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Artikel Wohnprojekte Hamburg

Baurausch in Altona

„…sag mal, habt ihr nun endlich angefangen zu bauen?“

*** von Axel Mattern ***

Diese Frage haben die Gruppenmitglieder der Baugemeinschaft Baurausch in den letzten drei Jahren mehr als einmal gehört. Und nun konnten sie das Grundstück in Altona immerhin schon kaufen. Und mit dem Bau ist es dann nur noch eine Frage der Zeit…

Am 14.Mai 2009 saßen wir nun endlich alle gemeinsam bei einer sehr netten Notarin am Gänsemarkt und haben den Kaufvertrag für das Grundstück, unsere Teilungserklärung und einen neuen GbR-Vertrag für unser Bauprojekt unterschrieben. Daran anschließend haben wir auf ‚unserem‘ Grundstück einfach mal entspannt auf diesen Meilenstein unseres Vorhabens angestoßen. Wir haben das erste Mal alle gemeinsam das Licht am Ende des Tunnels gesehen. Jeder hat für sich resümiert, welche Erfahrungen man in der vergangenen Zeit gemacht hat und welche Herausforderungen wohl noch kommen werden. Es ist Außenstehenden kaum zu vermitteln, wie komplex und vielschichtig die Planung und Umsetzung eines gemeinschaftlichen Bauvorhabens sein kann.

Gemeinsam und individuell zusammen leben

Als ein Teil unserer Gruppe sich im Herbst 2006 in einer Kneipe im Karolinenviertel zusammen gefunden hatte, um die Gründung der Bauplanungsgemeinschaft Baurausch GbR zu beschließen, ahnte wohl keiner von uns auch nur im geringsten, auf was wir uns da einlassen. Im Rückblick waren wir wohl alle ein wenig blauäugig. Aber schon von Anfang an hatten wir das klare Ziel vor Augen, gemeinsam Wohneigentum zu schaffen und dort zukünftig zusammen aber durchaus jeder für sich individuell leben zu wollen. Dieses Ziel hat die Gruppe zusammengeschweißt, und ich bin mir ganz sicher, daran wird sich auch in der nächsten Zukunft nichts ändern. Wir haben gelernt, gemeinsam zu streiten, uns gegenseitig zu respektieren und miteinander umzugehen.

Die Gruppe bestand am Anfang aus sechs bis acht Personen, aus dem Freundeskreis um Ecki (45), Axel (43) und Britta (42), die alle sehr begeistert waren von der Idee des gemeinsamen Wohnens und der Idee nicht alleine und anonym alt werden zu müssen. Nach mehreren Jahren mit vergeblichen Versuchen, diese Idee auf eigene Faust in die Tat umzusetzen, lernten wir unsere jetzigen Architekten Gerrit Rampendahl und Andor Busse kennen (Kantstein Architekten) und konnten uns mit deren Hilfe und mit der Unterstützung und dem Know-How von Stattbau*, auf ein Grundstück der Stadt Hamburg über die Agentur für Baugemeinschaften bewerben. Unser Konzept des gemeinsamen Wohnens und der damit verbundenen Absicht auch im Alter gemeinsam zu leben, hat anscheinend der Agentur gefallen und wir bekamen den Zuschlag als Gruppe ‚Baurausch‘. Der Name ‚Baurausch‘ war ein Vorschlag von unseren Architekten.

Mit dieser Zusage der Agentur für Baugemeinschaften konnten wir bei der Liegenschaftsverwaltung eine Anhandgabe des Grundstückes beantragen. Mit der Anhandgabe wird vereinbart, dass ein Verkauf des Grundstücks an die Baugruppe beabsichtigt ist und dass mit niemand anderem über den Verkauf des Grundstücks verhandelt wird. Die Gruppe hat somit also Planungssicherheit.

Die Anhandgabe haben wir also bekommen und nun begann ein langer, interessanter und steiniger Weg.

Die Gruppe wächst, schrumpft und wächst wieder

Zu diesem Zeitpunkt traten Uschi und Edgar in die Baugruppe ein und es wurde mit sehr viel Enthusiasmus und vielen kreativen Ideen geplant und jeder hat versucht, sich in Wohnungsgrundrissen und anderen Dingen zu verwirklichen und seinen Platz innerhalb des Bauvorhabens zu finden. In dieser Zeit wurden die ersten Hürden bei den verschiedenen Behörden genommen und im Zusammenhang mit Bauvorschriften und nicht vorhandenen Bebauungsplänen wurden Lösungen erarbeitet. Man hatte auch immer wieder das Gefühl, nicht voran zu kommen, behindert zu werden oder gar ganz zu scheitern an der Summe der auftretenden Probleme. Nach einem guten Jahr und an einem Punkt, als die Probleme uns zu erdrücken schienen, ist dann ein Gruppenmitglied aufgrund von beruflichen Problemen aus der Baugruppe ausgeschieden. Dieses Ereignis hat das Gruppengefüge innerhalb von wenigen Wochen komplett neu zusammenfinden lassen. Ein weiteres Gruppenmitglied schied aus und die verbliebenen Mitglieder mussten nun neu durchstarten, was dazu führte, dass jeder sich dann plötzlich innerhalb der Gebäude an einem neuen Platz wiederfand und sich einige Knoten lösten. Jeder der verbliebenen Mitstreiter hatte dann endlich die Wohnung, die er immer wollte. Es entstand eine völlig neue Dynamik und in den folgenden Monaten kamen dann ganz von alleine die weiteren Gruppenmitglieder (Roswitha [68], Annette [47], Myriam [40] und Gerd [35] mit Gretje [4] und Jon [2] und zu guter letzt noch Ulrike [50]) dazu. Ehe wir uns ernsthafte Sorgen machen mussten, dass wir genügend Mitstreiter finden, um dieses Bauvorhaben zu realisieren, waren wir vollständig.

Eine Gruppe – zwei Grundstücke

Seit nunmehr fast zwei Jahren sind wir vollzählig und planen sehr konstruktiv als sieben Bauherren gemeinsam neun Wohnungen in zwei Häusern auf zwei nicht miteinander verbundenen Grundstücken.

Wir haben viele größere und auch kleine oder klein erscheinende Aufgaben und Probleme gemeinsam gelöst. Unter vielen anderen war es sicher eine ganz besondere Erfahrung, eine gemeinsame Garageneinfahrt mit einem privaten Immobilieninvestor, der auf einem der Nachbargrundstücke ‚gestapelte Stadt-Maisonetten‘ errichten will, zu planen und Lösungen hierfür zu erarbeiten. Oder die Erfahrung zu machen, dass es durchaus über ein halbes Jahr dauern kann, mit dem Bezirk Altona eine Lösung zu finden, eine Birke fällen zu dürfen. Diese Aufgaben und Probleme haben uns wachsen lassen und ganz sicher nicht dümmer gemacht.

Jetzt beginnt die Bauphase

Jetzt haben wir das Grundstück gekauft und stehen kurz vor dem Baubeginn und sind sehr gespannt, welche Erfahrungen wir in der Bauphase noch machen dürfen, bevor wir dann endlich einziehen können und das so sorgfältig geplante Konzept dann ‚einwohnen‘ dürfen.

Axel Mattern ist einer der Gründer des Bauprojektes Baurausch in Altona-Altstadt.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 16(2009), Hamburg