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Artikel Wohnprojekte Hamburg

Von nix kommt nix

Das Hausprojekt Inter-Pares in Altona-Altstadt

*** von Shelina Islam ***

„Wie bitte? Ihr baut ein Haus, das euch nie gehören wird?“ Solche und ähnliche Fragen bekommen die Mitglieder des Hausprojekts Inter-Pares in Altona-Altstadt oft zu hören, und manchmal ist es gar nicht so einfach, eine einleuchtende Antwort darauf zu finden. Man erklärt und kommt immer wieder an den Punkt, an dem von zeitintensiver Eigenleistung und verzweifeltem Geldauftreiben die Rede ist. Und alles unter dem Aspekt, nie zu besitzen, was man da baut. Sind Hausprojektler vielleicht nichts als naive Luftschlossbauer?

Nicht ganz. Das Hausprojekt Inter-Pares zumindest ist trotz aller Hürden auf den Weg gebracht. Und gerade sein Anspruch, kein neues Eigentum zu schaffen sondern ein Haus, das von seinen Bewohnern selbst verwaltet werden wird, macht es so besonders.

Das Prinzip „Mietshäuser Syndikat“

Doch wie funktioniert das? „Kapitalneutralisierung“ und „Solidartransfer“ sind Schlagworte, die abstrakt klingen, aber im Kern vor allem eines aussagen: Viele wollen etwas gemeinsam schaffen, und das geht, indem alle sich gegenseitig unter die Arme greifen, sobald sie aus dem Gröbsten raus sind. Der Motor dieser Idee liegt im Mietshäuser Syndikat – einem Zusammenschluss zahlreicher Hausprojekte und Initiativen, die ihre Idee des gemeinschaftlichen und selbstverwalteten Wohnens verwirklichen wollen. Hier gibt es finanzielle und vor allem planerische Starthilfe, die von Projekten ausgeht, die ihre Häuser ganz oder zum Großteil fertig gestellt haben. Hier erfährt man auch, wie die Finanzierung eines Hausprojekts bewältigt werden kann, die bei größeren Projekten in schwindelnde Höhen geht. „Fatalerweise geht der starke Wunsch der Initiative nach einem selbstorganisierten Hausprojekt so gut wie immer mit einer äußerst schwachen Kapitalausstattung der Mitglieder einher“, sagt Stefan Rost vom Mietshäuser Syndikat. „Bankkredite kosten Geld, aber die Miete soll sozial verträglich bleiben. Also muss man nach Alternativen suchen. Eine davon ist der Solidartransfer, bei dem Altprojekte Überschüsse an neue Projektinitiativen übertragen.“ Dieser Ansatz motiviert viele Gruppen, ein Projekt zu wagen. Und hilft, trotz der enormen finanziellen Herausforderung dabei zu bleiben. Denn die entstehenden Kosten, im Fall des Hausprojekts Inter-Pares hohe Kredite für den Abriss des baufälligen Gebäudes und den anschließenden Neubau, müssen über Jahre durch die Mieten abgegolten werden – ein Risiko, das viele abschreckt. Gehören wird das Haus dann einer Haus-GmbH, durch welche die Bewohner ihr Haus selbst verwalten.

Info

Das Mietshäuser Syndikat mit Sitz in Freiburg bindet derzeit 41 selbstorganisierte Hausprojekte und 24 Projektinitiativen in seinem Verbund. Es übernimmt Beraterfunktionen und beteiligt sich an Projekten, damit diese dem Immobilienmarkt entzogen werden können, hilft mit Know-how bei der Projektfinanzierung, verwaltet den Solidarfonds und initiiert neue Projekte. Mehr Informationen unter www.syndikat.org  

In der Chemnitzstraße in Altona-Altstadt herrscht eine gemütliche Ruhe. Ein paar Meter weiter rauscht der Verkehr durch die Max-Brauer-Allee, die Verbindungsstrecke zwischen Altona und Eimsbüttel ist viel befahren. In der Chemnitzstraße sind es vor allem Radfahrer und Fußgänger, die die begrünte Strecke am Kulturzentrum Haus Drei vorbei nutzen. Hier, in der Chemnitzstraße 78/80, sollen ab September die Arbeiten für ein Niedrigenergiehaus mit zehn Sozialwohnungen beginnen. Drei Stockwerke mit einem vierten Staffelgeschoss sind geplant, dazu eine Dachterrasse für alle. Im Hinterhof soll es einen kleinen Kinderspielplatz geben, und im Erdgeschoss wird der alternative Kaffeehandel El Rojito sein Lager beziehen.

Klappt die Finanzierung?

