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bauforum dresden

Beratung und Unterstützung von Baugemeinschaften

*** von Marion Kempe ***

Im Jahr 1990 fuhren VertreterInnen der Hamburger Wohnprojekteszene nach Dresden, um Kontakt mit der dortigen alternativen „Häuser“-Szene aufzunehmen. Von einzelnen AkteurInnen getragene Aktivitäten und Kooperationen der Anfangszeit haben zu einer Entwicklung von selbst organisierten Baugemeinschaftsprojekten und der Gründung des bauforums dresden e.V. geführt.

Der Verein bauforum dresden e.V. ist eines der 12 Projekte (von 184 Bewerbungen), die Ende 2006 im Rahmen der Bundesaktion „Bürger initiieren Nachhaltigkeit“ vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) ausgezeichnet und gefördert wurden. Im Fokus stand dabei Bürgerschaftliches Engagement für nachhaltige Entwicklung. Der von der Bundesregierung bereits zum zweiten Mal ausgelobte Wettbewerb geht auf eine Initiative des Nachhaltigkeitsrates zurück.

bauforum dresden und nachhaltige Entwicklung

Ziel des Vereins ist es, durch Bauherrengemeinschaften die Innenentwicklung der Stadt Dresden zu fördern. Durch die Aktivitäten des bauforums sollen in erster Linie private Haushalte angesprochen werden, die preiswertes und innerstädtisches Wohneigentum bilden möchten. Um in der Stadt, mit ihren höheren Grundstückspreisen, ein Grundstück erwerben zu können, ist das Zusammenschließen mit anderen potentiellen Bauherren für Normalverdienerfamilien oft die einzige Chance zur Realisierung ihrer Wohnbedürfnisse.

Neben den offensichtlichen Vorteilen für die Nutzer verweist das bauforum dresden auch immer auf die gesellschaftliche Relevanz des Themas: Wer in der Stadt baut, zersiedelt nicht den Landschaftsraum, erzeugt keine zusätzliche Verkehrsbelastung und belässt seine Steuern in der Stadt. Für die Kommune verringern sich die Aufwendungen für die Bereitstellung von Infrastruktur in gering besiedelten Gebieten. Selbstnutzereigentümer sorgen für soziale Stabilität und bringen sich aktiv in ihren Stadtteil ein. Angesichts der vorausgesagten demographischen Entwicklungen wird diese Wohn-und Eigentumsform zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Arbeitsweise des Vereins: Beratung und Projektentwicklung

Das bauforum dresden bietet sich Interessenten an, sie auf dem Weg zur Baugemeinschaft durch Beratung und Moderation von Gruppen, Finden geeigneter Partner für die Gründung einer Baugemeinschaft, Hilfe beim Finden der geeigneten Immobilie und eines gruppenerfahrenen Architekten zu unterstützen. Hierfür stehen neben den Planern auch Finanzexperten der Sächsischen Aufbaubank, Rechtsanwälte, Energieberater und ein Notar zur Verfügung. Doch auch von Eigentümern, die ihre Immobilie an Baugemeinschaften veräußern wollen, kann die Börse des bauforums genutzt werden.

Dank der Förderung durch BIN gelang es dem Verein in 2007 seine Arbeitsweise und Außenwirkung ein entscheidendes Stück zu intensivieren. So konnte eine Geschäftsführerin mit einer halben Stelle für ein Jahr angestellt werden. Dieser Schritt ermöglicht zumindest in diesem Zeitraum eine kontinuierliche Arbeit.

Seit Oktober 2005 findet jeden Donnerstag in den Räumen der Sächsischen Aufbaubank eine Beratung mit folgenden Themen statt:

  • zur Gründung von privaten Baugemeinschaften
  • mit Informationen zu Kaufverträgen, Bauverträgen, Finanzierung
  • Nach Anlaufberatung erfolgt je nach Bedarf die Kontaktvermittlung zur Genehmigungsbehörde, Architekten, Finanzierungsberatern, Rechtsberatern und Notaren, oder die Projektentwicklung durch das bauforum
  • zum nachhaltigen ökologischen Bauen.

