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Interview mit Senator Mario Mettbach

„Beibehalten und ausweiten“

Wie geht es weiter mit der Förderung von Bau- und Hausgemeinschaften in Hamburg, nachdem es eine neue politische Lage in der Hansestadt gibt? Diese Frage bewegt viele Interessenten an nachbarschaftlich orientierten Wohnformen. FreiHaus hat dazu, knapp ein Jahr nach der Wahl zur Bürgerschaft, den Präses der Behörde für Bau und Verkehr, Senator Mario Mettbach, interviewt.

FreiHaus: Die erste große Broschüre Ihrer Amtszeit hat den Titel: „Bau- und Hausgemeinschaften in Hamburg“ und den Untertitel: „Neue Lebensqualität für die Stadt“. Könnten Sie einmal erläutern, worin Sie diese neuen Lebensqualitäten sehen?

Senator Mario Mettbach: Die Qualität liegt in der Vielfalt der Wohnungsangebote, die durch Baugemeinschaften realisiert wird. Wir bieten Menschen die Möglichkeit, gemeinsam zu bauen, bei der Gestaltung ihrer Grundrisse selbst mitzuwirken, mit befreundeten Menschen unter einem Dach gemeinsam zu wohnen, sich gegenseitig bei der Bewältigung des Alltags zu unterstützen.

„Baugruppenagentur für Hamburg?“

FreiHaus: Bau- und Hausgemeinschaften können einen Beitrag dazu liefern, die Umlandwanderung in Hamburg in Grenzen zu halten. Das haben Studien aus den letzten Jahren aufgezeigt. Wie werden Sie auf diese Erkenntnisse der Gutachter reagieren?

Mettbach: Wir wollen dieses Segment im Wohnungsangebot beibehalten und ausweiten. Es sollen mehr Menschen im geförderten Mietwohnungsbau und im Eigentum die Möglichkeit erhalten, sich selbst aktiv mit Wohnraum in der Stadt zu versorgen. Wir sind an der Förderung von Bau- und Hausgemeinschaften als einem Instrument zur Reduzierung der Umlandabwanderung sehr interessiert. Die Ausweisung von neuen Wohnungsbauflächen ist hierbei ein erster Beitrag. Zur Zeit prüfen wir die Gründung einer Baugruppenagentur, in der Zuständigkeiten, Beratung und das notwendige „Know-how“ zur Förderung von Baugemeinschaften gebündelt werden sollen.

„Lösungsmöglichkeiten bei Grundstückspreisen“

FreiHaus: Ein Hauptproblem ist der Zugang zu Grundstücken, denn auf dem privaten Grundstücksmarkt haben Bau- und Hausgemeinschaften i.d.R. wenig Chancen. Hier kommt der Stadt als Grundstückseigentümerin eine wichtige Rolle zu. Wo sehen Sie Handlungsansätze, mit denen die Stadt im Bereich der Grundstücksvergabe auf Belange von Bau- und Hausgemeinschaften eingehen kann?

Mettbach: In der Tat sind die Grundstücke der Liegenschaft insgesamt knapp. Begehrte Grundstücke befinden sich in innerstädtischen Lagen in der Stadt. Angesichts der knappen Haushaltslage steht der bisherige Grundstückskostenrichtsatz für städtische Grundstücke im Mietwohnungsbau auf dem Prüfstand. Ob und welche Auswirkungen sich auf Bau- und Hausgemeinschaften ergeben, werden wir sorgfältig prüfen und ggf. nach Lösungsmöglichkeiten suchen. Für Projekte im Einzeleigentum wird sich nicht viel ändern, da gilt bisher schon der Verkehrswert.

Eine Aufgabe der oben genannten Baugruppenagentur wird auch die Suche und Aktivierung von untergenutzten Grundstücken sein. Parallel wird die Baugruppenagentur sich in die laufenden Planverfahren, insbesondere auch bei der Umwidmung von Konversionsflächen, für die Sicherung von geeigneten Grundstücken einsetzen. Wir haben noch weitere Ideen für Modellvorhaben, die aber noch intern diskutiert werden müssen, bevor sie in die Umsetzung gehen.