Doch die Dinge laufen nicht immer glatt. Neben der ständigen Sorge um die Finanzierung gibt es immer wieder Kontroversen; die Hausgruppe sieht sich plötzlich mit Entscheidungen konfrontiert, die für viele im Projekt neu sind. Der Zeit- und Finanzierungsdruck nimmt mit fortschreitender Planung zu, und auch Entscheidungsprozesse, die außerhalb des Projekts ablaufen, können den Optimismus ins Wanken bringen. So droht, sollte das Gerücht einer Änderung der Förderrichtlinien für Bauprojekte im neuen schwarz-grünen Senat sich bewahrheiten, dem Projekt eine untragbare Kostenexplosion. Die endgültige Entscheidung steht noch aus; bis dahin haben sich die Projektler nach mehreren Krisensitzungen dazu entschlossen, weiterzumachen und an einen guten Ausgang glauben.

Anmerkung der Redaktion: Im September/Oktober wird das neue Merkblatt IV der WK die aktuellen Förderbedingungen festlegen. Dann wird sich für Inter-Pares herausstellen, unter welchen Bedingungen das Projekt umgesetzt werden kann. Erste Rahmendaten sind in dieser FreiHaus auf S. 13 zu lesen.)

Der Bauwagenplatz soll erhalten bleiben

Der harte Kern von Inter-Pares, der vor fünf Jahren mit der Projektplanung begann, ist jetzt um einige Mitglieder jeden Alters gewachsen. 15 Erwachsene und acht Kinder bilden die Projektgruppe, die das Gebäude der ehemaligen „taz“-Redaktion in der Chemnitzstraße Ende 2006 kaufen konnte. Zwei Ideen trafen sich dabei auf halbem Weg: Die lang ersehnte Umsetzung des Hausprojekts, und der Erhalt des Wagenplatzes Hospi e.V., der direkt hinter dem Gebäude liegt und seit 17 Jahren ein nicht wegzudenkender Bestandteil des Stadtteils ist. Eine Übernahme durch Investoren hätte die Auflösung des Wagenplatzes zur Folge gehabt, da die einzige Zufahrt zum Platz über eine Durchfahrt im Vorderhaus führt. Das kann durch den Neubau mit einer Toreinfahrt für die Wagen nun verhindert werden. Und darin besteht der politische Anspruch des Projekts: In einer „wachsenden Stadt“ und einer zunehmenden sogenannten Aufwertung der Stadtteile, aus denen die Stammbevölkerung aufgrund von Immobilienspekulationen und horrend steigenden Mieten langsam aber sicher vertrieben wird, sozialen Wohnraum zu verteidigen. „Wir wollen den Veränderungen in den von uns geschätzten Stadtteilen Rechnung tragen und dafür sorgen, dass auch nach uns noch junge und andere Menschen in den Genuss von bezahlbaren, den eigenen Wünschen entsprechenden Lebensformen kommen“, erklärt ein zukünftiger Bewohner.

Kultur und Konzerte vor dem Baubeginn

Seit März dieses Jahres steht das alte „taz“-Gebäude nun frei und es gilt, die verschiedenen Phasen von Abriss und Neubau zu planen und umzusetzen. An den Frühjahrs-Wochenenden nahmen die zukünftigen Bewohner die Entkernung des alten Gebäudes in Angriff, um mit dieser Eigenleistung große Summen einzusparen. Auf drei Etagen und in zwei Haushälften wurden Sanitäranlagen deinstalliert, Sperrmüll und alter Bauschutt entsorgt, Tonstudios mit mehreren Lagen Dämmmaterial zurückgebildet.

Seitdem ist das Haus auch kulturell in ständiger Bewegung. Im alten Lager gab es Solidaritätskonzerte und Informationsveranstaltungen, im Hinterhof Grillabende mit den Bewohnern des Wagenplatzes. Junge Sprayer haben die Fassade in ein Graffiti-Kunstwerk verwandelt, Bilder und Installationen im Haus wurden auf einem zweitägigen „Art Music Festival“ Besuchern präsentiert. Auch wenn hier jeder weiß, dass das Zusammenwohnen auch Konfliktpotenzial birgt, gibt es einen gemeinsamen Wunsch: Hier soll keine Anonymität herrschen, sondern ein freundschaftliches und solidarisches Miteinander. „Ich wünsche mir einen unkomplizierten Alltag miteinander, Treffen auf der Dachterrasse und dass sich jemand um mich kümmert, wenn ich krank im Bett liege“, sagt eine zukünftige Bewohnerin des Projekts. Eigeneinlagen, Leihgemeinschaften, Bankkredite und Direktkredite von Freunden und Sympathisanten haben das Hausprojekt ins Rollen gebracht. Damit es weitergeht und das Haus im Winter nächsten Jahres bezugsfertig ist, gibt es noch viel zu tun. „Vorwärts!“, wie ein Hausgenosse immer sagt. Von nix kommt schließlich nix.

Shelina Islam ist Mitglied im Hausprojekt Inter-Pares und freut sich auf Plenums-Abende auf der Dachterrasse.  

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 15(2008), Hamburg