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Artikel Wohnungspolitik

Wohnungspolitik ist gefordert!

Wie bezahlbaren Wohnraum schaffen?

*** von Reiner Schendel ***

Die Hamburger Wohnungspolitik hat die Rahmenbedingungen gesetzt: 6.000 neue Wohnungen pro Jahr sollen gebaut werden. Doch reicht das? Experten sprechen von fehlenden bis zu 90.000 Wohneinheiten. Vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen und für Familien wird es schwieriger sich mit ausreichendem Wohnraum zu versorgen. Deutlich wird, dass zunehmend vor allem bezahlbarer Wohnraum fehlt und dieser auch unter heutigen Bedingungen nicht gebaut werden kann (s. auch in diesem Heft die Beiträge von Karin Aßmus und Tobias Behrens). Führt der eingeschlagene Weg zu mehr bezahlbarem Wohnraum?

Im Input-Referat zur Auftaktveranstaltung der 10. Hamburger Wohnprojektetage 2012 hatte ich auf Probleme der wohnungspolitischen Zielsetzungen der Umsetzung der Förderprogramme für Wohnungsbau hingewiesen. Die wesentlichen Aussagen vor knapp einem Jahr waren folgende: „Die Zielsetzung von 6.000 neuen Wohnungen pro Jahr treibt die Grundstücks- und Baupreise nach oben. Anforderungen von beteiligten Planungsstellen (z. B. Baurecht, Denkmalschutz, Energiestandard, Nachhaltigkeit, Förderbank) stehen maximiert nebeneinander und widersprechen sich teilweise. Sie sind manchmal unrealistisch und ebenfalls kostentreibend – niemand ist zuständig, die Anforderungen auf ein realistisches Maß zu bringen.

Nur 2.000 der geplanten 6.000 Neubauwohnungen sind geförderte Wohnungen (davon 1.200 im 1. Förderweg und 800 im 2. Förderweg), wobei nur der 1. Förderweg das wirklich preiswerte Segment darstellt (Einstiegsmiete 6 € pro qm netto kalt, Bezugsberechtigung mit § 8 Schein).

Die steigenden Herstellungskosten von Wohnraum liegen weit oberhalb der Anpassungen der Wohnungsbauförderungskonditionen. Damit erfordert das Bauen von geförderten Wohnungen einen erheblichen unrentierlichen Eigenkapitaleinsatz, der stetig ansteigt.

Wirtschaftlich vertretbar ist eine Investition in geförderten Wohnungsbau nur, wenn das Grundstück langfristig einen Wertzuwachs erfährt und wenn nach Bindungsablauf von 15 Jahren alle Mieterhöhungsspielräume ausgeschöpft werden. Das bedeutet es wird preiswerter Wohnraum nur für max. 15 Jahre gebaut und auch nur in Gebieten, die ein Aufwertungspotential haben.“

Knapp ein Jahr später ist festzustellen, dass obwohl in Hamburg die Zahl von 6.000 fertiggestellten Neubauwohnungen noch gar nicht erreicht wird, kaum freie Kapazitäten von Baufirmen zur Verfügung stehen und die Baukosten sich galoppierend nach oben bewegen. In den nachgefragten Stadtteilen entstehen größere Bauvorhaben mit einem Mix aus Eigentums- und geförderten Mietwohnungen, wobei durch den Verkaufserlös von teuren Eigentumswohnungen der geförderte Mietwohnungsbau quersubventioniert wird. Das könnte ja durchaus sinnvoll sein, führt aber dazu, dass insgesamt das Preisniveau von Wohnungen ansteigt, was mittelfristig auch wieder Erhöhungen der Mietpreise nach sich zieht. Außerdem ist dieses Modell nur bei größeren Bauvorhaben in der Regel durch große Bauträger möglich, also für den Normalfall (der Bau eines Hauses auf einem Grundstück) nicht übertragbar.