Unterstützung durch die Stadt

Im November 2006 wurde in Zusammenarbeit mit unserem Verein durch die Fraktion der Grünen im Stadtrat Dresden eine Vorlage zur Förderung von Baugemeinschaften eingebracht. Trotz vorheriger Diskussion in allen maßgeblichen Fraktionen scheiterte jedoch dieser Antrag im Ausschuss für Stadtentwicklung und Bau. Beim zweiten Anlauf, im Mai 2007, wurde dann durch den Stadtrat der Beschluss zur möglichen Option auf städtische Grundstücke für Baugemeinschaften erfolgreich verabschiedet. Leider nicht beschlossen wurden :

  • die Unterstützung aller Aktivitäten geeigneter Akteure zur Förderung des preiswerten Bauens zum Eigenbedarf
  • die Attraktivierung von Brachengrundstücken und aus der Nutzung gefallenen Bestandsobjekten
  • Förderung dichter, energiesparender, ökologischer Bauweise
  • Bildung von Baugemeinschaften n Fördern generationsübergreifender Bauformen.

Der Verein bringt derzeit keine Energie mehr in die Überzeugung der Stadtverordneten und der städtischen Ämter ein.

1. Dresdner Wohnprojektetagung im Mai 2007

In Zusammenarbeit mit einem seit zehn Jahren bewohnten Wohnprojekt in der Äußeren Neustadt wurde seit November 2006 die 1. Dresdner Wohnprojektetagung vorbereitet. Am 12.5.2007 fand diese Tagung mit ca. 130 Teilnehmern statt. Die große Resonanz zeigte das Interesse am gemeinsamen Wohnen. Speziell das Wohnen in einem Projekt, ohne Eigentümer sein zu müssen, wurde angefragt. Hier leistete der Vortrag von Joachim Reinig, Baugemeinschafts-Architekt aus Hamburg seinen Beitrag, in dem er die in Hamburg praktizierten Modelle der Genossenschaftsprojekte erläuterte:

  • Kleingenossenschaften, d. h. ein Projekt = eine Genossenschaft
  • Projektgruppen, die sich einer der bestehenden Dachgenossenschaften für Wohnprojekte anschließen und die über weitgehende Nutzungsverträge die Finanzierung und Bewirtschaftung ihres Hauses in hohem Maße selbst organisieren
  • Projektgruppen, die als relativ autark agierende Hausgemeinschaft mit Bewirtschaftungsvertrag bei einer der traditionellen großen Genossenschaften ihr Projekt verwirklichen. Diesem bisher in Dresden nicht geäußerten Bedürfnis will das bauforum nachgehen und den Kontakt mit „Altgenossenschaften“ suchen, um einen Weg hierfür vorschlagen zu können.

Grundstückssuche, Projektidee und Gruppenentwicklung

10 Grundstücke privater und öffentlicher Eigentümer können derzeit für Baugemeinschaften und Wohnprojekte durch das bauforum dresden angeboten werden. Wir versuchen hierfür Reservierungen zu erhalten, was jedoch oft an der fehlenden finanziellen Ausstattung des Vereins scheitert, solange keine Gruppe vorhanden ist. Eine Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) war für uns, dass es für Baugemeinschaften nicht sinnvoll ist, sich unter Zeitdruck konstituieren zu müssen. Daher entwickeln wir vorrangig Grundstücke, die für mindestens sechs Monate zur Verfügung stehen.

Diese Grundstücke ermöglichen unterschiedliche Eigentumsformen (GbR, WEG, Realeigentum) in unterschiedlichen Bauformen (Geschoßwohnungsbau, Altbausanierung, Stadthäuser, Reihenhäuser, Einfamilienhäuser, Doppelhäuser), die dann durch Baugemeinschaften realisiert werden. Eine Vielzahl der Projekte ist für Mehrgenerationenwohnen geeignet, jedoch ist es aus Kapazitätsgründen bisher nicht möglich gewesen, einen Kontakt zu Vertretern der älteren Generation herzustellen.

Die Projekte sind in Entwurf (teils mehrere Varianten unterschiedlicher Planer) und Grobkostenschätzung durch die Architekten des Vereins vorbereitet worden und können in der Homepage eingesehen werden.

Eine Baugemeinschaft im Dorfkern von Altlöbtau (zentrale innerstädtische Lage), initiiert durch einen Architekten, der Mitglied des bauforum ist und Beraten durch das bauforum, konnte im Juli diesen Jahres zum ersten Spatenstich einladen.

