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Artikel Wohnprojekte für besondere Zielgruppen

Neue Hausgemeinschaften an der Saarlandstraße

Umzugsbereit …

*** von Michael Pfundtner ***

Die Außenanlagen sind noch nicht ganz fertig, doch das Haus ist von innen und außen bereits fertig. Dass bis vor kurzem die Handwerker mit Hochdruck gearbeitet haben, ist kaum noch zu erkennen.

Anfang Juni musste alles fertig sein auf der Baustelle am Wiesendamm. Dann nämlich wollten die Bewohner der zukünftigen Hausgemeinschaft dort einziehen. Am Eisenwerk ist der Name der Stichstraße, die ausgehend vom Wiesendamm in die Wohnanlage hineinführt und an den ursprünglichen Standort einer Eisenfabrik erinnern soll. Insgesamt errichtet die Baugenossenschaft FLUWOG Nordmark auf dem Gelände an der Kreuzung Saarlandstraße/Wiesendamm zur Zeit mehrere Wohnhäuser mit insgesamt 53 Wohnungen.

Der überwiegende Teil der Wohnungen wird von den Mitgliedern des Wohnprojektes Autofreies Wohnen „IG SAAR II“ bewohnt werden. Zu diesem Wohnprojekt gehören vier Menschen mit Behinderung, mit allen Rechten und Pflichten, die sich aus der Mitgliedschaft in einem solchen Wohnprojekt ergeben. Zu nennen ist hier die regelmäßige Teilnahme an den monatlichen Treffen, den Workshops zum Thema Gartengestaltung, Haustierhaltung etc. und vieles mehr.

In der Hausgemeinschaft Am Eisenwerk selber leben 20 Bewohner und Bewohnerinnen mit Behinderung entweder in einem Apartment oder einem Mehrpersonenhaushalt. Das Haus ist von der Eingangstür bis zum Dach barrierefrei. Damit können sich die Bewohner und Bewohnerinnen im ganzen Haus bewegen und sind nicht – wie oft realisiert – nur auf barrierefreie Wohnungen im Erdgeschoss angewiesen. Das heißt, sie können ihre Nachbarn auch in ihren Wohnungen besuchen, und sind nicht darauf angewiesen, dass der Besuch zu ihnen kommt.

Zum ersten Mal in der eigenen Wohnung

Die Bewohner und Bewohnerinnen der Hausgemeinschaft treffen sich einmal im Monat, um sich besser kennen zu lernen und verschiedene Themen zu bearbeiten. Einige der Bewohner, die bisher in einer stationären Wohngruppe gelebt haben, ziehen zum ersten Mal in eine eigene Wohnung. Für sie stellen sich spannende neue Fragen: Was brauche ich in einer eigenen Wohnung? Wie wird das mit dem Geld? Wo kaufe ich ein?

Bewohner, die in eine stationäre Wohngemeinschaft ziehen, bewegen eher Fragen wie: Wer wird mein Zimmernachbar, wie wollen wir zusammen leben?

Im Vordergrund steht jedoch bei allen das gemeinsame Kennenlernen und Erleben. So wurde gemeinsam das Richtfest gefeiert, gekegelt oder zusammen die Baustelle besucht. Schließlich ist es egal, ob jemand ambulant oder stationär unterstützt wird, wichtig ist das Zusammenleben in der Hausgemeinschaft.

Gleichzeitig bereitet sich ebenfalls bereits seit einem Jahr ein Projektteam bestehend aus sechs der zukünftigen Mitarbeiter auf ihren Einsatz im Eisenwerk vor. Bearbeitet wurden u. a. Themen wie die Unterstützung der Bewohner, Zusammenarbeit mit den Angehörigen, die Arbeitsorganisation, die Umzugsplanung und vieles mehr. Selbstverständlich wurde Rat bei der vor zwei Jahren realisierten Hausgemeinschaft MAX B in Hamburg Altona eingeholt.

Begleitung und Selbstbestimmung

Ganz wichtig: Im Haus wird rund um die Uhr Unterstützung angeboten. In der Zeit von 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr wird täglich eine Fachkraft präsent sein. Darum gruppieren sich je nach Bedarf der Bewohner weitere Mitarbeiter, die für die persönlichen Belange der einzelnen Menschen zuständig sind. In der Eingewöhnungsphase ist zunächst eine Nachtwache vorgesehen. Bei der Reinigung der eigenen Wohnung sowie der des Hauses werden die Bewohner von drei Haushaltskräften unterstützt. Bei den Bewohnern, die in einer eigenen Wohnung leben, kommt gegebenenfalls noch der Pflegedienst hinzu.

So wird jeder Nutzer die Unterstützung erhalten, die er benötigt, um seine Vorstellungen von einem eigenständigen Leben umsetzen zu können.

Eine hektische Zeit lang waren noch Alle mit Vorbereitungen beschäftigt: die Handwerker bauten die Küchen ein, die zukünftigen Bewohner suchten Möbel aus und das Projektteam organisierte den Umzug sowie die zukünftige Arbeit.

Die Spannung steigt, die Vorfreude auch. Die Umzugswagen stehen vor der Tür!

Michael Pfundtner ist Mitarbeiter von Leben mit Behinderung Hamburg und hat das Konzept für das Projekt „Am Eisenwerk“ mit entwickelt.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 16(2009), Hamburg