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Artikel Rechtsform/Genossenschaft Wohnprojekte national/international

Das Prinzip WOGENO

*** von Peter Schmidt ***

Die Wogeno München e.G. versteht sich als Dachorganisation, die ihren Mitgliedern die Verwirklichung gemeinschaftsorientierter Wohnprojekte ermöglicht. Eine Wohnungsbaugenossenschaft als Logistik- und Dienstleistungszentrale für selbstverwaltete Häuser. Allen gemeinsam ist der Versuch, durch die Bündelung von Kräften mehr zu erreichen als die Aufeinanderstapelung von Wohnungen. Die Finanzierung spielt dabei eine zentrale Rolle.

Als 1993 die Wogeno München gegründet wurde, unterschied sie sich durch ein Merkmal besonders von anderen Genossenschaftsgründungen neueren Datums: Sie hatte kein bestimmtes Haus oder Grundstück im Visier, sie wollte sich als Trägerstruktur, als Dach für jene Gruppierungen und Individuen etablieren, die eine gemeinschaftsorientierte Alternative zu herkömmlichen Bewirtschaftungsformen suchen, daran aber meist infolge fehlender Ressourcen (z. B. Knowhow, Geld) scheitern. Die Wogeno München e.G. wurde deshalb zunächst dazu benutzt, um auf der Basis ihrer Wert- und Zielvorstellungen Geld einzusammeln; eine Wohnungsbaugenossenschaft, die in den ersten beiden Jahren ihre Kräfte darin bündelte, jene „kritische Masse“ an Eigenkapital zu akkumulieren, ohne die ein Wohnprojekt immer scheitern muss.

Neues aus München

Dies hat natürlich auch mit dem Standort München zu tun. Startbedingungen wie in Nordrhein-Westfalen, Hamburg oder Berlin sind hier nicht gegeben. Die öffentliche Hand erwartet auch bei Neugründungen den Einsatz von 25 % echter Eigenmittel. Zinsgünstige Eigenkapital-Ersatzmittel, davon dürfen wir getrost weiterträumen in der Stadt, die den meistbietenden Verkauf ihrer besten Wohnlagen als wesentliches Instrument begreift, um die Nettoneuverschuldung auf dem niedrigsten Niveau aller deutschen Großstädte zu halten.

Das Dach der Wogeno bietet Menschen, die gemeinschaftliche Wohnzusammenhänge suchen, folgendes an: Planerisches Knowhow, planungspolitische und finanzierungstechnische Verhandlungskompetenz und eine auf die Solidarität aller Mitglieder gegründete finanzielle Basis. Ohne letztere wäre sie von Anfang an nicht ernst genommen worden. Gleichzeitig ist damit in kleinem Rahmen ein solidarischer Investitionspool entstanden. Ein Mittelweg zwischen Generationenvertrag und Eigenbewirtschaftung der eingesetzten Mittel. Wer bei „seiner“ Genossenschaft Geld anlegt, bekommt (für aufgestockte Anteile) nicht nur eine Dividende, sondern erhöht den Aktionsradius der Genossenschaft und damit die Chance, sich selbst mit gemeinschaftlich ,sozial und ökologisch bewirtschaftetem Wohnraum versorgen zu können. Für den/die es mag, nicht nur das Höchste, sondern eine klare und transparente Alternative zur modischen Schein-Teilhabe an gesellschaftlicher Wirklichkeit durch Aktienkauf. Die Aktien-Kauf-Order per Handy kann ohne Image – Einbußen ersetzt werden durch eine online-bankingÜberweisung des aufgestockten Anteils an das Konto seiner Genossenschaft. Der einzige Kick, der fehlt: schnell hochsteigen, schnell tieffallen.

Der Revolving Fund

Als die Wogeno München ihr erstes Hausprojekt mit elf Wohneinheiten realisierte, trugen 100 Solidarmitglieder durch ihre Einlagen zur Finanzierung bei. Heute hat die Wogeno 450 Mitglieder, also 4,5 mal so viel wie damals, kann diesen Mitgliedern aber bereits 90 Wohnungen anbieten. Das Wachstum an Wohnungen hat sich also im Vergleich zur Mitgliederentwicklung nahezu verdoppelt. Dies liegt auch daran, dass zunehmend auch die gemeinsame Bewirtschaftung finanzieller Ressourcen im Zusammenhang mit der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung von Wohnraum gesehen wird. So tragen z.B. durch die Zeichnung freiwilliger wohnungsbezogener Anteile jene Haushalte, die über mehr finanzielle Ressourcen verfügen, nicht nur zu ihrer eigenen Vermögensbildung bei (Verzinsung des Kapitals ohne Steuerpflicht), sondern stärken damit auch die Eigenkapitalbasis der Gesamtgenossenschaft.

Einige große Altgenossenschaften zeigen darüber hinaus, wie die Genossenschaft, der man/frau sich zugehörig fühlt, über weitere wundervolle Finanzierungspotentiale verfügt. Die Freie Scholle Bielefeld z.B. hat seit der Gründung ihrer Spareinrichtung im Jahr 1989 über 40 Millionen DM von ihren Migliedern in Form von Spareinlagen eingesammelt und betreibt damit u.a. die Entwicklung neuer Projekte für Ihre Mitgliedschaft. Die Geschäftsleitung schätzt sich glücklich, dabei ohne öffentliche Mittel und Fremdfinanzierung auszukommen.

Finanzierungspool durch Kooperation?

Kleine Genossenschaften sind zu klein, um eigene Spareinrichtungen zu gründen, wie dies viele alte Genossenschaften mit ausreichender Größe getan haben. Dies können sie nur ausgleichen durch unternehmerische Flexibilität beim Zusammenschluss zu größeren Kapitalsammelund Finanzierungs-Einheiten.

Durch Zusammenschluss von kleineren und größeren Genossenschaften zu einem Finanzierungspool könnte eine teilweise Abkoppelung von den Unwägbarkeiten des Kapitalmarktes sowie von den Systembrüchen öffentlicher Wohnungspolitik erreicht werden.

Die Wogeno München wird sich auch im Rahmen und unter dem Dach des WOHNBUND dafür einsetzen, dass ein solcher Verbund entstehen kann. Dabei sollten auch jene alten Genossenschaften nicht ausgeschlossen werden, die nicht nur ihren Bestand verwalten, sondern zur Bewältigung neuer Aufgaben beitragen wollen.

Peter Schmidt ist Vorstandsmitglied der Wogeno München eG

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 6(2000), Hamburg