„Genossenschaften mit sozialer Orientierung“

FreiHaus: Bau- und Hausgemeinschaften gibt es im individuellen und im genossenschaftlichen Eigentum. Wo liegen die Vor- und Nachteile des individuellen gegenüber dem genossenschaftlichen Eigentum und wo werden die Schwerpunkte der Förderung in Zukunft liegen?

Mettbach: Beim genossenschaftlichen Eigentum sind die Bewohner gemeinschaftlich Eigentümer ihres Unternehmens Genossenschaft. Sie haften mit den übernommen Genossenschaftsanteilen. Diese Anteile liegen je nach Wohnungsgröße bei 10.000 bis 35.000 €. Unter Hausgemeinschaften im genossenschaftlichen Eigentum verstehen wir Wohnungsbauprojekte bei denen

  • die Mitglieder zusätzliche Anteile gegenüber dem normalen genossenschaftlichen Wohnungsbau übernehmen und
  • die Mitglieder an der Verwaltung ihrer Wohnungen und über Investitionen in ihrem Wohnobjekt ebenso wie Mitglieder einer Wohnungseigentümeranlage an den Entscheidungen beteiligt sind.

Außerdem sollte sich zukünftig der Einsatz zusätzlicher Eigenmittel auch in der Höhe der Nutzungsgebühren niederschlagen; durch die kontinuierliche Einbringung von Eigenmitteln – auch als Nachsparen von Genossenschaftsanteilen bekannt – können teure Fremdmittel durch Eigenmittel ersetzt werden und somit niedrige Wohnkosten insbesondere im Alter gesichert werden.

Die genossenschaftlichen Hausgemeinschaften müssen sich durch soziale Komponenten auszeichnen. D.h. insbesondere Integration von behinderten und älteren Menschen oder von Familien mit nur einem Elternteil. Diese Belegungsverpflichtungen müssen langfristig, d.h. mindestens für 35 Jahre übernommen werden, wenn sie hierfür ein Eigenkapitalersatzdarlehen erhalten wollen; dieses Darlehen wird wie bisher durch Nachsparleistungen für zusätzliche Genossenschaftsanteile getilgt.

„Einzeleigentum und genossenschaftliches Eigentum gleichberechtigt“

Die Mitglieder von Hausgemeinschaften im genossenschaftlichen Eigentum können ihre Wohnungen nicht individuell veräußern. Wenn ein Bewohner seine Genossenschaftswohnung z. B. wegen Wechsel des Wohn- oder Arbeitsortes aufgeben will, kann er die Genossenschaftsanteile übertragen und erhält sein Eigenkapital zurück. Eine Umwandlung in individuelles Eigentum kann bei Zustimmung aller Mitglieder eines Objektes nach Auslaufen der Förderung oder Rückzahlung der Fördervorteile erfolgen. Das genossenschaftliche Eigentum erleichtert die heute zunehmend geforderte berufliche Mobilität, da die so genannten Transaktionskosten (z.B. Grunderwerbssteuer, Notar- und Maklerkosten), der Eigentumswechsel beim individuellen Wohneigentum entfallen.

Die Förderung des individuellen Wohneigentums ist nicht an besondere soziale Komponenten – wie oben beschrieben – gebunden. Der Einzeleigentümer kann Wertsteigerungen beim späteren Verkauf realisieren.

Bei Hausgemeinschaften im genossenschaftlichen wie beim individuellen Eigentum steht die Subjektförderung im Vordergrund. D.h. die Höhe der Förderung orientiert sich am jeweils verfügbaren Einkommen des einzelnen Bewohners. Beide Eigentumsformen sind gleichberechtigt.

FreiHaus: Wir bedanken uns für das Interview.

Die Fragen stellte Dr. Josef Bura. Er ist Mitarbeiter der STATTBAU HAMBURG GmbH.

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 9(2002), Hamburg