Kategorien
Artikel Wohnprojekte Hamburg

Die Schanze ist achtzehn!

Ein Dach für die Dächer

*** Von Rosemarie Oltmann ***

Achtzehn werden, Volljährig werden… Mit siebzehn hat man noch Träume…. mit achtzehn auch… auch mit neunzehn. Träume gibt es immer, Luftschlösser, Häuser bauen ohne Geld, mit wenig Geld. Geld, was ist schon Geld?! Achtzehn werden für die Schanze?

Achtzehn Jahre Bauprojekte im Alt- und im Neubau, von besetzen Häusern bis zum heute modernen Passivhaus. Alles dabei.

Viele Wohnprojekte. Alles soll anders sein, als es vorher war. Farbiger, mit Menschen, die mit einem zusammenleben wollen, politischer, kommunikativer und dauerhaft preiswert. Raus aus der Anonymität. So die Leitbilder…

Wie fing es mit der Schanze an?

1987 in der Schanzenstraße. Das Aufbegehren eines Viertels gegen die Veränderungen, die da hießen Abriss. Abriss von Gebäuden die scheinbar ihren Wert verloren hatten. Der Kampf um die Häuser in der Schanzenstraße neben dem Kampf um die Häuser in der Hafenstraße. Die Auseinandersetzung in der Hafenstraße beschäftigt sämtliche Zeitungsjoumalisten schon lange, selbst im fernen Sydney. Die Herausforderung an die Gesellschaft und Politik hieß: kein Abriss weder hier noch dort, hier wollen wir leben, die Viertel und die Häuser müssen erhalten werden und nicht unsinnigen Straßenzügen, Hinterhofentkernung oder Neubauten weichen. Die Politik wurde herausgefordert einen Weg zu finden, wollte sie nicht der Straße das Feld überlassen.

Das politische Instrument der Sanierung abrissbedrohter innerstädtischer Gebäudesubstanzen, mit Hilfe des Programms Alternative Baubetreuung und die alternativen Sanierungsträger gab es bereits. Doch das reichte nicht. Für die besetzten Häuser in der Schanzenstraße musste es einen Träger geben, der potentiell in der Lage ist, für solche (umstrittenen) Gebäude zur Verfügung zu stehen, um diese vor dem drohenden Abriss zu bewahren. Was lag da näher, als in diesem Arbeitszusammenhang der STATTBAU darüber nachzudenken, zum richtigen Zeitpunkt, den richtigen Träger zu gründen. Also wurde die Schanze im Sommer 1987 gegründet. Nun fehlte nur noch das Geld.

Geld hat man oder man hat keins, heißt es so schön

Die Schanze die soeben gegründet wurde, hatte kein Geld. Eine erfolgreiche Kampagne brachte dann das notwendige Eigengeld für den Ankauf des Grundstücks in der Schanzenstraße. Der Grundstein für die Genossenschaft war gelegt. Nun hatte die Schanze plötzlich Mieter und Besetzer und musste damit umgehen. Das Zauberwort hieß: Wohnungswirtschaft.

Mit dem Ankauf der Häuser in der Schanzenstraße (zwei Vorderhäuser und vier Hinterhäuser) wurde der Stein der Genossenschaft gelegt auf dem bis heute weitere Grundstücke mit Häusern umgebaut, modernisiert und auf leeren Grundstücken neu gebaut wurden. Heute hat die Genossenschaft ca. 19.200 qm Wohn- und Nutzfläche in 22 Häusern, 244 Wohnungen und 5 Läden und Gemeinschaftseinrichtungen, ohne die Neubebauung in der Max-Brauer-Allee. In der Max-Brauer-Allee entstehen weitere 4 Häuser mit insgesamt 51 Wohneinheiten auf rund 3.000 Quadratmetern.

Da sage noch einer, die Schanze ist klein. Aber was für den einen groß, ist muss für den anderen noch lange nicht groß sein. Die Schanze ist in den achtzehn Jahren ein kleines Wohnungsunternehmen geworden, welches in der Wohnungswirtschaft mindestens durch ihre andere Vermietungsstruktur und durch ihren anderen Umgang mit den Häusern durch ihre an der Organisationsstruktur aktiv beteiligten Bewohnerinnen Aufmerksamkeit erreicht hat. Auch die großen Hamburger Genossenschaften, die damals das Geschehen um die Neugründungen von Genossenschaften kritische betrachtet haben, thematisieren die aktive Beteiligung von Mieterlnnen an ihren zukünftigen Wohnungen. „Themenwohnen“ wie Wohnen im Alter, Home-Office oder Clever Wohnen der großen Genossenschaften ist „in“ geworden oder böse gesagt, die Ökoartikel haben die Regale der Supermärkte erreicht. All das war vor achtzehn Jahren nicht erkennbar.

Die Viertel, in denen die Häuser der Schanze stehen, sind inzwischen komplett saniert. Bilder, wie eine leere verfallene Tankstelle unter der sich der Dreck sammelt oder verfallene, verlassene, nicht vermietete Häuser, gehören der Vergangenheit an. Großstadtfieber macht sich in den ehemals vernachlässigten Stadtteilen breit. Läden mit dem schönen Begriff Gastro-Design, Modedesign, Wohndesign, haben sich überall eingenistet. Kaffees, Kneipen, Pop und Kultur verändern die Viertel, woran vor achtzehn Jahren noch keiner gedacht hat. Junge Menschen lustwandeln durch die Viertel. Handys gab es damals auch noch nicht.

Die meisten der vielen Unterstützerlnnen aus der großen Freien und Hansestadt Hamburg und Mitglieder der ersten Stunde sind der Schanze bis heute treu geblieben. Die Mitglieder der Projekte sind mit erheblichem Eigenkapital und Selbsthilfe daran beteiligt, die Finanzierung der Objekte zu gewährleisten. Das Aufbringen des zur Finanzierung notwendigen Eigenkapitals ist auch heute noch nötig, um Projekte unter das Dach der Schanze zu nehmen. Bei jedem Objekt ist darüber hinaus die öffentliche Förderung in Anspruch genommen worden.

Ohne diese Bausteine des Aufbringens des notwendigen Eigenkapitals durch Geld oder bei den ersten Projekten durch die Selbsthilfe, der öffentlichen Förderung und der damit verbundenen Belegungsbindung, der Projektentwicklung meist durch die STATTBAU und der kreativen Planung der ArchitektInnen wäre nicht ein einziges Projekt umgesetzt worden. Ein Dach bietet Schutz für die vielen Projektmitglieder aus der Szene oder aus Obdachloseneinrichtungen, ein Dach bietet Schutz für Menschen mit Behinderung, für Familien, für Jung und alt, oder sogar für eine Spinne, die dort in Ruhe ihr Netz spinnen und des Nachts ihre Beute auflauern kann, ein Dach eben… für weitere Projekte.

Achtzehn Jahre weiter sind sechsunddreißig Jahre Schanze. Vielleicht gibt es dann das erste Suahvissaphaus. Wer weiß es schon. Auf jeden Fall wird

Azania wird schwarz
Die Flora bleibt rot
Zerschlagt den goldenen Westen

und die Antwort des Nachbarn in der Schanzenstraße

„Diese Wand bleibt bunt“ 

weitere achtzehn Jahre zurückliegen.

Rosemarie Oltmann ist Mitarbeiterin der STATTBAU HAMBURG Stadtentwicklungsgesellschaft mbH und im Vorstand der Wohnungsbaugenossensclraft Schanze e.G.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 12(2005), Hamburg