*** von Bernd Coch ***
Von Anfang der 80er bis Mitte der 90er Jahre waren sie immer für eine Schlagzeile gut: die BewohnerInnen der Hamburger Hafenstraße. Jetzt wieder. Denn seit kurzem wird dort gebaut. Einer, der`s wissen muß, berichtet über den neuesten Stand.
Einigung nach mühsamen Verhandlungen
Jahrelang war es dem Senat um Räumung und Abriß unserer Häuser gegangen. Vor drei Jahren gab es zum ersten Mal ernsthafte Gespräche mit der Stadt. Wir wollten für die Häuser eine breite ‘gesellschaftliche Trägerschaft’: die Genossenschaft „St.Pauli Hafenstraße e.G.“ Diese wurde und wird von 700 Nachbarinnen und Nachbarn, Initiativen und UnterstützerInnen getragen. Viele in Hamburg wollten sich an der Übernahme der Häuser beteiligen und das damals von uns geplante Neubauprojekt auf der ehemaligen Freifläche östlich der Häuser unterstützen. Der Senat dagegen hatte lange die Absicht, die Häuser im Rahmen einer auf eine Person zugeschnittene Stiftung zu privatisieren.
Im Hafen der Genossenschaftsbewegung
Im Sommer 1996 haben wir nach zähen Verhandlungen die neun Hafenstraßen-Häuser mit Hilfe der zu diesem Zweck gegründeten Genossenschaft „Alternativen am Elbufer e.G.“ gekauft. Mit im Paket waren drei weitere Häuser in der direkten Nachbarschaft. Die Genossenschaft hat zusätzlich eine acht Jahre laufende Option auf die Freiflächen zwischen den Häusern. Die „St.Pauli Hafenstraße e.G.“ besteht weiter. Sie ist in die neue Genossenschaft ebenso als Mitglied eingetreten wie der BewohnerInnen‑Verein der Hafenstraße, in dem die BewohnerInnen der Häuser organisiert sind. Die Mitgliederzahl der neuen Genossenschaft wurde auf Wunsch des Senats für die nächsten Jahre auf 36 beschränkt. Der Kaufpreis wurde über das angesparte Eigenkapital, ein Privatdarlahen sowie über Förderdarlehen der Ökobank finanziert.
Sanierung mit öffentlicher Förderung
Wir haben die Häuser mit Hilfe des BewohnerInnen-Vereins von der Genossenschaft gepachtet, um uns einen möglichst großen Einfluß zu sichern. Das Belegungsrecht liegt bei uns, die Nettokaltmiete liegt deutlich unter 10 DM/m². Für den Zustand, in dem die Häuser heute sind, ist das ein stolzer Preis. Nach der Sanierung ist das vergleichsweise günstig. In den übrigen drei von „regulären“ Mieterinnen und Mietern bewohnten Häusern ist die Genossenschaft in die bestehenden Mietverträge eingetreten. Mit dem Kaufvertrag hat sich der Senat zur Förderung der Sanierung aller Häuser verpflichtet. Grundlage ist das ABB-Programm (Alternative Baubetreuung), das zu Eigenleistungen in Höhe von 15% der Baukosten verpflichtet. Bei der Finanzierung der Sanierung helfen zusätzliche Mittel aus der Sozialbehörde, die uns drei Stellen für Anleitungskräfte befristet auf drei Jahre finanziert. Zehn Leute werden als Langzeitarbeitslose über ein Lohnkostenzuschuß-Programm (Transfer) gefördert.
Zweitgrößte Firma von St. Pauli-Süd gegründet
Wir haben uns als Ziel gesetzt, möglichst viele der anstehenden Arbeiten in eigener Regie zu erbringen. Dazu haben wir Fachleute für alle Gewerke (Maurer, Zimmerleute, Tischler, Sanitär, Heizung und Elektriker) eingestellt, die die Bauhelferinnen und ‑helfer anlernen. Wer eine grobe Ahnung davon hat, wie die Hafenstraße funktioniert, kann sich vielleicht vorstellen, vor welche Probleme uns diese Baustelle stellt… Das ganze hat aber für uns viele Vorteile: Ein Haufen Leute kann was lernen, was schon ein wichtiges Ziel ist. Und wir können – innerhalb des engen Kostenrahmens – zu halbwegs korrekten Bedingungen arbeiten. Gleichzeitig können wir möglichst großen Einfluß auf die Bauausführung nehmen. Auf jeden Fall sind wir mit ca. 40 Werktätigen – nach der Astra-Brauerei -wahrscheinlich der zweitgrößte Betrieb in St. Pauli-Süd.
Richtfest im Sechser-Block
Wer in der letzten Zeit an den Häusern vorbeigekommen ist, wird gesehen haben, daß wir mit dem 6er Block angefangen haben. Das sind die Häuser St. Pauli Hafenstraße 126 und Bernhard-Nocht-Str. 16. Deren Bewohner und Bewohnerinnen sind in ein Umsetzhaus ins Schanzenviertel gezogen. Das große Wandbild, einst Symbol für die Hafenstraße, mußte leider runter. Drinnen ist die Bausubstanz weitgehend zerlegt, der Schwamm ist schon draußen – hoffentlich jedenfalls. Mitte September haben wir Richtfest gefeiert, im Frühjahr sollen die Leute wieder einziehen können. Zum Schluß noch was Zukunftsträchtiges: Unter dem Dach der „St.Pauli Hafenstraße e.G.“ entsteht ein neues Wohnprojekt. Am Pinnasberg beginnt die Wohngruppe „Parkhaus“ mit den Planungen für ca.1.300 qm² Wohnfläche. Dazu aber in einer der nächsten FREIHAUS-Nummern mehr.
Bernd Coch ist seit 11 Jahren Bewohner der Hafenstraße. Er ist Vorstandsmitglied in der „Alternativen am Elbufer e.G.“ und der „St. Pauli Hafenstraße e.G.“
Zuerst veröffentlicht: Freihaus 3(1998), Hamburg