*** von Reiner Schendel ***
Gemeinschaftliches Wohnen erfreut sich ständig wachsender Beliebtheit. Doch wer sich für die Realisierung seiner Wohnvorstellungen eine Zeit lang informiert und in das Thema einsteigt, merkt schnell: ein Nadelöhr bei der Projektentwicklung ist das Grundstück. Das hat sich in all den Jahren nicht geändert. Doch wie kann es anders gehen?
*So der trockene Kommentar eines Liegenschaftsmitarbeiters vor knapp 20 Jahren, nachdem uns nach monatelangem Warten unsere Anfrage für den Kauf und die Nutzung eines leerstehenden Gebäudes negativ beantwortet worden war und wir aufgebracht wie die HB-Männchen mit wüsten Beschwerden wegen der Art und Weise der unbefriedigenden Bearbeitung reagierten.
Die Grundstücksfrage stellte schon immer eine zentrale und schwierige Rolle dar und ist für die Realisierung von Projekten ein ganz wichtiger Baustein. Das gilt im Übrigen nicht nur für Baugemeinschaften, sondern für alle Arten von Investoren.
Da die Stadt Hamburg zwar über einen relativ großen Fundus von teilweise unbebauten oder ungenutzten Grundstücken verfügt, aber davon eben nur wenige wirklich von der Lage und der Bebaubarkeit interessant sind, spielt die Verteilung und die Kaufpreisgestaltung eine wichtige Rolle.
Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass annähernd jedes nicht bebaute Grundstück an irgendeiner Stelle ein Problem hat, welches die Verwertbarkeit problematisch macht. Das kann an Bodenverunreinigungen liegen, mangelndem Baurecht, nachbarschaftlichen Belangen oder, oder, oder… Und manchmal wird das ganze Ausmaß des oder der Probleme erst bei der näheren Planung im Detail sichtbar.
Baugemeinschaften bevorzugt?
Nach wie vor hält sich hartnäckig das Gerücht, Baugemeinschaften würden bei der Grundstücksvergabe bevorzugt behandelt und würden die Grundstücke zu günstigeren Konditionen erhalten. Das ist leider aber nicht wahr. Richtig ist, dass die Politik ausdrücklich Baugemeinschaften fördern will und sie inzwischen einen konstanten Beitrag zum Bauprogramm in Hamburg bringen. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass die Baugemeinschaften nicht regelmäßig wie Investoren kurzfristig auf ein Grundstücksangebot im Höchstgebotsverfahren mit einem konkreten maximalen Kaufangebot reagieren können, sondern dass erst mal ein Gruppenprozess abgeschlossen werden muss, in dem festgestellt wird, ob dieses Grundstück geeignet sein könnte. Außerdem steht bei Baugemeinschaften nicht die maximale bauliche Ausnutzbarkeit im Vordergrund, sondern die Qualität und die Eignung der Bebauung für die eigene langfristige Nutzung. Das hat auch die Verwaltung eingesehen und so sollen rd. 25% der zum Verkauf angebotenen Flächen Baugemeinschaften explizit zum festgestellten Verkehrswert angeboten werden. Das Amt für Immobilienmanagement (früher Liegenschaftsverwaltung) der Finanzbehörde behauptet nun regelmäßig, dass im Höchstgebotsverfahren höhere Preise als die Verkehrswerte erzielt werden. Bei für Investoren wirklich interessanten Grundstücken mag das richtig sein, stimmt aber insgesamt nach unserer Einschätzung nicht. Denn häufig werden Grundstücke angeboten und nicht verkauft, weil die gebotenen Preise weit unter den Erwartungen und den Verkehrswerten liegen. Diese „Nichtverkäufe“ werden aber gar nicht in die Betrachtung einbezogen, da ja keine Verkäufe unter Verkehrswert stattgefunden haben.
