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Artikel Rechtsform/Genossenschaft Wohnprojekte national/international Wohnungspolitik

Die hessische Stiftung Nachbarschaftlicher Träger

*** von Jan Kuhnert und Wolfgang Kiehle ***

In Hamburg wird über ein Stiftungsmodell als Trägerkonstruktion für nachbarschaftliches Wohnen nachgedacht. In Hessen gab es so was schon mal vor 15 Jahren. Allerdings mit ganz kurzer Lebensdauer. Die Initiatoren von damals berichten über die Ziele der Gründung und über das schnelle Ende der Stiftung.

Bereits in der ersten rot-grünen Koalition auf Länderebene wurde Mitte der achtziger Jahre auf Initiative der Grünen in Hessen ein wohnungspolitisches Trägermodell entwickelt, das zur damaligen Zeit weit über Hessen nicht nur in die grün-alternative Fachwelt ausstrahlte. Auf Grund seiner nur kurzen Lebensdauer und der Anfang der neunziger Jahre sich verändernden wohnungspolitischen Rahmenbedingungen geriet das Trägermodell auch bei den Grünen wieder in Vergessenheit. Gleich wohl haben die damals entwickelten Antworten auch 15 Jahre später noch ihre Gültigkeit, wenn es um langfristig effektiven Einsatz öffentlicher Mittel, um die sozialstaatliche Bindung auch von Selbstverwaltungsprojekten (ohne diese damit auszuhöhlen) und um die dauerhafte Bindung von Rückflüssen aus der Bewirtschaftung von Wohnungen geht. Die Rede ist von der Stiftung Nachbarschaftlicher Träger. Doch bevor diese ihre Arbeit so richtig aufnehmen konnte, wurde sie nach dem Regierungswechsel zur CDU/F.D.P.-Koalition im Frühjahr 1987 wieder aufgelöst.

Ein flexibles Förderinstrument

Zentrales Ziel der Stiftung war die Schaffung eines Förderinstrumentes, das jenseits der engen Bindungen des sozialen Wohnungsbaus tätig werden konnte und dabei gleichzeitig in der Lage sein sollte, die eingesetzten öffentlichen Mittel dauerhaft zu binden. Die zentrale Konstruktion der Stiftung bestand dabei aus drei Bausteinen:

  • Die Stiftung ist Trägerin von Grund und Boden und vergibt an die jeweilige Projektgruppe ein Erbbaurecht; die Projektgruppe errichtet oder saniert die Häuser (i.d.R. mit weiterer öffentlicher Förderung) und bewirtschaftet diese in Selbstverwaltung; sie kann sich in der Rechtsformen der Genossenschaft oder auch des Vereins konstituieren. Gegenstand des Erbbauvertrages können soziale Bindungen unterschiedlicher Art sein,wie z.B. die Vermietung der Wohnungen an bestimmte Gruppen, eine Einkommensorientierung der Miete oder auch eine gemeinschaftliche Verwaltung der Wohnungen.
  • Der Erbpachtzins führt zu einer dauerhaften Abgabe der Projekte auch über die Verzinsung und Tilgung des Bodenwertes hinaus; zudem kann dieser je nach sozialen Bindungen unterschiedlich hoch ausgestaltet werden.
  • Die Rückflüsse aus den von den Projekten geleisteten Erbpachtzinsen dienen der Stiftung zur Finanzierung weiterer Grundstückskäufe.

Langfristige soziale Bindungen und Vermögensaufbau

Mit dieser Konstruktionen kann das bei der Gründung in die Stiftung von der öffentlichen Hand eingestellte Vermögen langfristig für sozialen Wohnungsbau gesichert werden. Zusätzlich erfolgt über die dauerhaften Rückflüsse aus dem Erbpachtzins ein weiterer Vermögensaufbau, der neue Projekte aus den Erträgen alter Projekte finanziert und somit langfristig öffentliche – Haushalte entlastet – ohne jedoch sozialstaatliche Leistungen abzubauen. SPD und Grüne verständigten sich seinerzeit darauf , die Stiftung als eine öffentlich-rechtliche zu gründen. Dies erleichterte der CDU/F.D.P. Koalition die Auflösung der Stiftung, zumal diese noch keine Geschäftstätigkeit entfalten konnte. Zudem ist die öffentlich-rechtliche Stiftung wegen der Beteiligung weisungsgebundener Regierungsvertreter schwerfällig. Eine Stiftung nach bürgerlichem Recht hat hier Vorteile.

Jan Kuhnert ist kaufmännischer Geschäftsführer der Gesellschaft für Bauen und Wohnen, Hannover und entwickelte als Mitglied der Landtagsfraktion der hessischen Grünen das Stiftungsmodell. Wolfgang Kiehle ist Mitglied der Geschäftsführung der WohnBund-Beratung NRW GmbH (Bochum) und schrieb 1987 seine Diplomarbeit über die Stiftung.

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 6(2000), Hamburg