SAGA GWG startet innovatives Modellprojekt »LeNa« in zwei Hamburger Wohnvierteln
*** von Petra Fischer ***
Hamburg wird sich in den kommenden Jahren auf demografische Veränderungen einstellen müssen. Doch mit der Errichtung barrierefreier Wohnungen und Wohnraumanpassungen allein ist es nicht getan. Altersarmut, Singularisierung und der berechtigte Wunsch nach lebenslangem, selbstbestimmten Wohnen erfordern integrierte Konzepte, die ein überschaubares Wohnquartier als Handlungsebene definieren und niedrigschwellige Angebote zum Erhalt der selbständigen Lebensführung bieten.
Das generationsübergreifende Wohn- und Versorgungskonzept „LeNa“, das SAGA GWG im Herbst diesen Jahres mit zwei Kooperationspartnern in den Hamburger Stadtteilen Barmbek-Nord und Horn startet, soll dem Strukturwandel der Gesellschaft und den veränderten Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht werden. In beiden Quartieren werden Voraussetzungen geschaffen, die soziale Inklusion von Menschen mit Behinderung sowie den Verbleib in vertrauter Umgebung im Alter bzw. bei Pflegebedürftigkeit ermöglichen. Vorbild für das Konzept LeNa ist das Bielefelder Modell, welches „Wohnen mit Versorgungssicherheit“ für 500 bis 800 Menschen in einem Wohnquartier verspricht, ohne dass eine Betreuungspauschale gezahlt zu werden braucht.
BEDARFSGERECHTER UND BEZAHLBARER WOHNRAUM FÜR JUNG UND ALT
Ausgangspunkt war der Projektauftrag der SAGA GWG Geschäftsstelle Barmbek an ProQuartier Hamburg: Es sollte ein Quartiersentwicklungskonzept für die Wohnanlage „Quartier Rungestieg“ im Barmbek-Nord erarbeitet werden. Der ursprünglich drei- bis viergeschossige Gebäudekomplex mit 361 Wohnungen, in den 1930er Jahren nach den Vorstellungen von Fritz Schumacher von dem Architekten Robert Friedmann errichtet, war nach dem 2. Weltkrieg aufgrund des Wohnungsmangels stark verändert worden: aus Zweispännern wurden Dreispänner, viele Wohnungen hatten schlauchartige und gefangene Räume. Das Wohnungsgemenge bestand zu 75% aus 1- und 1,5-Zimmer-Wohnungen und der Ausstattungsstandard war sehr einfach. Das Konzept sah daher unter anderem vor, durch umfassende Maßnahmen zeitgemäßen Wohnraum im Quartier Rungestieg zu schaffen. Insbesondere der Wohnungsmix sollte verbessert und Wohnungen für Familien und Senioren geschaffen werden.
So werden seit Ende 2011 umfangreiche Grundrissveränderungen, Wohnungszusammenlegungen sowie Dachgeschossausbauten im Quartier Rungestieg vorgenommen. Die Gebäude werden in drei Bauabschnitten energetisch im KFW 115- Standard modernisiert, die Haustechnik und Balkone erneuert. Bis Ende 2015 sollen 269 öffentlich geförderte Wohnungen – davon zwei Drittel für Familien – wieder bezugsfertig sein. Die Anfangsmiete beträgt 5,70 €/m² netto-kalt, rund ein Drittel der Modernisierungsmaßnahmen sind derzeit fertig gestellt.
Neben dieser umfangreichen Bestandssanierung entsteht in der Rungestraße ein barrierefreier Neubau mit Bewohnertreff, das sog. „Rungehaus“. In den 73 öffentlich geförderten Zwei-Zimmer-Wohnungen werden Senioren sowie Menschen mit Assistenzbedarf einziehen.
