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Artikel Rechtsform/Genossenschaft Wohnprojekte für besondere Zielgruppen

Lawaetz-Stiftung

Wohnprojekte für Obdachlose im Altbau

*** von Karin Spindler ***

Wohnungslosigkeit ist heute ein großes gesellschaftliches und soziales Problem. Frauen, Männer und Kinder auf der Straße oder in teuren Primitivpensionen, Familien in Notunterkünften, Flüchtlinge auf Containerschiffen. Selten war nach Beendigung der Nachkriegsnot das Wohnungselend so offen sichtbar wie Ende der 90er Jahre. Daher sind neue Initiativen gefragt.

Wohnungslosigkeit: andere Zeiten – andere Sitten

Vor über hundert Jahren gingen Staat und Gesellschaft meist sehr rigide mit Wohnungslosen um: Sie wurden vertrieben oder in „Arbeitshäuser“ zum Zwecke der Zwangserziehung gesteckt. Nur in Ausnahmefällen wurde ihnen Wohnraum zur Verfügung gestellt oder Gelegenheit zum ansiedeln in „wilden Vierteln“ gegeben.

J. D. Lawaetz (1750 – 1826) vertrat schon damals die Auffassung, daß Armut nicht durch Almosen, sondern durch Hilfe zur Selbsthilfe und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu bekämpfen sei. 1986 ist diese Tradition in der Gründung der gleichnamigen gemeinnützigen Stiftung durch die Freie und Hansestadt Hamburg aufgegriffen worden.

Mit dem ABB-Programm der Stadtentwicklungsbehörde, soll preiswerter Wohnraum für sozial Benachteiligte erhalten und geschaffen, neue selbstbestimmte Wohn- und Lebensformen unterstützt und Arbeits- mit der Wohnraumförderung verknüpft werden.

Daß schließlich auch Menschen aus städtischen Wohnunterkünften für Obdachlose diesen Weg der „Hilfe zur Selbsthilfe“schaffen, daran hatte vor jetzt 13 Jahren wohl niemand gedacht.

Mit staatlicher Förderung und Muskelhypothek aus der Unterkunft

  • Das erste und für Hamburg damals einmalige Wohnprojekt mit Obdachlosen ist der Winkelmannsche Hof im Norden Hamburgs, der von März 1990 bis Oktober 1992 saniert wurde. Es handelt sich dabei um das Hauptgebäude eines Gutshofes, der in einem Landschaftsschutzgebiet liegt. Heute beherbergt das Haus acht „Winkelmänner“, die in einer Wohngemeinschaft zusammenleben.
  • Im nächsten Wohnprojekt mit Obdachlosen wurde Anfang 1997 erfolgreich Einweihung gefeiert. Das im Süden Hamburgs belegene Haus in der Cuxhavener Straße war ursprünglich das Haus vom Bäckermeister Heinrich Bauer, Hein Bäcker genannt. Es wurde mit Mitteln der Sozialbehörde (BAGS) erworben. Heute sind sieben vormals wohnungslose Männer voll für das Gebäude verantwortlich, das sie in Selbstverwaltung übernommen haben. Diese Eigenverantwortung hat die persönliche und fachliche Entwicklung der Gruppenmitgliedersehr gefördert.
  • Nach dem gleichen Verfahren wird zur Zeit in der Großen Brunnenstraße in Altona ein typisches Wohnhaus aus der Jahrhundertwende mit drei Vollgeschossen und einem teilweise ausgebauten Dachgeschoß von sieben obdachlosen Männern und Frauen umgebaut. Es werden sechs abgeschlossene Wohnungen entstehen.
  • Vorbereitet wird die Umwandlung und Sanierung einer städtischen Wohnunterkunft für Familien in Sozialwohnungen in dem Armutsbekämpfungsgebiet Bergedorf-West. Wer dort eingewiesen ist, hat aufgrund der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt kaum eine Chance, eine geeignete Wohnung zu finden. Das gilt besonders für Familienmit vielen Kindern.

Was ist neu an diesen Modellen?

Wie bei allen anderen Wohnprojekten auch, waren die vormals wohnungslosen Menschen an der Planung beteiligt. Sie haben am Erhalt ihrer Gebäude durch praktische Selbsthilfe mitgewirkt: das hieß Knochenarbeit auf dem Bau. Manche haben dadurch – nach langer Zeit auf der Straße oder im Heim – wieder Zugang zu regelmäßiger Beschäftigung gefunden. Auf jeden Fall war es für sie eine positive Erfahrung: daß durch Engagement eine selbstbestimmte stabile Wohnperspektive erworben werden konnte. Zu wünschen bleibt, daß die Lawaetz-Tradition der Hilfe zur Selbsthilfe in der Obdachlosenarbeit weitere Kreise zieht.

Karin Spindler ist Betriebswirtin und arbeitet als Projektleiterin bei der Lawaetz-Stiftung

Zuerst veröffentlicht: FREIHAUS 1(1997), Hamburg