinschaftsflächen und die Neubelegung von Wohnungen selbst bestimmt wird, die Aufgaben der Instandhaltung aber beim Dach verbleiben. Andere Gruppen ziehen eine möglichst weitreichende Selbstverwaltung vor und führen z. B. auch Instandhaltungsarbeiten in eigener Regie durch.

Um Risiken für das Bestehen der Dachgenossenschaft durch neue Projekte zu minimieren, muss jedes Projekt für sich „durch“-finanziert sein und das Nutzungs- und Bewirtschaftungs-Konzept für sich funktionieren. Die Gremien der Dachgenossenschaft, die der Aufnahme neuer Projekte zustimmen müssen, müssen sich davon überzeugen, dass ein Risiko für die anderen Projekte ausgeschlossen werden kann bzw. tragbar ist.

20 Jahre Schanze: Hafen blieb – Schanze kam!

Vor wenigen Tagen feierte das Wohnprojekt im Hinterhof in der Schanzenstraße ein großes Fest. Zu feiern gab es das 20-jährige Bestehen des Projekts. Damit ist auch die Wohnungsgenossenschaft Schanze 20 Jahre alt geworden. Bei der Gründung war das Engagement groß, die Erfahrungen mussten mit jedem Projekt und mit jedem neuen Förderantrag neu gemacht werden. Gleichwohl lässt sich rückblickend sagen, dass das Konzept der dezentralen Verwaltung mit weitgehender Übertragung der Nutzungsrechte und -pflichten an die Häusergruppen aufgegangen ist und weiterhin umgesetzt wird. Aufsichtsrat und Vorstand, in dem Vertreter der Häusergruppen vertreten sind, treffen sich regelmäßig, um die Geschicke der Genossenschaft zu lenken. Die einzelnen Projekte agieren eigenständig und sind durch ihre Rechtsform kleine eigenständige Einheiten (auch steuerlich betrachtet) mit Aufgaben gegenüber ihren Mitgliedern (z. B. Abrechnung der Betriebskosten) und gegenüber der Schanze (Verpflichtungen aus dem Nutzungsvertrag). Die Schanze hält den Grundbesitz (wirtschaftliches Eigentum), die Projekte erhalten über den Gesamtnutzungsvertrag die wirtschaftliche Verfügung. Die Erfahrungen zeigen, dass die Projekte eine hohe Sorgfalt gegenüber „ihren“ Häusern leben.

Sollte das System irgendwann einmal nicht mehr funktionieren (das Interesse an der Selbstverwaltung geht verloren oder die Häuser werden nicht mehr gepflegt) ermöglicht der Gesamtnutzungsvertrag den Weg einer „normalen“ Einzelvermietung mit dem Nutzer der Wohnung.

Im Moment gibt es keinen Grund zu überlegen, etwas anders zu machen. Die Voraussetzung für das Gelingen des ganzen Systems sind die Projekte selbst. Solange die Projekte ihre eigene Struktur und die Verantwortung für ihre Häuser leben, solange wird die Schanze keine Probleme mit ihren Projekten bekommen. Wenn es denn irgendwann einmal anders sein sollte, wird man überlegen müssen, wie damit umzugehen ist.

Britta Becher ist Mitarbeiterin der STATTBAU. Rosemarie Oltmann ist im Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Schanze eG und arbeitet bei STATTBAU.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 14(2007), Hamburg