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Artikel Rechtsform/Genossenschaft

Eigentumsorientierte Genossenschaft

Hoffnungsträger oder Auslaufmodell?

*** von Reiner Schendel ***

Mit Einführung des Eigenheimzulagengesetzes ist auch eine Eigenheimzulage für Genossenschaften möglich geworden – allerdings mit der Auflage, dass die Genossenschaft nach dem 1.1.1995 gegründet und in der Satzung eigentumsorientiert sein musste.

Genossenschaftseinlage als Renditeknüller

Nicht unbedingt vom Gesetzgeber gewollt, aber seit Anfang 2002 für rechtens erklärt, konnte die eigentumsorientierte Genossenschaft als Anlageform mit bester Rendite angeboten werden, ohne dass eine Wohnung in der Genossenschaft bezogen werden musste. Im optimalen Fall ist es möglich, innerhalb von acht Jahren den eingezahlten Genossenschaftsanteil zu verdoppeln. Das sind in etwa 12,8 % Jahresrendite. Dies haben einige unseriöse Anlageprofis ausgenutzt und entsprechende Genossenschaften gegründet. In vielen Fällen haben diese Genossenschaften niemals irgendeine Wohnung gebaut oder erworben, sondern lediglich die eingezahlten Genossenschaftsanteile verbraucht.

Lösung auch für Wohnprojekte?

Auch im Bereich der Wohnprojekte wurden Überlegungen angestellt, dieses Instrument zu nutzen, um das chronisch knappe Eigenkapital zu erhöhen. Die Idee ist, zusätzlich Dritte zu bewegen, Genossenschaftsanteile zu zeichnen, weil diese mit einer hohen Rendite über die Eigenheimzulage verzinst werden. Tatsächlich hat zum Beispiel in Freiburg eine Genossenschaft auf diese Weise zusätzliche Eigenkapitalmittel im Freundes- und Familienkreis eingesammelt. Auch in Hamburg hat z. B. die Wohnreform eG ihre Satzung so umformuliert, dass sie ihr Eigenkapital erhöhen kann.

Risiken

Es gibt aber Gefahren und Risiken, die zu beachten sind:

  • Durch Umwandlung und Verkauf von Wohnungen (wegen der vorgeschriebenen Eigentumsorientierung) kann für die Genossenschaft ein unwirtschaftlicher Wohnungsbestand entstehen.
  • Der Anlegerkreis ist stark beschränkt. Der eigenheimzulagen-berechtigte Personenkreis ist rechtlich eingeschränkt und die Anlage lohnt sich nur für Haushalte mit Kindern. Genossenschaftsanteile sind Risikokapital. Die Anleger/- innen müssen starkes Vertrauen in die Genossenschaft haben.
  • Viele Anleger/innen bedeuten mehr Eigenkapital aber auch viele stimmberechtigte Mitglieder. Zukünftige Entscheidungen der Genossenschaft könnten durch die Anleger/innen und nicht durch die Bewohner/innen bestimmt werden. Ein historisches Beispiel ist der Bauverein zu Hamburg. Als Genossenschaftskonstrukt gegründet wurde er durch majorisierten Mitgliederbeschluss in eine AG umgewandelt.
  • Die Befristung der Eigenheimzulage auf acht Jahre ist problematisch, da Ersatz für gekündigte Genossenschaftsanteile beschafft werden muss. Letztendlich wird dieses an den Bewohner/innen hängen bleiben. Insofern handelt es sich bei dem Anlegerkapital prinzipiell um einen befristeten zinslosen Kredit.

Abschaffung der Begünstigung im nächsten Jahr?

Es ist absehbar, dass das Eigenheimzulagengesetz in naher Zukunft entweder abgeschafft oder zumindest sehr stark modifiziert wird. Dann wird es diese Anlagemöglichkeit sehr wahrscheinlich nicht mehr geben. Die Eigentumsorientierung muss aber weiterhin beibehalten werden, um den Anleger/innen nicht rückwirkend Probleme mit dem Finanzamt zu bescheren.

Es gibt also Risiken und die Zukunftsfähigkeit einer solchen Konstruktion ist gefährdet. Bei allen Gefahren sollte dennoch ernsthaft geprüft werden, ob nicht in bestimmten Einzelfällen die Konstruktion der eigentumsorientierten Genossenschaft sinnvoll genutzt werden kann. Wenn man sich von vornherein über die Risiken bewusst ist und entsprechende Vorsorge trifft, kann sie durchaus ein gutes Instrument zur Eigenkapitalbeschaffung sein. Der so lange gesuchte Königsweg ist es allerdings nicht.

Reiner Schendel ist Geschäftsführer der STATTBAU HAMBURG GmbH

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 10(2003), Hamburg