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Artikel Stadtentwicklung

Die Bierbrauer ziehen aus … und neue Altonaer ein

Die Planungen zum Holstenquartier in Altona könnten Vorbild für andere Stadtentwicklungsprojekte sein

*** von Mascha Stubenvoll ***

Auf dem Gelände der Holstenbrauerei zwischen Harkort-, Haubauch, Holsten- und Stresemannstraße in Altona wird ein neues Stadtquartier entstehen. Eine Arbeitsgemeinschaft hat sich in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Altona vorgenommen, die Entwicklung des Stadtteils unter inklusiven Gesichtspunkten zu beeinflussen.

Anfang 2016 wurde aus Spekulationen ein Fakt: die Holstenbrauerei verlagert im Herbst 2019 ihre Produktion an den Hamburger Stadtrand, nach Hausbruch. Damit wird eine attraktive innerstädtische Fläche frei, die als moderner Stadtteil entwickelt werden wird. Der Brauereieigentümer Carlsberg, der die Holstenbrauerei 2004 übernommen hat verkauft das Gelände nun an einen Entwickler. Der städtebauliche-freiraumplanerische Wettbewerb wurde im Juli 2017 entschieden.

Im Mai 2016 wurde der sogenannte Letter of Intent zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Carlsberg Deutschland Holding GmbH unterzeichnet. Er regelt die vertraglichen Grundsätze zum Verkauf des Areals der Holsten-Brauerei. Seit Ende 2017 befindet sich der städtebauliche Vertrag, zwischen dem Bezirksamt Altona (als federführender Vertreter der Stadt) und der SSN Group als neuer Eigentümer in der Aushandlung. Deren Unterzeichnung ist für den Herbst 2019 geplant. Durch den städtebaulichen Vertrag erhält der Eigentümer Baurecht, muss im Gegenzug dafür aber auch Vorgaben der Stadt umsetzen.

Schon in die Entwicklung des in Nachbarschaft zum Holstenquartier befindlichen Quartiers „Mitte Altona“ flossen bereits Aspekte für eine inklusive Ausrichtung mit ein. Die Anregungen und Ideen dafür entwickelt das Forum „Eine Mitte für Alle“. Im Herbst 2016 entschied sich dieses Forum, auch für das direkt angrenzende Brauereigelände Vorschläge auszuarbeiten, wie Inklusion umgesetzt werden kann. Daraus entstand die Arbeitsgruppe „Team inklusives Holstenquartier“ (TiH). Am Team inklusives Holstenquartier nehmen Privatpersonen teil, aber auch Interessensvertreter und soziale Träger. Die behandelten Themen sind vielfältig. Dafür holt sich das TiH immer wieder Experten zu den Arbeitstreffen dazu und steht als Gruppe mit viel Fachwissen im engen Austausch mit dem Bezirksamt Altona. Koordiniert und begleitet wird der Prozess von Q8, einem Projekt der Evangelischen Stiftung Alsterdorf.

Holstenquartier: Fakten

  • 1.410 Wohneinheiten sind geplant (l/3-Mix pro Block)
  • 20% der geplanten Wohneinheiten werden für Baugemeinschaften vorgesehen, ggf. mit inklusiver Ausrichtung
  • Handwerkerhof, in dem gewerbliche Flächen zu teilweise günstigen Preisen vermieten werden
  • Community Center, für unterschiedliche kulturelle Nutzungen
  • Autoarmes Quartier mit Mobilitätskonzept und Mobilstation
  • Quartiersmanagement
  • Theodor-Haubach-Schule wird erweitert auf sieben Klassenzüge

Planungsstand August 2019

STADTTEILENTWICKLUNG UNTER INKLUSIVEN GESICHTSPUNKTEN

Was heißt es einen Stadtteil unter inklusiven Gesichtspunkten zu entwickeln? Qualität, Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit von Stadtteilen beurteilt sich zunehmend auch danach, ob alle Menschen eines Quartiers selbstverständlich dazugehören und niemand ausgeschlossen wird, ob jeder Mensch die Möglichkeit erhält, vollständig und gleichberechtigt am Leben im Stadtteil teilzunehmen.