Vorschlag für ein Vergabeverfahren für Baugemeinschaften
Wenn also Baugemeinschaften sowohl von Nutzerseite als auch von der Politik gewollt sind, muss selbstverständlich auch ein sinnvolles und gerechtes Verfahren gefunden werden, wie die Baugemeinschaften an geeignete Grundstücke kommen. Das hat nichts mit Bevorteilung zu tun, sondern ist ein ganz normales Verfahren bei der Umsetzung politischer Ziele.
Dieses Verfahren muss insbesondere drei wesentliche Problemfelder in gerechter und vernünftiger Weise abdecken:
1. Bereitstellung und Aufarbeitung geeigneter Grundstücke
Das Amt für Immobilienmanagement und die Agentur für Baugemeinschaften wählen Grundstücke für Baugemeinschaften aus, die für die Planungsphase anhand gegeben und anschließend an die Baugemeinschaft oder dessen Trägerorganisation (z. B. eine Genossenschaft) veräußert werden sollen. Eine grundsätzliche Quote von Vergaben an Baugemeinschaften ist sicherlich vorteilhaft. Noch wichtiger ist jedoch, dass die Grundstücke für Baugemeinschaften geeignet sind. Neben der Lage spielt dabei auch die Möglichkeit der Teilbarkeit des Grundstücks eine Rolle. Eine übliche und gute Größe pro Projekt sind 20 bis 30 Wohneinheiten mit 1.500 bis 3.000 m² Wohnfläche. Es gibt zwar auch größere realisierte Baugemeinschaftsflächen, aber die bringen regelmäßig große rechtliche, finanzielle und organisatorische Probleme mit sich. Je größer eine Baugemeinschaft ist, um so schwieriger wird es, bis zum Ende des Planungsprozesses für alle Wohnungen die entsprechenden späteren Eigentümer/innen oder Nutzer/innen verbindlich zusammen zu bringen und für die ganze Dauer der Projektentwicklung und Planung zu halten.
Weiterhin müssen möglichst alle das Grundstück betreffende Informationen zusammengestellt werden. Diese sind insbesondere:
- Grundstücksbeschreibung mit Flurkarte
- Eintragungen von Dienstbarkeiten, sonstigen Rechten im Grundbuch und Baulasten, die auf dem Grundstück liegen
- Informationen zum geltenden Baurecht (z.B. B-Plan-Ausweisung, Anforderungen der zuständigen Stadtplanungsabteilung oder sonstiger Stellen, etc.)
- Informationen und Hinweise zum Baugrund sofern vorhanden
- Grundsätzliche Verkehrswertvorstellung gemäß Gutachterausschuss
- Anforderungen an die Baugemeinschaft
2. Bewerbung und Vergabe der Grundstücke
Auf Grundlage der zusammengestellten Informationen der angebotenen Grundstücke können sich Baugemeinschaften bei der Agentur für Baugemeinschaften bewerben. Die Agentur gibt vor, welche Kriterien bei der Vergabe welche Rolle spielen und welche Unterlagen einzureichen sind. Dies könnten z. B. sein:
- Eigentums- und/oder genossenschaftliche Mietwohnungen
- Anteil Familien mit Kindern
- Anteil älterer Menschen
- soziale Einrichtungen
- Eigenkapitalnachweis
- Nachweis verbindlicher Rechtsform mit Namen der Kerngruppe (Gesellschaftervertrag/ Satzung/etc.)
- Mindestzahl der Kerngruppenmitglieder (Haushalte)
- Konzept der Gruppe / Genossenschaft
- Auswahl von Baubetreuungs- und Architekturberatung etc.
Die Auswahl der Baugemeinschaft erfolgt dann durch die Agentur für Baugemeinschaften in Abstimmung mit dem Immobilienmanagement. Um zu gewährleisten, dass es nicht nur um „Antragslyrik“ geht, sondern die Unterlagen verbindlich sein müssen, muss es einen Hinweis darauf geben, dass alle wesentlichen Änderungen hinsichtlich Gruppenzusammensetzung und Konzeptänderung der Agentur mitzuteilen sind. Ggf. kann die Anhandgabe zurück gezogen werden, wenn die für die Vergabe eingereichten Unterlagen sich im weiteren Prozess als völlig unhaltbar darstellen.
