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Artikel Wohnprojekte für besondere Zielgruppen

Zwischen Heim und Luxusappartement

Situation und Aussicht des studentischen Wohnens

*** von Johannes Maue ***

Für Studierende wird es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Der geförderte Wohnungsbau für Studierende wurde in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt und viele der bestehenden Wohnheimkonzepte sind veraltet und nicht beliebt. Die Privatwirtschaft hat den Bedarf erkannt und setzt verstärkt auf Studierenden-Wohnformen im hohen Preissegment als sichere Investition.

Die Zahl der Studienanfänger steigt; in den letzten Jahren durch einmalige Ereignisse wie doppelte Abiturjahrgänge und das Aussetzen der Wehrpflicht sprunghaft, jedoch auch fortdauernd aufgrund steigender Bereitschaft und der Möglichkeit junger Menschen, ein Studium zu beginnen. Ca. 500.000 Studienanfänger pro Jahr sind es zurzeit, die Zahl überstieg 2013 das erste Mal die der Schulabgänger, die eine betriebliche Ausbildung begannen. Insgesamt sind etwa 2,6 Millionen Studierende an deutschen Hochschulen immatrikuliert. Auch für die Zukunft, bis zum Jahr 2025, prognostiziert die Kultusministerkonferenz kontinuierlich hohe Studierendenzahlen.

Dieser recht positive Befund bringt jedoch auch Probleme mit sich. Es wird immer schwieriger für Studierende eine Unterkunft zu finden, besonders in beliebten Großstädten wie Hamburg, München, Frankfurt oder Köln, aber auch in universitätszentrierten Städten wie Aachen, Münster oder Heidelberg. Alle Jahre wieder zum Start des Wintersemesters werden wir spätestens von den Medien darauf aufmerksam gemacht: Notunterkünfte in Sporthallen, Übergangslösung Campingplatz, volle Jugendherbergen und Hostels, Wuchermieten u.ä.

Tatsächlich klagen 72% der in Deutschland Studierenden über Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche, fand die 5. Allensbachstudie zu den Studienbedingungen 2014 heraus.

Die steigenden Mietpreise in Hamburg wie auch in anderen großen Städten treffen die Studierenden besonders hart. Durchschnittlich zahlen Studierende in Hamburg 345 € für Miete und Nebenkosten (Bundesdurchschnitt 298 €) und haben für ihre monatlichen Ausgaben 975 € zur Verfügung (Bundesdurchschnitt 864 €).

Mit ihrem unterdurchschnittlichen Einkommen und der hohen Mobilität sind Studierende keine beliebten Mieter, auch als Nachbarn werden WGs, eine der häufigsten Studierendenwohnformen, nicht geschätzt und können sich so auf einem angespannten Wohnungsmarkt oft nicht gegen andere Mitbewerber durchsetzen. Auch müssen sie durch relativ späte Zusagen der Universitäten sehr kurzfristig und gleichzeitig mit anderen Studienanfängern eine Unterkunft finden, was die Konkurrenzsituation noch erhöht.

Der studentische Wohnungsbau wurde in den letzten Jahren vor allem in Hamburg vernachlässigt, sodass dieser heute den Ansturm von Studierenden kaum noch abfedern kann. In vielen Städten, die es besonders nötig hätten, liegt die Unterbringungsquote in gefördertem studentischen Wohnraum (Wohnheimplatz pro hundert Studierende) deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 10,13%: In Hamburg liegt sie bei 8,5%, in Frankfurt bei 6,7% und in Berlin bei nur 5,88%. Diese ernüchternden Ergebnisse gehen aus der jährlichen Übersicht „Wohnraum für Studierende“ des Deutschen Studentenwerkes hervor.

Neben diesen Schwierigkeiten haben Studierende aber auch Wünsche und Vorstellungen für ihre Wohnung und ihr Wohnumfeld. 57% der deutschen Studierenden wünschen sich eine eigene Wohnung allein oder mit dem/der Partner/in, 27% bevorzugen das Leben in WGs und nur 9% wollen in einem Studentenwohnheim wohnen. Von den tatsächlichen Wohnheimbewohnern präferieren nur 45% diese Wohnform. Dabei ist der Wunsch keineswegs auch Wirklichkeit. Wesentlich weniger Studierende wohnen tatsächlich in ihrer eigenen Wohnung.

Des Weiteren legen Studierende besonderen Wert auf die Lage ihrer Wohnung. Die Nähe zum Ausbildungsplatz, ein attraktives urbanes Wohnumfeld, ein gutes Angebot an Kultur, Gastronomie und Versorgungseinrichtungen sind dabei besonders ausschlaggebend.