In diesem Sinne gewinnt die Berücksichtigung von inklusiven Aspekten in Wohnraum, öffentlichem Raum und Gewerbe zunehmend an Bedeutung. Dies schließt auch Angebote für ein nachbarschaftliches Miteinander und handlungsfähige Assistenzstrukturen zum „Dabeisein-können-im Quartier“ mit ein. Inklusive Stadtentwicklung wird damit ein immer wichtigerer Erfolgsfaktor für die Marktfähigkeit und Nachhaltigkeit von geplanten Wohnungsbauprojekten.

UMSETZUNG DES ZIELS

Die Umsetzung eines möglichst weitreichend inklusiven Stadtteils ist ein ehrgeiziges Ziel, was genau bedeutet es aber für die Planung des Holstenquartiers und welche Schritte sind zur Umsetzung geplant?

Schon im Letter of Intent wurde auf inklusive Aspekte Rücksicht genommen. So enthält er eine Absichtserklärung, dass „5 – 10% der Wohnfläche für Bausteine inklusiver Wohnungsangebote“ vorgesehen werden. Des Weiteren sollen „weitere Bausteine zur Entwicklung eines inklusiven Quartiers“ umgesetzt werden.

Zur Verankerung inklusiver Strukturen im Holstenquartier hat das TiH Empfehlungen erarbeitet und um Aufnahme der Empfehlungen über den städtebaulichen Vertrag in den Planungs-, Entwicklungs- und Realisierungsprozess sowie alle weiteren Verfahrensschritten gebeten.

Unter anderem beziehen sich die Empfehlungen auf Inklusive Wohnprojekte und barrierefreien Wohnungsbau. Ziel ist es das ein Teil der Baugemeinschaften inklusiv ausgerichtet sind, aber auch einzelne inklusive Wohnprojekte realisiert werden. […]

Am 23. Mai beschloss der Hauptausschuss der Bezirksversammlung Altona, dass diese Empfehlungen im Städtebaulichen Vertrag berücksichtigt werden sollen. Für die Umsetzung des Beschlusses steht das Team Inklusives Holstenquartier dem Bezirksamt Altona nun beratend zur Seite.

Neben den Verhandlungsgesprächen zwischen dem Bezirksamt Altona und der SSN Group hat es auch erste Gespräche mit dem Team inklusives Holstenquartier und Vertretern des Bezirksamtes sowie des Investors gegeben, die von allen Seiten als konstruktiv bewertet werden. Diese gemeinsamen Treffen werden fortgeführt, um in den zukünftigen Planungsschritten rechtzeitig mögliche Hürden bei der Umsetzung von inklusiven Aspekten ausräumen zu können.

Das Bezirksamt Altona führte im August eine Gesprächsrunde mit Trägern und Unternehmen aus der Wohnungswirtschaft, um das Interesse an inklusiv ausgerichteten Wohnprojekten abzufragen. Die möglichen Interessenten werden zum Jahresende hin mit dem Investor zusammengebracht, um die Umsetzungsmöglichkeiten und dafür nötigen Schritte abzustimmen.

Plan: André Poitiers Architekt GmbH + arbos Freiraumplanung

MIT BLICK AUF BAUGEMEINSCHAFTEN

Auch in diesem Quartier werden 20% Baugemeinschaften umgesetzt. Das hieße nach derzeitigen Berechnungen, dass mehr als 300 Wohneinheiten in Baugemeinschaften realisiert werden.

In den konkretisierenden Planungsgesprächen wurde vom Investor geplant, dass die räumliche Zuordnung der Baugemeinschaften in einem am nördlichen Rand befindlichen Baufeld erfolgen wird. Der Hauptausschuss der Bezirksversammlung hat in seinem Beschluss die „Ansammlung der Baugemeinschaften“ an dieser Stelle abgelehnt und auch STATTBAU Hamburg hat dazu eine abweichende Meinung.

STATTBAU Hamburg hat sich in seiner Stellungnahme zur räumlichen Verteilung von Baugemeinschaften in Neubaugebieten entsprechend geäußert und wird sich für das Holstenquartier für eine Verteilung der Baugemeinschaften auf 2 – 3 Wohnblöcke a 100 – 150 Wohneinheiten einsetzen. Demnach würden je Wohnblock dann 3 – 4 Baugemeinschaften umgesetzt. Die Stellungnahme kann auf der Seite von STATTBAU Hamburg eingesehen werden.

Mascha Stubenvoll ist Mitarbeiterin bei STATTBAU HAMBURG und der Homburger Koordinationsstelle für Wohn-Pflege-Gemeinschaften und engagiert sich in dem Team inklusives Holstenquartier.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 24(2019), Hamburg