Eine zweite Gruppe in Striesen (geplanter Geschosswohnungsbau für 5 Parteien) scheiterte leider beim Kauf des BIMA-Grundstücks am höheren Gebot eines Bauträgers, obwohl dieses nach dem gesetzten Abgabetermins einging. Leider fühlt sich das Immobilienunternehmen des Bundes nur dem Fiskus verpflichtet, ungeachtet von Stadtentwicklungszielen der Kommunen oder von attraktiven Nutzungskonzepten von Baugemeinschaften.

Böhmische Straße – die „rasende“ Baugemeinschaft

Eine außerordentliche Dynamik hat die Baugemeinschaft „Böhmische Straße 33/35“ in der Äußeren Neustadt mit 14 Wohneinheiten gewonnen. Ziel war es, innerhalb von 3 Monaten die Baugemeinschaft zu bilden, eine Vorplanung mit Kostenschätzung zu erarbeiten, die Bedingungen für den Kauf mit dem Eigentümer auszuhandeln, die Finanzierung zu arrangieren, um zum Abschluss das Grundstück kaufen und die Architekten beauftragen zu können. Das bauforum war hier als Entwickler des Projektes tätig, in Zusammenarbeit mit dem Architekten, der Mitglied des bauforum und selbst Gesellschafter der Planungs-GbR ist. Neben den wöchentlichen abendlichen Gruppenterminen wurde ein Workshop durchgeführt, sowie externe Beratungen, beispielsweise durch einen Notar. Die intensive Arbeit hat sich gelohnt: Am 19. Juli 2007 konnte der Kaufvertrag unterzeichnet werden, auch das Stadtplanungsamt zog mit und erstellte umgehend die für den Kauf erforderlichen Genehmigungen. Ziel ist der Beginn des Baus im Februar 2008 und der Bezug durch die Familien Ende des Jahres 2008. Damit wird der Öffentlichkeit der Stadt Dresdens erneut vermittelt, dass es Familien sehr wohl möglich ist, als Selbstnutzergemeinschaft ein hochpreisiges Grundstück in zentraler Lage zu erwerben und zu bebauen.

Gern will das bauforum mit weiteren ähnlichen Projekten die nachhaltige Innenentwicklung Dresdens unterstützen. Trotz allen Engagements und Idealismus – die Finanzierung des Vereins in 2008 steht noch in den Sternen … Vorbild ist die Selbstnutzer-Initiative Leipzig, die durch die Stadt Leipzig finanziert wird. Aber Dresden ist eben nicht Leipzig.

Weitere Informationen kann man in der Homepage des Vereins unter www. bauforum-dresden.de erhalten.

bauforum dresden e.V.

In vielen deutschen Städten der alten wie der neuen Bundesländer (Hamburg, Berlin, Freiburg etc.) existieren Initiativen zur Förderung von Baugemeinschaften. Zum Teil werden diese Initiativen von den örtlichen Stadtverwaltungen unterstützt, zum Teil sogar von den Behörden ins Leben gerufen. So obliegt die Entwicklung des französischen Viertels in Tübingen dem dortigen Stadtsanierungsamt, das baugemeinschaftliche Projekte explizit unterstützt.

In Leipzig wurden seit 2001 im Rahmen des Leipziger Selbstnutzerprogramms zahlreiche Projekte von der Projektierung bis zum Bezug begleitet. Auch das Leipziger Modell, die Immothek, wird vom Dezernat Planung und Bau maßgeblich unterstützt. In Dresden wurden bisher einzelne baugemeinschaftliche Projekte in privater Initiative verwirklicht. Eine Förderung dieser Form gemeinschaftlichen Bauens durch die Stadt Dresden wird zur Zeit mit der Arbeit des Wohnbauflächenmanagements des Stadtplanungsamtes unterstützt.

bauforum dresden e.V., p.A. Geschäftsführerin Marion Kempe, Architektin Sebnitzer Straße 28, 01099 Dresden, Internet: www.bauforum-dresden.de Telefon: 0351/804 65 82, Fax: 0351/262 92 81, E-Mail: info@bauforum-dresden.de

Marion Kempe ist Architektin und Geschäftsführerin des bauforums dresden e.V. und lebt selbst seit Jahren in einem Altbau- Projekt in der Dresdner Neustadt.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 14(2007), Hamburg