STUDIERENDE ALS ZIELGRUPPE

In dieser angespannten Lage zwischen den Nöten und den Wünschen der Studierenden sowie der geringen Anzahl geförderter Studentenwohnheimplätze entdeckt die Privatwirtschaft das Studentenwohnen für sich. Als besonders sichere und rentable Anlage wird diese Wohnform von den Investoren bewertet. Die Aussicht auf gleichbleibend hohe Studierendenzahlen und damit auf Nachfrage, relativ geringe Mietausfälle wegen Bürgschaften der Eltern, hohe Fluktuation und damit die Möglichkeit der Mietanpassung bei Neuvermietung sowie der allgemeine Druck auf dem Wohnungsmarkt begründen ihre Einschätzung. Des Weiteren sind die Apartments auch bei Singles und als Zweit- bzw. Arbeitswohnsitz beliebt und damit auch bei Ausbleiben von Studierenden weiterhin gut nutzbar. Speziell in den beliebten und teuren Großstädten wurden in den letzten Jahren einige Projekte fertiggestellt, viele sind in Bau oder in Planung. Die privaten Studentenhäuser bieten vor allem Einzelapartments zwischen 17 m² und 30 m² mit Küche und Bad an und setzten auf weitere Extras, die auf die Bedürfnisse des „modernen Studenten“ abgestimmt sind: Arbeits- und Gemeinschaftsräume, Fitnessstudio, Concierge, stilvolle Einrichtung, hochwertige Grünflächen, zentrale Lage, in beliebten Stadtteilen oder in unmittelbarer Universitätsnachbarschaft.

Das ist teuer: Bei dem Projekt „THE FIZZ“ der Intenational Campus AG in Bremen z. B. werden Mieten von 400 € – 714 € gezahlt, die günstigsten „SMARTments“ in Hamburg der GBI AG sind ab einem Preis von 470 € im Monat zu mieten, das entspricht mehr als 25 € pro m² Warmmiete!

Teuer: „SMARTments“ Studentenwohnhaus in Hamburg St.Georg [Foto: Johannes Maue]

Doch in dieser Situation des angespannten Wohnungsmarktes werden – wenn finanziell möglich – auch Wucherpreise in Kauf genommen. Andererseits bieten die privaten Studentenapartments Qualitäten, die weder im Studentenwohnheim noch in regulären Mietshäusern zu finden sind.

Die privaten Studentenhäuser bieten Service, die gewünschte Nachbarschaft, die Privatsphäre einer eigenen Mietwohnung sowie die urbane Lage und positionieren sich so in der „Wunsch-Realitäts-Lücke“ der Studierenden.

STUDENTENWOHNHEIME –
NICHT BELIEBT ABER WICHTIG

Die geförderten Studentenwohnheime spielen in der angespannten Wohnungsmarktsituation eine besonders wichtige Rolle. Speziell für Erstsemestler, Studierende mit geringem Einkommen und Auslandsstudierende sind die durchschnittlich wesentlich günstigeren Mieten von 233 € im Monat existenziell. Die Hälfte der Studierenden etwa in Hamburger Wohnheimen haben weniger als 640 € im Monat zur Verfügung, berichtet das Studierendenwerk Hamburg.

Unter den Umständen des angespannten Wohnungsmarktes, den teuren Mieten und der geringen Unterbringungs quote fordert das Studentenwerk Deutschland mindestens 25.000 neue Studierendenunterkünfte und damit verbesserte Förderungen für den studentischen Wohnungsneubau.

Die Förderung des studentischen Wohnens liegt in den Händen der Länder und diese gehen ganz unterschiedlich damit um. So fördert beispielsweise Bayern jeden Wohnheimplatz mit 32.000 €, Hamburg nur mit verzinslichen Darlehen, das Saarland hingegen überhaupt nicht.

Der Grundstock der heutigen Studentenwohnheime wurde durch Bund-Länder-Programme in den 1970er und 1990er Jahren erbaut. Dieser wird zwar nach und nach modernisiert, die Wohnkonzepte von großen Flur- bzw. Wohngemeinschaften sind jedoch bei Studierenden nicht mehr beliebt, prägen allerdings das Image von Studentenwohnheimen.

Alt: Studentenwohnheim in Hamburg-Winterhude [Foto: Johannes Maue]

Neuere Anlagen zeigen aber, dass auch die geförderten „Heime“ auf die Wünsche der heutigen Studierenden eingehen, wie etwa das 2012 eröffnete Studentenwohnheim in Hamburg-Hammerbrook. Das Niedrigenergiehaus bietet Zweier-, Vierer- und auch Einzelapartments, also kleiner dimensionierte Wohngemeinschaften. Die Zimmer sind mit ca. 17 m² größer als in vielen anderen Wohnheimen. Auch die Ausstattung mit Fitnessraum, Bibliothek, Bar und weiteren Aufenthaltsräumen ist ein Angebot, welches man in einem Mietshaus auf dem freien Wohnungsmarkt nicht erwarten kann.

