*** von Volker Doose ***
Eine Wohnung für alle Lebensphasen: Geeignet für Kindererziehung, Altenwohnen, Behinderte oder Gesunde. Das gibt es nicht?! Der Architekt Volker Doose realisiert ein Projekt.
Politische Interessen und Förderlandschaft
Politisch unterliegt der Wohnungsbau im Laufe dieses Jahrhunderts den sich stets wandelnden Finanzierungsbestimmungen. Je nach dem, welche Lobby-Interessen wirksam werden, entstehen Förderungsprogramme
So sind z.B. entstanden: sozialer Wohnungsbau, altengerechtes Bauen, generationsübergreifendes Wohnen, betreutes Wohnen, steuerbegünstigtes Wohnen, behindertengerechtes Wohnen, barrierefreiesWohnen.
Entwurf: Büro Doose+Vrana
Menschliche Anforderungen in den Mittelpunkt
Ich bin der Meinung, daß das Wohnen ein Allgemeingut ist, welches zu den Grundbedürfnissen unseres Menschseins gehört. Daraus folgt, daß wir vom Menschen ausgehen sollten und seinen unterschiedlichen Anforderungen Rechnung tragen müssen, wie sie im Laufe des Lebens auftreten. Diesen unterschiedlichen Nutzungsanforderungen sollte man meines Erachtens nicht mit Spezialaussagen des jeweiligen Trends begegnen.
Geburt, Kindheit, Erwachsensein, Alter und Sterben sind ebenso wie Krankheit, zeitweise oder ständige Behinderung und Krankenpflege natürliche Lebensereignisse und müssen in der Planung berücksichtigt werden. Die Wohnung ist auch ein Arbeitsplatz: Haushaltsführung, Kindererziehung und Pflege sind Arbeiten, die in der Wohnung stattfinden und ebenso wie Teilzeitarbeit entsprechend Platz benötigen. Er sollte auch für Kinderwagen und Rollstühle vorhanden sein.
Alle Bedürfnisse unter ein Dach
Die Wohnmobilität bestimmt der Bewohner in LEBENSLAUFWOHNEN selbst. Voraussetzung hierfür sind Räume mit variabler Nutzungs- und Möblierungsmöglichkeit. Die Wohnung, die nur einer Anforderung der Lebensereignisse Rechnung trägt und z.B. kind- oder altengerecht ist, wirkt ausgrenzend und behindernd. Das Verschwinden der Großfamilie hat viel zu der Ausgrenzung beigetragen. Heute werden Menschen mit ihren Bedürfnissen viel zu schnell an spezielle Sonderdienste – Therapeuten, Pfleger, Altenheime, etc. – verwiesen. In LEBENSLAUFWOHNEN käme vor der Sozialstation eine „Familienstation“ als Anlaufstelle für die alltäglichen Bedürfnisse. Die Großfamilie können wir nicht wieder zum Leben erwecken. Wir können aber Voraussetzungen für ein Zusammenleben schaffen, in dem wir dafür sorgen, daß eine Wohnung und das Wohnumfeld allen Lebenslaufbedingungen gerecht wird.
Nur LEBENSLAUFWOHNEN ist im Interesse der Gemeinschaft ökonomisch und sozial. Je nach Finanzierungsmodell empfiehlt es sich, den hohen technischen Ausbau den Raumabmessungen zugute kommen zu lassen. Die technische Ausstattung entsteht erfahrungsgemäß nach und nach aus der Wohnnutzung heraus.
Die ersten LEBENSLAUFWOHNUNGEN werden gebaut
Auf dem Grundstück Walddörferstraße/Nordschleswigerstraße entsteht das erste Projekt mit der Zielsetzung von 45 LEBENSLAUFWOHNUNGEN. Getragen wird dieses Projekt von der Wohnungsbaugenossenschaft Kolping e.G. in Kooperation mit dem Hamburger Blinden- und Sehbehinderten Verein. Die Realisierung erfolgt durch das Planungsbüro Doose + Vrana GmbH.
Wie sich jeder vorstellen kann, ist dieses Projekt eine Mischung aus der Zielsetzung und einer Reihe von Zugeständnissen und Kompromissen im Rahmen der Finanzierungsbedingungen. Wer mehr über die Zielsetzung dieser Idee wissen will, kann dies bei der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland e.V., Silcherstraße 15, 67591 Mölsheim, Tel: 06243/-5256, erfahren.
Volker Doose ist freier Architekt und betreibt ein Büro in Hamburg und Berlin
Zuerst veröffentlicht: Freihaus 3(1998), Hamburg