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Beitrag der Redaktion Rechtsform/Genossenschaft

Genossenschaftsbewegung und neue Wohnformen

Tipps Nr. 8

*** von Josef Bura ***

Bau- und Hausgemeinschaften sind Projekte der Selbsthilfe in der Wohnungsversorgung. Ihre Mitglieder schließen sich zu Wohngruppen zusammen, um gemeinschaftlich nachbarschaftsorientiert wohnen zu können. Oft greifen sie dabei auf die Rechtsform der Genossenschaft zurück. Das nicht ohne Grund: Die genossenschaftliche Lösung ist die klassische Form der gemeinschaftlichen Selbsthilfe.

Drei große Genossenschaftsgenerationen

Mit Aufkommen der industriellen Gesellschaft und der allgemeinen Wohnungsnot wurden vor allem im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in den Ballungsgebieten so genannte „Selbsthülfevereine“ mit weltanschaulichem oder berufsständischem Hintergrund gegründet wie z. B. die älteste Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft der Schiffszimmerer. Die Weimarer Republik war dann die große innovative Zeit der Genossenschaften. Sie wurden zu Trägern der Wohnreformbewegung, die ihre Mitglieder nicht nur mit Wohnungen, sondern auch mit Bildungs-, Freizeit-, Sport- und Konsumangeboten bediente. Nach dem 2. Weltkrieg wurden begünstigt durch Gemeinnützigkeit, Steuerbefreiung und Wohnungsbauförderung besonders in großen Städten neue Genossenschaften zu wesentlichen Trägern des Wiederaufbaus und der Wohnungsbauproduktion. Genossenschaften entwickelten sich zu einem stabilen Faktor der Wohnraumversorgung.

Neugründungen von Kleingenossenschaften

Als in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts Bewohner des Ruhrgebietes um den Erhalt ihrer Zechensiedlungen kämpften, entstanden wieder einmal neue Genossenschaften als Selbsthilfeorganisationen von Bewohnern. Auch in den 80er Jahren waren Konflikte Ursache für Genossenschaftsneugründungen: Sie wurden vor allem in Berlin und Hamburg als Instrumente der Legalisierung der Hausbesetzerszene genutzt und danach auch von Wohngruppen in Anspruch genommen, die mit öffentlicher Förderung Neubau-Mietwohnungen erstellt haben.

Das Eigenheimzulagengesetz aus dem Jahr 1995 produzierte dann einen Rückgriff auf die Ursprünge der Bewegung: die eigentumsorientierte Genossenschaft. Vielfach wurden seither Wohnungsbaugenossenschaften ohne jegliche Absicht der Wohnraumerstellung gegründet – sondern lediglich als Vehikel, Steuern zu sparen. Das war und ist – vermutlich bis Ende 2003 – vor allem für Familien mit Kindern interessant. Auch junge Genossenschaften von Bauwilligen nutzen inzwischen die steuerlichen Vorteile der eigentumsorientierten Genossenschaft, um kurzfristig ihre Eigenkapitalbasis durch Steuersparer zu verbessern (vgl. dazu in diesem Heft S. 3).

Genossenschaften und neue Wohnformen – warum das oft passt

Es gibt in der Tat ein paar einleuchtende Gründe, neue Wohnformen mit der genossenschaftlichen Rechtsform zu verbinden. Die Kleingenossenschaft mit überschaubarem Bestand fördert die Eigenverantwortlichkeit der Nutzer, weil sie über demokratische Entscheidungsstrukturen verfügt. Sie gewährt ihren Mitgliedern eine eigentümerähnliche Wohnsicherheit sowie Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten auf allen Ebenen. Damit überträgt sie ihnen eine hohe Verantwortung über den genutzten Wohnraum hinaus und bezieht z.B. Selbstverwaltungsmöglichkeiten für Gebäude sowie für selbst gewählte Nachbarschaften als Angebot an die Nutzer mit ein. Sie kann die Mietbelastung kostenorientiert gestalten und Spekulation mit der Immobilie unterbinden, sofern dies Konsens der Mitgliedermehrheit ist. Flächendeckend gibt es in allen Bundesländern Verbände, die zu Fragen der Gründung informieren. Für Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ist dies der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen. Dort sollte man sich auch über die Nachteile informieren und Gründungshilfen aufmerksam studieren.

Josef Bura ist Mitarbeiter der STATTBAU HAMBURG GmbH

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 10(2003), Hamburg