Kategorien
Artikel Wohnprojekte für besondere Zielgruppen Wohnprojekte Hamburg

Kündigung

*** Glosse von Loa ***

Zehn Jahre selbstverwaltetes Wohnen. Dann passiert es. Es reicht: die erste Kündigung. Loa macht sich so seine Gedanken.

Nach Reha ohne Ende

Na super, letzte Woche kam ich nach zehn Jahren „Wohnprojekt“ endlich mal in den Genuß, voll den Vermieter raushängen zu lassen. Wie immer haben es sich alle Beteiligten ordentlich schwer gemacht. Nach allen fehlgeschlagenen Reha-Versuchen wurde vorvorgestern auf unserem Verwaltungsrat beschlossen, daß ich mir eine – die erste – Kündigung unserer Geschichte aus den Fingern saugen darf. Ich fühlte mich also mal wieder richtig pudelwohl dabei, das Arschloch zu sein, zu dem mich genau diese Art von Brüdern und Schwestern stempeln würden, wenn sie jemand gefragt hätte. Also mußte und durfte ich endlich meinem menschenverachtenden Treiben den primitivsten und niederträchtigsten Lauf lassen. Unter unserem Briefkopf stand nun fett diese Igitt-Buchstabenfolge:

Kündigung

Das klingt doch wie Abschiebung, Untergang, alle-Ideale-über-Bord-werfen, Straße, der-geht-doch-ein! Hallo, haaaallo wer verbietet oder besser welche Ideologie (oder schwabbeliger formuliert), welcher Anspruch verbietet uns eigentlich, jemanden auf die Straße zu setzen, der nichts, aber rein gar nix für die ihn tragenden und ertragende Gemein-schaft tut? Nein, der Beurteilungszeitraum ist nicht drei Monate, bitte Geduld. Sagen wir mal drei Jahre, na gut vier. Was, so lange laßt ihr euch auf der Nase ‚rumtanzen?

Alles Labern hilft nicht

In den drei-vier Jahren ist das Gespräch gesucht worden: „Ej Alta, wie sieht’s mit Miede aus?“ – „Ohnöö Alta, keine Kohle woissu, gezockt.“ – „Alta siehzu!“ Ende der Diskussion. Halbes Jahr später. „Loa, die wolln uns das Gas abdrehn!“ Na gut grad Geld da, zwei mille, und holt euch das wieder! Das issn Darlehn! Ratifizierung zwei Tage später, verwaltungstechnisch auch kein Problem. Dann wieder der Bitt-Gang bei unserem Freund: „Alta, wir ham 2 Mille Gas-Schulden, und du 800. Na gut: Unter wüsten Beschimpfungen werden uns Blutsaugern 150 vor die Füße geschmissen. Na wenigstens ist diesmal nix zu Bruch gegangen. Eilig werden die Scheine zusammengerafft und nu bloß raus hier… zum Näxten…

Aktion Klabautaman

Aber bleiben wir bei unserm Freund. Er ist einer der 16 Mahnungs-Adressaten, die richtig was offen haben. Jetzt keine Fehler machen heißt es aufm V-Rat. Keine Opfer-Debatten provozieren. Sachzwänge vorschieben (auch ein geiler Terminus aus der Arschloch-Welt). Die Operation „Klabautaman“ (Deckname) steht. Angesetzt sind zwei Buße-Termine. Und es passiert das fast unglaubliche und sehnlichst erhoffte. Fast alle erscheinen. Drei sabbeln nich lange, reichen die Gebrüder Grimm rüber. Die anderen richten Daueraufträge zum Schuldenabbau ein, danach kommen einige Batzenzahler rein. Und er? Wieder neue Absichtserklärungen: bis dannunddann dasunddas. Nun gut.

Jetzt reicht´s

Wochen gehen ins Land. Andere sind bemüht. Zweieinhalb Monate später wieder V-Rat, aber wegen ’ner ganz andern Sache. Und doch, es kommt aufn Tisch. Eine hat mit ihm geredet und nach langem Bla 500 Ohrn zum Einzahlen für ihn ausgelegt. V-Rat beschießt: zu spät. Keine längere Verarschung. Vielleicht ist es auch für ihn besser. Soll er mal draußen sehn, wie fies die Welt wirklich ist. – Heilung durch Reality? – Das ist doch zynisch. Ihr seit doch nicht besser als die Politiker. Egal, Kündigung. Da ist es wieder, dieses grausige Wort. Bä. Und jetzt will die geneigte Leserschaft auch noch wissen wie die Geschichte ausgeht? NIX da, merkt mal selber wie euch der Sabber runterläuft und ihr in den letzten 10 Minuten im Hinterkopf Parallelen zu euren Lieblingsfeinden gezogen habt! Höhöhö.

Auflösung demnäxt.       

Loa ist vulgärhamburgisch und steht für Lothar T. Er ist Mitglied im Verwaltungsrat und Bewohner eines stadtbekannten Wohnprojektes.                                                 

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 3(1998), Hamburg