Die Differenz zwischen realistischen Gesamtkosten pro qm Wohnfläche und der rechnerischen Höchstgrenze mit Fördermitteln der Investitions- und Förderbank Hamburg (IFB früher: WK) liegt in einer Größenordnung von ca. 500 €. Das heißt, dass der Eigenkapitaleinsatz insgesamt ca. 1.000 € pro qm Wohnfläche beträgt (ca. ein Drittel der Gesamtkosten) – Tendenz steigend.

Es ist absehbar, dass die Bereitschaft, geförderten Wohnraum zu erstellen, stark zurückgehen wird. Es wird dann als erstes die Forderung nach höherer, auskömmlicher Förderung laut werden und dieser aus der Not heraus möglicherweise auch nachgegeben werden. Das ist dann allerdings eine teure Lösung, deren Ursachen in hausgemachten Fehlern liegen.

Wohnungsmarkt regelt sich nicht von allein

Wer sich die Wohnungsbauförderung und den Wohnungsmarkt der letzten 25 Jahre ansieht, stellt fest, dass immer wieder die gleichen Zyklen auftreten. Entspannt sich der Wohnungsmarkt, wird behauptet, dass keine wohnungspolitischen Korrekturen am Wohnungsmarkt mehr notwendig sind und die Förderung zurück gefahren. Nach einiger Zeit wird das Wohnungsangebot wieder knapper, die Preise steigen und insbesondere im preiswerten Bereich kommt es zu eklatanten Engpässen. Dann wird wieder mit viel Mühe und Kosten das Förderprogramm hochgefahren, um korrigierend in den Wohnungsmarkt einzugreifen. Am Ende eines jeden Zyklus sind die Preise und der Förderungsbedarf pro Wohnung massiv gestiegen.

Um das zu verhindern, muss dauerhaft folgendes gewährleistet werden:

  • Eine Mindestanzahl von geförderten Wohnungen muss jedes Jahr gebaut werden.
  • Die Förderung muss so auskömmlich sein, dass keine maximalen Mieterhöhungsverlangen oder spekulative Grundstückswertzuwachse erforderlich sind, um eine Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten.
  • Da die Förderung für die Stadt sehr teuer ist, muss die Bindungslaufzeit mindestens auf 30 Jahre erhöht werden (aktuell 15 Jahre).
  • Die Vergabe von städtischen Grundstücken sollte im Erbbaurecht geschehen, da im Erbbaurechtsvertrag dauerhafte Regelungen zur Bindung getroffen werden können (länger als 30 Jahre) und die Stadt langfristig stadtentwicklungspolitische Steuerungsmöglichkeiten behält.
  • Finden sich unter diesen Bedingungen keine privaten Investoren, muss die SAGA GWG stärker einbezogen werden und soziale Investoren und Baugemeinschaftsgruppen im Mietwohnungsbereich berücksichtigt werden
  • Darüber hinaus sollte an alte Programme angeknüpft werden, die fehlendes Eigenkapital durch Selbsthilfe ersetzt („Muskelhypothek“). Hier gibt es grade in Hamburg eine Menge Erfahrungen aus dem sogenannten ABB-Programm („Alternativer Baubetreuer“) mit dem über Jahre sehr viele Altbauten modernisiert und instand gesetzt wurden.

Die Wohnungspolitik und vor allem die Wohnraumversorgung kann nicht allein dem Markt überlassen werden. Kein Neubau und keine aufwendige (notwendige) Modernisierung kann unter den jetzigen Bedingungen ohne Förderung preiswert vermietet werden. Das bedeutet auch, dass jeder Verkauf von Wohnungsbeständen in den freien Markt zu einer Zuspitzung der Wohnraumversorgung führt.

Notwendig ist vielmehr der Aufbau eines gemeinwirtschaftlichen Bereichs bzw. Träger, die nach dem gemeinwirtschaftlichen Prinzip agieren und der langfristig erheblichen Wohnungsbestand hält, da nur unter Einbeziehung von Altbestand im Mix eine günstige Miete möglich ist.

Reiner Schendel ist Wirtschaftsinformatiker und Geschäftsführer von STATTBAU Hamburg GmbH.

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 19(2013), Hamburg