Neu: Studentenwohnheim in Hamburg-Hammerbrook [Foto: Johannes Maue]

Darüber hinaus kommt der Wohnungsneubau für Studierende in Hamburg weiter in Gang: Bis 2017 will das Studierendenwerk Hamburg um die 600 Wohnheimplätze bauen. Die Hamburger Bürgerschaft will es dabei unterstützen und prüft weiterführende Fördermaßnahmen.

NEUE WOHNKONZEPTE? NICHT IN SICHT!

Doch wie sollen die neuen Studierendenwohnungen konzipiert sein? Schon heute zeichnen sich Neubauten von Wohnheimen durch neue Technologien in der Energieeffizienz aus. Wie schon beschrieben weichen die Wohnkonzepte von langen Fluren und unübersichtlich großen Wohngemeinschaften ab und sehen kleinere Einheiten wie Zweier-, Dreier- oder Viererapartments und sogar Einzelapartments vor. Weiterführende Überlegungen gibt es jedoch nur wenige.

Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben in diesem Bereich erste Bemühungen gezeigt, indem sie Landeswettbewerbe für neue studentische Wohnkonzepte ausgeschrieben haben. Der Wettbewerb in NRW beschäftigte sich mit Studierendenwohnen im gemischten Quartier. Anlass war der Abriss und Neubau eines Studentenwohnheimes im Zuge umfangreicherer Umplanungen in einem Stadtteil von Bonn. Der Wettbewerb sollte innovative Planungsansätze für studentisches Wohnen hervorbringen, etwa sollte der Heimcharakter überwunden werden. Außerdem sollte das Konzept eine Durchmischung von Studierenden aber auch Nichtstudierenden, Familien und WGs ermöglichen, zudem integrativ wirken und nachhaltig nutzbar sein.

Auch das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg lobte einen Wettbewerb unter Studierenden des Landes aus: „Änderungen Vorbehalten – Subject to change“ mit dem Ziel, Konzepte für flexible Studentenwohnungen zu entwickeln, welche sich auch zu Familien- oder Altenwohnungen umnutzen lassen können. Ein wichtiges Thema für kleinere Universitätsstädte, die von einem zukünftigen Rückgang an Studierenden betroffen sein könnten.

Was kann also getan werden, um die Wohnungssuche für Studierende zu erleichtern?

Der eine Hebel wäre, ihre Einnahmen qua BAföG so zu gestalten, dass auch höhere Mieten für sie zu bezahlen sind; der andere Hebel wäre, die Mietbelastung zu senken.

Von der geplanten Mietpreisbremse z. B. könnten die häufig umziehenden Studierenden profitieren. Nicht umsonst befürworten 82% von ihnen diese Maßnahme.

Vor allem aber muss die Menge an bezahlbarem Wohnraum erhöht werden. Geförderte Studentenwohnheime sollen vor allem Wohnraum für die Studierenden zur Verfügung stellen, die besondere Probleme, etwa finanzieller Art, auf dem Wohnungsmarkt haben. Das sind mittlerweile viele. Es sollten neue Wohnmöglichkeiten gebaut werden, um mindestens auf den bundesdeutschen Durchschnitt von 10,13% Unterbringungsquote zu kommen. Diese Wohnungen müssten sich jedoch auch an den Bedürfnissen beziehungsweise der Nachfrage der Studierenden orientieren. Wettbewerbe wie in NRW und Baden-Württemberg helfen dabei, auf die städtische Situation angepasste Konzepte für solche Unterkünfte zu entwickeln.

Die größte Zahl der Studierenden wohnt jedoch immer noch in Mietwohnungen. Wenn diese zu günstigen Mieten zu beziehen sind, hilft das den Studierenden wohl am meisten. Besonders dem „normalen“ geförderten Wohnungsbau kommt somit eine besonders wichtige Rolle zu. Auch würde dieser zur Durchmischung der Bevölkerungsgruppen beitragen und den Wünschen der Studierenden am nächsten kommen.

Für Hamburg ist es aus wirtschaftlicher Sicht wichtig seine gut ausgebildeten Studierenden zu halten, und auch zu einer belebten Stadt tragen sie maßgeblich bei. Hamburg sollte das Möglichste tun, den Studierenden unabhängig von ihrer finanziellen Ausstattung einen guten Start und eine gute Lernumgebung zu bieten: ein Zuhause. 

Johannes Maue hat Stadtplanung an der HafenCity Universität Hamburg studiert, steigt gerade in das Berufsleben ein und macht ein Praktikum bei STATTBAU HAMBURG GmbH.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 20(2014), Hamburg