Um selbstbestimmtes Wohnen für Menschen mit einem hohem Unterstützungsbedarf zu realisieren, wurden Standards zur Barrierefreiheit entwickelt, die über die zu erfüllenden Anforderungen nach DIN 18025-2 hinausgehen: so haben z. B. sämtliche Türen innerhalb des Neubaus eine lichte Breite von 90 cm, und die Bäder sind mit bodengleichen Duschen ausgestattet, um größere Bewegungsflächen zu schaffen. Für eine größtmögliche Unabhängigkeit sind acht Wohnungen sowie zusätzlich eine (nicht geförderte) Gästewohnung bzw. Pflegewohnung auf Zeit mit einer erweiterten Elektroinstallation ausgestattet, die es ermöglicht, dass nach individuellen Bedarfen Smart-Home-Technik nachgerüstet werden kann. Auch das Wohnumfeld wird umfassend neugestaltet, bezuschusst aus Mitteln der integrierten Stadtteilentwicklung (RISE). Unter anderem soll der südliche Innenhof als „Hof der Generationen“ zukünftig Aufenthaltsqualitäten, Ruhezonen und Bewegungsangebote für Jung und Alt bieten. Die Gestaltung des Innenhofes wird mit Beteiligung der Bewohner erfolgen. Die Anfangsmiete der Wohnungen im Rungehaus liegt bei 5,80 €/m² netto-kalt, Einzugstermin ist voraussichtlich im Dezember 2014.
Für die Realisierung des umfangreichen Bauvorhabens war es unumgänglich, alle bisherigen Mieter umzuquartieren. Viele blieben in der Nachbarschaft oder zogen in einen andern Wunsch-Stadtteil zu Freunden oder Familienangehörigen. Auch wurde die Möglichkeit eröffnet, in die Wohnanlage zurück zu kehren, wovon einige Mieter – hauptsächlich Familien mit Ausblick auf eine größere Wohnung – Gebrauch machen.
Die Baukosten des Gesamtprojektes belaufen sich auf rund 36 Mio. Euro.
WOHNEN IN LEBENDIGEN UND STARKEN NACHBARSCHAFTEN
In 2011 entstand die Idee im Quartier Rungestieg ein quartiersbezogenes Wohn- und Versorgungskonzept umzusetzen – man war durch Vorträge bei Fachveranstaltungen und verschiedene Artikel auf das Bielefelder Modell aufmerksam geworden. Der Name LeNa – Lebendige Nachbarschaft ist dabei programmatisch zu verstehen: Herzstück des Projekts ist ein Bewohnertreff als Anlaufstelle und lebendiger Ort für alle Bewohner des umliegenden Wohnquartiers mit rund 600 bis 800 Menschen. Als privates Angebot für Nachbarn wird der Treff von Nachbarn organisiert, die Angebote sollen nach Wunsch und Bedarf mit den Bewohnern entwickelt werden. Auch der Name der Treffs wird erst nach Projektstart gemeinsam mit dem noch aufzubauenden „LeNa-Beirat“ festgelegt. Neben der Aktivierung, Partizipation und Selbsthilfe wird in den LeNa-Projekten die organisierte Nachbarschaftshilfe und Förderung des sozialen Engagements eine wesentliche Rolle spielen – mit Unterstützung der Kooperationspartner.
Im Quartier Rungestieg sind die Evangelische Stiftung Alsterdorf zusammen mit der Hamburger Gesundheitshilfe Partner von SAGA GWG. Mittlerweile wird LeNa auch im Quartier Vierbergen in Hamburg-Horn vorbereitet, gemeinsam mit dem Trägerverbund Hamburger Osten. Die Kooperationspartner werden in den Quartieren ein Servicebüro betreiben, als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und Unterstützung rund um die Uhr gewährleisten. Durch die Vernetzung mit anderen Dienstleistern, Institutionen und örtlichen Gewerbetreibenden soll ein umfassendes Hilfeangebot aus einer Hand organisiert werden. Das Zusammenwirken von professioneller Hilfe und organisierter Nachbarschaftshilfe soll ein lebenslanges Wohnen in einem lebendigen Quartier möglich machen und stationäre Unterbringungen vermeiden. Niedrigschwellige Angebote im Quartier und starke Nachbarschaften sind der Schlüssel für neue Versorgungsformen; diese müssen (weiter-) entwickelt, erprobt und etabliert werden, in jedem Quartier anders. LeNa ist in diesem Sinne ein Pilotprojekt, welches durch gemeinsames übergeordnetes, innovatives Denken aller beteiligten Akteure auf den Weg gebracht werden konnte.
Petra Fischer ist Quartiersentwicklerin bei ProQuartier Hamburg, Gesellschaft für Sozialmanagement und Projekte mbH, sie koordiniert das Projekt LeNa Quartier Rungestieg im Auftrag von SAGA GWG.
zuerst veröffentlicht: FreiHaus 20(2014), Hamburg