3. Transparente Wertermittlung des gerechtfertigten Verkaufspreis (Verkehrswert)
Da es immer wieder zu Auseinandersetzungen hinsichtlich des ermittelten Verkehrswertes kommt und von Außen unsinnigerweise behauptet wird, dass Baugemeinschaften Grundstücke günstiger bekommen, ist ein transparentes Verfahren bei der Wertfeststellung notwendig.
Der grundsätzliche Richtwert für ein Grundstück kann beim Gutachterausschuss der Stadt abgefragt werden. Dieser Richtwert muss dann noch hinsichtlich der Bebaubarkeit des individuellen Grundstücks angepasst werden und die grundstücksbezogenen Gegebenheiten wertmindernd oder werterhöhend einbezogen werden. Das Verfahren kann eigentlich sehr einfach gelöst werden. Der Richtwert ist annähernd objektiv abrufbar. Das Umrechnungsverfahren auf die jeweilige Bebaubarkeit ist ebenfalls darstellbar. Dann fehlen noch die sogenannten grundstücksbezogenen Sonderbaukosten (Lärmschutzmaßnahmen, Bodenaustausch, Deponiekosten, Wasserhaltung, etc). Bei der Hamburgischen Wohnungsbaukreditanstalt gibt es eine Aufstellung all dieser Kosten, so dass eigentlich nur noch geklärt werden muss, ob diese Kosten ganz oder nur teilweise in Abzug gebracht werden.
Damit wäre der wesentliche Teil der Wertermittlung erledigt. Möglicherweise sind noch Grundbucheintragungen oder Baulasten in den Wert einzubeziehen und ganz spezielle Lage – Vor- oder Nachteile zu bewerten (z. B. Elbblick oder eine Bahntrasse, usw.), die möglicherweise nicht ganz so eindeutig zu einzuschätzen sind. Dieses kleinere Restproblem sollte aber nicht dazu führen, gar kein Verfahren zu vereinbaren.
Transparentes Verfahren
Tatsächlich wird an der Grundstücksvergabe in der Verwaltung gearbeitet und im Wesentlichen sind sich alle einig, ein transparentes Verfahren durchführen zu wollen. In der Praxis kann aber von einem einheitlichen Verfahren noch nicht gesprochen werden. So werden Grundstücke teilweise, bevor sie überhaupt in die Ausschreibung gelangen, Gruppen zugesagt oder es gibt unendliche Auseinandersetzungen zum Grundstückspreis. In letzter Zeit ist häufiger der Fall eingetreten, dass eigentlich einfach abrufbare Grundstücksinformationen wie Grundbucheintragungen, Bunkerbebauung oder erstellte Bodengutachten usw. nicht zur Verfügung gestellt wurden, so dass ein Planungsbeginn nicht oder nur unzureichend erfolgen konnte. Auf jeden Fall ist hier vorsichtig ausgedrückt noch erheblicher Optimierungsbedarf.
Das hat nun dazu geführt, dass insbesondere von Seiten von Architekten/innen die Forderung aufgestellt wurde, dass wegen der aufgetretenen Bearbeitungsmängel in der Verwaltung sie selber als externe Fachleute die Grundstücke zur Vermarktung aufbereiten. Das Problem dabei ist allerdings, dass mit der Aufbereitung auch gleichzeitig der Zugriff auf die Grundstücke und die Akquisition von Aufträgen der Baugruppen verbunden ist und somit einer gerechten Verteilung entgegen steht. Besser wäre unserer Ansicht nach, wenn die Verwaltung als objektive Stelle sich in die Lage versetzt, die Aufbereitung und Verteilung ordnungsgemäß durchzuführen, um damit dem politischen Auftrag nach Förderung von Baugemeinschaften nach zu kommen.
Reiner Schendel ist Geschäftsführer der STATTBAU HAMBURG GmbH und seit Jahren mit allen Fragen rund um die Projektentwicklung und vor allem Finanzierung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten und Baugemeinschaften befasst.
zuerst veröffentlicht: FreiHaus 14(2007), Hamburg